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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Ein buntes baumwollenes Hemd, ein Paar weite gestreifte Hosen, die oft nur bis
an die Knie der Strumpf- und schuhlvsen Beine reichten, bildeten den ganzen
übrigen Anzug. Sehr rasch und gewandt, ja selbst oft mit einer Art graciöser
Anmuth, ward das Geschäft, das Verdeck zu waschen, womit das Tagewerk jedes
Seemanns im Hafen stets beginnen wird, von ihnen verrichtet, als sei es eine
Art lustiges Spiel, vom Capitano mir zu ihrer Ergötzlichkeit angeordnet, so lach¬
ten und scherzten und neckten und jagten die Matrosen sich bei dieser Arbeit, die
flink und rasch, ohne doch eigentlich aber gefördert zu werden, ihnen von der
Hand ging. Ueber die Hälfte des in den leichten Eimern von Hanfleinewand
an Stricken heraufgezogenen Wassers ward muthwillig wieder ungenützt in das
Meer gegossen. Lustig sah es auch, wenn so ein Matrose aus Muthwillen seinem
neben ihm stehenden Kameraden tüchtig mit Wasser begossen hatte, und dieser
den Necker zu ergreisen suchte. Eine lebhafte Jagd begann dann zwischen den
Beiden, woraus sogleich die übrige Mannschaft ihre Arbeit einstellte, und lachend,
singend und mit lautem Zurufen anspornend oder verspottend dem Treiben zusah.
Mit der Schnelligkeit und Gewandtheit einer Eichkatze kletterte der Verfolgte in
der Strickleiter herauf und schwang sich bis auf die äußersten Spitzen der Masten
oder Nam, eben so rasch ihm nach der Verfolger, worauf der Erste, sich mir mit
den Händen und Füßen anhaltend, wie der Blitz an einem Spanntaue wieder auf
das Verdeck dcmiedersauste, während unablässig sein Feind ihm auf den Fersen
blieb. So ging die Jagd Mast auf, Mast ab, oft eine ganze Weile fort und
endete gewöhnlich damit, daß der Flüchtling, gleichsam zur Sühne, einen hohen
"Salto mortale" vom Mastkorb hinab in das Meer machte. Da fast alle grie¬
chischen Seeleute sehr geschickte Schwimmer und Taucher sind, so blieb der Sprin¬
ger oft> eine ganze Weile unter dem Wasser, bis dann plötzlich auf der andern
Seite des Schiffes sein schwarzer Lockenkopf wieder emportauchte und er lachend
und scherzend an einem ihm zugeworfenen Tau emporkletterte, um seiue
Arbeit vereint mit den Anderen ans's Neue aufzunehmen. Daß unter solchen
Späßen das Waschen nicht sonderlich gefördert wurde, läßt sich denken. Trotz
der langen Zeit, welche die Mannschaft dazu verwendet, sehen die griechischen
Handelsschiffe fast stets vou außen und mehr noch von innen schlecht und
unordentlich gewaschen, ja selbst oft widerlich schmuzig aus. So schlank ihre
Bauart, so zweckmäßig für das Mittelmeer ihre Takelage, so gewandt und schnell
sie im Segeln und Hin- und Herkreuzen sind, so nachlässig gehalten und ver¬
wahrlost sieht es dagegen an ihrem Bord aus. Ein ganz anderes Bild zeigte
das Geschäft der Morgeuwaschuug bei unsren norddeutschen Schiffen, von,denen
man stets mehrere mit oldenburgischen, preußischen, hannoverschen, mecklenburgi¬
schen oder bremischen Flaggen im Hafen von Genua bei einander liegen sieht.
Ein gewisser närrischer Ernst ist auf den Gesichtern ihrer meist blauäugigen, flachs-
haarigen, breitschultrigen Matrosen, die auch hier im Süden ihre gewohnten


Ein buntes baumwollenes Hemd, ein Paar weite gestreifte Hosen, die oft nur bis
an die Knie der Strumpf- und schuhlvsen Beine reichten, bildeten den ganzen
übrigen Anzug. Sehr rasch und gewandt, ja selbst oft mit einer Art graciöser
Anmuth, ward das Geschäft, das Verdeck zu waschen, womit das Tagewerk jedes
Seemanns im Hafen stets beginnen wird, von ihnen verrichtet, als sei es eine
Art lustiges Spiel, vom Capitano mir zu ihrer Ergötzlichkeit angeordnet, so lach¬
ten und scherzten und neckten und jagten die Matrosen sich bei dieser Arbeit, die
flink und rasch, ohne doch eigentlich aber gefördert zu werden, ihnen von der
Hand ging. Ueber die Hälfte des in den leichten Eimern von Hanfleinewand
an Stricken heraufgezogenen Wassers ward muthwillig wieder ungenützt in das
Meer gegossen. Lustig sah es auch, wenn so ein Matrose aus Muthwillen seinem
neben ihm stehenden Kameraden tüchtig mit Wasser begossen hatte, und dieser
den Necker zu ergreisen suchte. Eine lebhafte Jagd begann dann zwischen den
Beiden, woraus sogleich die übrige Mannschaft ihre Arbeit einstellte, und lachend,
singend und mit lautem Zurufen anspornend oder verspottend dem Treiben zusah.
Mit der Schnelligkeit und Gewandtheit einer Eichkatze kletterte der Verfolgte in
der Strickleiter herauf und schwang sich bis auf die äußersten Spitzen der Masten
oder Nam, eben so rasch ihm nach der Verfolger, worauf der Erste, sich mir mit
den Händen und Füßen anhaltend, wie der Blitz an einem Spanntaue wieder auf
das Verdeck dcmiedersauste, während unablässig sein Feind ihm auf den Fersen
blieb. So ging die Jagd Mast auf, Mast ab, oft eine ganze Weile fort und
endete gewöhnlich damit, daß der Flüchtling, gleichsam zur Sühne, einen hohen
„Salto mortale" vom Mastkorb hinab in das Meer machte. Da fast alle grie¬
chischen Seeleute sehr geschickte Schwimmer und Taucher sind, so blieb der Sprin¬
ger oft> eine ganze Weile unter dem Wasser, bis dann plötzlich auf der andern
Seite des Schiffes sein schwarzer Lockenkopf wieder emportauchte und er lachend
und scherzend an einem ihm zugeworfenen Tau emporkletterte, um seiue
Arbeit vereint mit den Anderen ans's Neue aufzunehmen. Daß unter solchen
Späßen das Waschen nicht sonderlich gefördert wurde, läßt sich denken. Trotz
der langen Zeit, welche die Mannschaft dazu verwendet, sehen die griechischen
Handelsschiffe fast stets vou außen und mehr noch von innen schlecht und
unordentlich gewaschen, ja selbst oft widerlich schmuzig aus. So schlank ihre
Bauart, so zweckmäßig für das Mittelmeer ihre Takelage, so gewandt und schnell
sie im Segeln und Hin- und Herkreuzen sind, so nachlässig gehalten und ver¬
wahrlost sieht es dagegen an ihrem Bord aus. Ein ganz anderes Bild zeigte
das Geschäft der Morgeuwaschuug bei unsren norddeutschen Schiffen, von,denen
man stets mehrere mit oldenburgischen, preußischen, hannoverschen, mecklenburgi¬
schen oder bremischen Flaggen im Hafen von Genua bei einander liegen sieht.
Ein gewisser närrischer Ernst ist auf den Gesichtern ihrer meist blauäugigen, flachs-
haarigen, breitschultrigen Matrosen, die auch hier im Süden ihre gewohnten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/12>, abgerufen am 22.05.2024.