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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Die englische Herrschaft über Ostindien -- damals noch nicht so befestigt
wie jetzt -- war gerade zu jener Zeit von einer großen Gefahr bedroht. Die
Franzosen waren zwar schon seit 1761 definitiv von der Halbinsel vertrieben, aber
ihr Einfluß auf die einheimischen, noch unabhängigen Fürsten war noch beträcht-
lich, und sie wühlten gerade jetzt, wo Bonaparte im Begriff stand, seine Expedition
nach Aegypten anzutreten, mit großer Thätigkeit und offenbarem Erfolge. Von
den einheimischen Fürsten war der Nizam von Deccan ein zweideutiger Aliirter
für die Engländer, Typpo Said, der Sultan von Mysore, ein geschlagener, aber
unversöhnlicher Feind, der, von dem französischen Directorium in Geheim unter¬
stützt, gewaltig rüstete, und ein vortrefflich ausgestattetes und gut disciplinirtes
Heer auf den Beinen hatte. Auf Seiten der Engländer war die Zahl der euro¬
päischen Truppen gering -- etwa 4000 Manu -- der Schatz schlecht gefüllt, die
Verhältnisse mit deu einheimischen verbündeten Fürsten gespannt. Zu diesen
Nachtheilen kamen noch das ungewohnte Klima, das die dünnen Reihen der
Europäer beständig decimirte, die beschwerlichen Communicationen, welche den
unbeholfen sich fortbewegenden europäischen Truppen nur schrittweises Vorrücken
erlaubten, während die einheimischen Feinde in ihrer leichtern Ausrüstung überall
und nirgends waren. Und dabei durften sich die Engländer nicht der gering¬
fügigsten Schlappe aussetzen, die unfehlbar das Ausehen ihrer Waffen vernichtet,
und ihre sämmtlichen Verbündeten zum Abfall gebracht hätte. Dennoch mußte
man sich zum Krieg gegen Typpo Said entschließen. Es war ein Glück
für England, daß es in dem einen Generalstatthalter, Lord Mornington, einen
vollendeten Staatsmann, und in dessen Bruder, dem Obersten Wellesley, einen
Militair besaß, dessen glänzende Begabung hier zum ersten Mal an den Tag
trat, und schwer in die Wagschale fiel. Er stieß mit seinem Regiment zu den
von dem Nizam gestellten Hilfstruppen, und befehligte dieselben als selbstständige
Division. Kaum konnte er sich eine bessere Gelegenheit, seine Begabung voll¬
ständig an den Tag zu legen, wünschen. Seine Stellung war unabhängig genug,
um ihm Gelegenheit zu geben, alle seine Talente zu zeigen; er war Mitglied der
dem Oberbefehlshaber beigegebenen politischen Commission; und er operirte nnter
den Angen eines Gouverneurs, dessen Scharfblick im Erkennen von Verdiensten
und Naschheit im Belohner für diesmal dnrch die Bande des Bluts einen neuen
Impuls erhielten. An vorleuchtenden Beispielen fehlte es nicht, denn in Ost¬
indien herrschte im Heere ein anderer Geist, als in England, und nnter Lord
Cornwallis hatte eine treffliche Schule von Officieren sich herangebildet, die der
commandirende General Harris mit Geschick zu verwenden wußte.

Schon in den Vorbereitungen zum Feldzuge hatten sich Oberst Wellesley's
organisatorische Talente glänzend geltend gemacht, und seine Division war durch
seine Anweisungen in ganz besonders kampftüchtigem Zustande/ In der Schlacht
von Malavelly erhielt sie die erste Feuertaufe. Wellesley sollte die Flanke des


Die englische Herrschaft über Ostindien — damals noch nicht so befestigt
wie jetzt — war gerade zu jener Zeit von einer großen Gefahr bedroht. Die
Franzosen waren zwar schon seit 1761 definitiv von der Halbinsel vertrieben, aber
ihr Einfluß auf die einheimischen, noch unabhängigen Fürsten war noch beträcht-
lich, und sie wühlten gerade jetzt, wo Bonaparte im Begriff stand, seine Expedition
nach Aegypten anzutreten, mit großer Thätigkeit und offenbarem Erfolge. Von
den einheimischen Fürsten war der Nizam von Deccan ein zweideutiger Aliirter
für die Engländer, Typpo Said, der Sultan von Mysore, ein geschlagener, aber
unversöhnlicher Feind, der, von dem französischen Directorium in Geheim unter¬
stützt, gewaltig rüstete, und ein vortrefflich ausgestattetes und gut disciplinirtes
Heer auf den Beinen hatte. Auf Seiten der Engländer war die Zahl der euro¬
päischen Truppen gering — etwa 4000 Manu — der Schatz schlecht gefüllt, die
Verhältnisse mit deu einheimischen verbündeten Fürsten gespannt. Zu diesen
Nachtheilen kamen noch das ungewohnte Klima, das die dünnen Reihen der
Europäer beständig decimirte, die beschwerlichen Communicationen, welche den
unbeholfen sich fortbewegenden europäischen Truppen nur schrittweises Vorrücken
erlaubten, während die einheimischen Feinde in ihrer leichtern Ausrüstung überall
und nirgends waren. Und dabei durften sich die Engländer nicht der gering¬
fügigsten Schlappe aussetzen, die unfehlbar das Ausehen ihrer Waffen vernichtet,
und ihre sämmtlichen Verbündeten zum Abfall gebracht hätte. Dennoch mußte
man sich zum Krieg gegen Typpo Said entschließen. Es war ein Glück
für England, daß es in dem einen Generalstatthalter, Lord Mornington, einen
vollendeten Staatsmann, und in dessen Bruder, dem Obersten Wellesley, einen
Militair besaß, dessen glänzende Begabung hier zum ersten Mal an den Tag
trat, und schwer in die Wagschale fiel. Er stieß mit seinem Regiment zu den
von dem Nizam gestellten Hilfstruppen, und befehligte dieselben als selbstständige
Division. Kaum konnte er sich eine bessere Gelegenheit, seine Begabung voll¬
ständig an den Tag zu legen, wünschen. Seine Stellung war unabhängig genug,
um ihm Gelegenheit zu geben, alle seine Talente zu zeigen; er war Mitglied der
dem Oberbefehlshaber beigegebenen politischen Commission; und er operirte nnter
den Angen eines Gouverneurs, dessen Scharfblick im Erkennen von Verdiensten
und Naschheit im Belohner für diesmal dnrch die Bande des Bluts einen neuen
Impuls erhielten. An vorleuchtenden Beispielen fehlte es nicht, denn in Ost¬
indien herrschte im Heere ein anderer Geist, als in England, und nnter Lord
Cornwallis hatte eine treffliche Schule von Officieren sich herangebildet, die der
commandirende General Harris mit Geschick zu verwenden wußte.

Schon in den Vorbereitungen zum Feldzuge hatten sich Oberst Wellesley's
organisatorische Talente glänzend geltend gemacht, und seine Division war durch
seine Anweisungen in ganz besonders kampftüchtigem Zustande/ In der Schlacht
von Malavelly erhielt sie die erste Feuertaufe. Wellesley sollte die Flanke des


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[0151] Die englische Herrschaft über Ostindien — damals noch nicht so befestigt wie jetzt — war gerade zu jener Zeit von einer großen Gefahr bedroht. Die Franzosen waren zwar schon seit 1761 definitiv von der Halbinsel vertrieben, aber ihr Einfluß auf die einheimischen, noch unabhängigen Fürsten war noch beträcht- lich, und sie wühlten gerade jetzt, wo Bonaparte im Begriff stand, seine Expedition nach Aegypten anzutreten, mit großer Thätigkeit und offenbarem Erfolge. Von den einheimischen Fürsten war der Nizam von Deccan ein zweideutiger Aliirter für die Engländer, Typpo Said, der Sultan von Mysore, ein geschlagener, aber unversöhnlicher Feind, der, von dem französischen Directorium in Geheim unter¬ stützt, gewaltig rüstete, und ein vortrefflich ausgestattetes und gut disciplinirtes Heer auf den Beinen hatte. Auf Seiten der Engländer war die Zahl der euro¬ päischen Truppen gering — etwa 4000 Manu — der Schatz schlecht gefüllt, die Verhältnisse mit deu einheimischen verbündeten Fürsten gespannt. Zu diesen Nachtheilen kamen noch das ungewohnte Klima, das die dünnen Reihen der Europäer beständig decimirte, die beschwerlichen Communicationen, welche den unbeholfen sich fortbewegenden europäischen Truppen nur schrittweises Vorrücken erlaubten, während die einheimischen Feinde in ihrer leichtern Ausrüstung überall und nirgends waren. Und dabei durften sich die Engländer nicht der gering¬ fügigsten Schlappe aussetzen, die unfehlbar das Ausehen ihrer Waffen vernichtet, und ihre sämmtlichen Verbündeten zum Abfall gebracht hätte. Dennoch mußte man sich zum Krieg gegen Typpo Said entschließen. Es war ein Glück für England, daß es in dem einen Generalstatthalter, Lord Mornington, einen vollendeten Staatsmann, und in dessen Bruder, dem Obersten Wellesley, einen Militair besaß, dessen glänzende Begabung hier zum ersten Mal an den Tag trat, und schwer in die Wagschale fiel. Er stieß mit seinem Regiment zu den von dem Nizam gestellten Hilfstruppen, und befehligte dieselben als selbstständige Division. Kaum konnte er sich eine bessere Gelegenheit, seine Begabung voll¬ ständig an den Tag zu legen, wünschen. Seine Stellung war unabhängig genug, um ihm Gelegenheit zu geben, alle seine Talente zu zeigen; er war Mitglied der dem Oberbefehlshaber beigegebenen politischen Commission; und er operirte nnter den Angen eines Gouverneurs, dessen Scharfblick im Erkennen von Verdiensten und Naschheit im Belohner für diesmal dnrch die Bande des Bluts einen neuen Impuls erhielten. An vorleuchtenden Beispielen fehlte es nicht, denn in Ost¬ indien herrschte im Heere ein anderer Geist, als in England, und nnter Lord Cornwallis hatte eine treffliche Schule von Officieren sich herangebildet, die der commandirende General Harris mit Geschick zu verwenden wußte. Schon in den Vorbereitungen zum Feldzuge hatten sich Oberst Wellesley's organisatorische Talente glänzend geltend gemacht, und seine Division war durch seine Anweisungen in ganz besonders kampftüchtigem Zustande/ In der Schlacht von Malavelly erhielt sie die erste Feuertaufe. Wellesley sollte die Flanke des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/151>, abgerufen am 15.06.2024.