Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

er auch als Oberstlieutenant und Oberst blieb. Nur einen Zug wissen wir ans
jener Zeit von ihm zu berichten, der mit der spätern Entwickelung seines Charakters
in schroffem Gegensatze steht. Er lebte, wie es die Sitte der Zeit unter dem
aristokratischen Theil der Officiere mit sich brachte, weit über sein Einkommen hinaus,
und geriet!) in so ernstliche Geldverlegenheiten, daß er in Dublin die Unter--
Stützung seines Hauswirths, eines Schuhmachers, in Anspruch nehmen mußte,
auch später die Ordnung seiner Angelegenheiten einem andern Dubliner Gewerbs-
mann in die Hände gab.

Letzterer Schritt wurde durch seine Verwendung im Auslande veranlaßt.
Zur Unterstützung der gegen die französische Republik ziehenden Alliirten war der
, Herzog vou Dort mit einem englischen Hilfscorps in den Niederlanden gelandet.
Die englischen Truppen hatten längst den uuter Marlborough's siegreichen Fahnen
erworbenen Ruhm verloren; schon hatte sich der Glaube festgesetzt, der Engländer
passe nicht zum Fechten auf dem Lande, sondern das Meer sei der einzige geeig¬
nete Schauplatz, wo er militairische Tugenden entwickeln könne. Deshalb verließ
man sich für den Landkrieg meistens auf gemiethete, namentlich deutsche Truppen,
und was von englischen Truppen vorhanden war, war sehr mangelhaft organisirt.
Ihre Taktik war veraltet, ihre Bewaffnung schlecht, und die Verpflegung machte
die Contrahenten reich, ließ aber die Soldaten fast verhungern. Mit solchen
Truppen trat Arthur Wellesley als Oberst des 33. Regiments 1794 seinen ersten
Feldzug an, und zwar ans demselben Schauplatz, der seinen letzten Sieg gesehen,
in Belgien. Die schlaffen Operationen der Alliirten konnten den Ungestüm der
Republikaner nicht aufhalten; nach der Niederlage der Oestreicher bei Flenrus
mußten sich die Engländer allmählich aus den Niederlanden im strengsten Winter
und durch ein ihnen feindlich gesinntes Land nach Westphalen zurückziehen, wo ein
preußisches Corps sie endlich ausnahm. Im Frühjahr 1796 schiffte sich das
englische Corps, durch Krankheiten und Desertionen geschwächt, in Bremerlehe nach
England ein. Oberst Wellesley hatte während des ganzen Rückzugs die Ehren¬
posten, die Arriöregarde, befehligt, und bei mehrfachen Gelegenheiten große Un-
erschrockenheit und Kaltblütigkeit an den Tag gelegt, und seine geschickten Dis¬
positionen als Führer einer Brigade werden besonders hevorgehoben.

Noch im Herbste desselben Jahres erhielt Wellesley mit seinem Regiment
eine neue Bestimmung nach Westindien; aber widrige Winde hielten die Transport¬
schiffe im Hafen zurück, und das 33. Regiment erhielt Gegenbefehl, nun nach
Bengalen zu gehen. Sein Oberst konnte es jedoch nicht gleich begleiten, denn
er bekam einen Krankheitsanfall -- was ihm, der sich später bis in das höchste
Alter einer eisernen Gesundheit erfreute, in der Jugend öfter zustieß -- und
konnte erst am Cap wieder zu seinem Corps stoßen. Im Frühjahr 1797 landete
endlich Arthur Wellesley in Calcutta, und hatte nun den Schauplatz betreten, wo
er den ersten Grund zu seinem Ruhm als Feldherr legen sollte.


er auch als Oberstlieutenant und Oberst blieb. Nur einen Zug wissen wir ans
jener Zeit von ihm zu berichten, der mit der spätern Entwickelung seines Charakters
in schroffem Gegensatze steht. Er lebte, wie es die Sitte der Zeit unter dem
aristokratischen Theil der Officiere mit sich brachte, weit über sein Einkommen hinaus,
und geriet!) in so ernstliche Geldverlegenheiten, daß er in Dublin die Unter--
Stützung seines Hauswirths, eines Schuhmachers, in Anspruch nehmen mußte,
auch später die Ordnung seiner Angelegenheiten einem andern Dubliner Gewerbs-
mann in die Hände gab.

Letzterer Schritt wurde durch seine Verwendung im Auslande veranlaßt.
Zur Unterstützung der gegen die französische Republik ziehenden Alliirten war der
, Herzog vou Dort mit einem englischen Hilfscorps in den Niederlanden gelandet.
Die englischen Truppen hatten längst den uuter Marlborough's siegreichen Fahnen
erworbenen Ruhm verloren; schon hatte sich der Glaube festgesetzt, der Engländer
passe nicht zum Fechten auf dem Lande, sondern das Meer sei der einzige geeig¬
nete Schauplatz, wo er militairische Tugenden entwickeln könne. Deshalb verließ
man sich für den Landkrieg meistens auf gemiethete, namentlich deutsche Truppen,
und was von englischen Truppen vorhanden war, war sehr mangelhaft organisirt.
Ihre Taktik war veraltet, ihre Bewaffnung schlecht, und die Verpflegung machte
die Contrahenten reich, ließ aber die Soldaten fast verhungern. Mit solchen
Truppen trat Arthur Wellesley als Oberst des 33. Regiments 1794 seinen ersten
Feldzug an, und zwar ans demselben Schauplatz, der seinen letzten Sieg gesehen,
in Belgien. Die schlaffen Operationen der Alliirten konnten den Ungestüm der
Republikaner nicht aufhalten; nach der Niederlage der Oestreicher bei Flenrus
mußten sich die Engländer allmählich aus den Niederlanden im strengsten Winter
und durch ein ihnen feindlich gesinntes Land nach Westphalen zurückziehen, wo ein
preußisches Corps sie endlich ausnahm. Im Frühjahr 1796 schiffte sich das
englische Corps, durch Krankheiten und Desertionen geschwächt, in Bremerlehe nach
England ein. Oberst Wellesley hatte während des ganzen Rückzugs die Ehren¬
posten, die Arriöregarde, befehligt, und bei mehrfachen Gelegenheiten große Un-
erschrockenheit und Kaltblütigkeit an den Tag gelegt, und seine geschickten Dis¬
positionen als Führer einer Brigade werden besonders hevorgehoben.

Noch im Herbste desselben Jahres erhielt Wellesley mit seinem Regiment
eine neue Bestimmung nach Westindien; aber widrige Winde hielten die Transport¬
schiffe im Hafen zurück, und das 33. Regiment erhielt Gegenbefehl, nun nach
Bengalen zu gehen. Sein Oberst konnte es jedoch nicht gleich begleiten, denn
er bekam einen Krankheitsanfall — was ihm, der sich später bis in das höchste
Alter einer eisernen Gesundheit erfreute, in der Jugend öfter zustieß — und
konnte erst am Cap wieder zu seinem Corps stoßen. Im Frühjahr 1797 landete
endlich Arthur Wellesley in Calcutta, und hatte nun den Schauplatz betreten, wo
er den ersten Grund zu seinem Ruhm als Feldherr legen sollte.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0150" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/95131"/>
            <p xml:id="ID_392" prev="#ID_391"> er auch als Oberstlieutenant und Oberst blieb. Nur einen Zug wissen wir ans<lb/>
jener Zeit von ihm zu berichten, der mit der spätern Entwickelung seines Charakters<lb/>
in schroffem Gegensatze steht. Er lebte, wie es die Sitte der Zeit unter dem<lb/>
aristokratischen Theil der Officiere mit sich brachte, weit über sein Einkommen hinaus,<lb/>
und geriet!) in so ernstliche Geldverlegenheiten, daß er in Dublin die Unter--<lb/>
Stützung seines Hauswirths, eines Schuhmachers, in Anspruch nehmen mußte,<lb/>
auch später die Ordnung seiner Angelegenheiten einem andern Dubliner Gewerbs-<lb/>
mann in die Hände gab.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_393"> Letzterer Schritt wurde durch seine Verwendung im Auslande veranlaßt.<lb/>
Zur Unterstützung der gegen die französische Republik ziehenden Alliirten war der<lb/>
, Herzog vou Dort mit einem englischen Hilfscorps in den Niederlanden gelandet.<lb/>
Die englischen Truppen hatten längst den uuter Marlborough's siegreichen Fahnen<lb/>
erworbenen Ruhm verloren; schon hatte sich der Glaube festgesetzt, der Engländer<lb/>
passe nicht zum Fechten auf dem Lande, sondern das Meer sei der einzige geeig¬<lb/>
nete Schauplatz, wo er militairische Tugenden entwickeln könne. Deshalb verließ<lb/>
man sich für den Landkrieg meistens auf gemiethete, namentlich deutsche Truppen,<lb/>
und was von englischen Truppen vorhanden war, war sehr mangelhaft organisirt.<lb/>
Ihre Taktik war veraltet, ihre Bewaffnung schlecht, und die Verpflegung machte<lb/>
die Contrahenten reich, ließ aber die Soldaten fast verhungern. Mit solchen<lb/>
Truppen trat Arthur Wellesley als Oberst des 33. Regiments 1794 seinen ersten<lb/>
Feldzug an, und zwar ans demselben Schauplatz, der seinen letzten Sieg gesehen,<lb/>
in Belgien. Die schlaffen Operationen der Alliirten konnten den Ungestüm der<lb/>
Republikaner nicht aufhalten; nach der Niederlage der Oestreicher bei Flenrus<lb/>
mußten sich die Engländer allmählich aus den Niederlanden im strengsten Winter<lb/>
und durch ein ihnen feindlich gesinntes Land nach Westphalen zurückziehen, wo ein<lb/>
preußisches Corps sie endlich ausnahm. Im Frühjahr 1796 schiffte sich das<lb/>
englische Corps, durch Krankheiten und Desertionen geschwächt, in Bremerlehe nach<lb/>
England ein. Oberst Wellesley hatte während des ganzen Rückzugs die Ehren¬<lb/>
posten, die Arriöregarde, befehligt, und bei mehrfachen Gelegenheiten große Un-<lb/>
erschrockenheit und Kaltblütigkeit an den Tag gelegt, und seine geschickten Dis¬<lb/>
positionen als Führer einer Brigade werden besonders hevorgehoben.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_394"> Noch im Herbste desselben Jahres erhielt Wellesley mit seinem Regiment<lb/>
eine neue Bestimmung nach Westindien; aber widrige Winde hielten die Transport¬<lb/>
schiffe im Hafen zurück, und das 33. Regiment erhielt Gegenbefehl, nun nach<lb/>
Bengalen zu gehen. Sein Oberst konnte es jedoch nicht gleich begleiten, denn<lb/>
er bekam einen Krankheitsanfall &#x2014; was ihm, der sich später bis in das höchste<lb/>
Alter einer eisernen Gesundheit erfreute, in der Jugend öfter zustieß &#x2014; und<lb/>
konnte erst am Cap wieder zu seinem Corps stoßen. Im Frühjahr 1797 landete<lb/>
endlich Arthur Wellesley in Calcutta, und hatte nun den Schauplatz betreten, wo<lb/>
er den ersten Grund zu seinem Ruhm als Feldherr legen sollte.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0150] er auch als Oberstlieutenant und Oberst blieb. Nur einen Zug wissen wir ans jener Zeit von ihm zu berichten, der mit der spätern Entwickelung seines Charakters in schroffem Gegensatze steht. Er lebte, wie es die Sitte der Zeit unter dem aristokratischen Theil der Officiere mit sich brachte, weit über sein Einkommen hinaus, und geriet!) in so ernstliche Geldverlegenheiten, daß er in Dublin die Unter-- Stützung seines Hauswirths, eines Schuhmachers, in Anspruch nehmen mußte, auch später die Ordnung seiner Angelegenheiten einem andern Dubliner Gewerbs- mann in die Hände gab. Letzterer Schritt wurde durch seine Verwendung im Auslande veranlaßt. Zur Unterstützung der gegen die französische Republik ziehenden Alliirten war der , Herzog vou Dort mit einem englischen Hilfscorps in den Niederlanden gelandet. Die englischen Truppen hatten längst den uuter Marlborough's siegreichen Fahnen erworbenen Ruhm verloren; schon hatte sich der Glaube festgesetzt, der Engländer passe nicht zum Fechten auf dem Lande, sondern das Meer sei der einzige geeig¬ nete Schauplatz, wo er militairische Tugenden entwickeln könne. Deshalb verließ man sich für den Landkrieg meistens auf gemiethete, namentlich deutsche Truppen, und was von englischen Truppen vorhanden war, war sehr mangelhaft organisirt. Ihre Taktik war veraltet, ihre Bewaffnung schlecht, und die Verpflegung machte die Contrahenten reich, ließ aber die Soldaten fast verhungern. Mit solchen Truppen trat Arthur Wellesley als Oberst des 33. Regiments 1794 seinen ersten Feldzug an, und zwar ans demselben Schauplatz, der seinen letzten Sieg gesehen, in Belgien. Die schlaffen Operationen der Alliirten konnten den Ungestüm der Republikaner nicht aufhalten; nach der Niederlage der Oestreicher bei Flenrus mußten sich die Engländer allmählich aus den Niederlanden im strengsten Winter und durch ein ihnen feindlich gesinntes Land nach Westphalen zurückziehen, wo ein preußisches Corps sie endlich ausnahm. Im Frühjahr 1796 schiffte sich das englische Corps, durch Krankheiten und Desertionen geschwächt, in Bremerlehe nach England ein. Oberst Wellesley hatte während des ganzen Rückzugs die Ehren¬ posten, die Arriöregarde, befehligt, und bei mehrfachen Gelegenheiten große Un- erschrockenheit und Kaltblütigkeit an den Tag gelegt, und seine geschickten Dis¬ positionen als Führer einer Brigade werden besonders hevorgehoben. Noch im Herbste desselben Jahres erhielt Wellesley mit seinem Regiment eine neue Bestimmung nach Westindien; aber widrige Winde hielten die Transport¬ schiffe im Hafen zurück, und das 33. Regiment erhielt Gegenbefehl, nun nach Bengalen zu gehen. Sein Oberst konnte es jedoch nicht gleich begleiten, denn er bekam einen Krankheitsanfall — was ihm, der sich später bis in das höchste Alter einer eisernen Gesundheit erfreute, in der Jugend öfter zustieß — und konnte erst am Cap wieder zu seinem Corps stoßen. Im Frühjahr 1797 landete endlich Arthur Wellesley in Calcutta, und hatte nun den Schauplatz betreten, wo er den ersten Grund zu seinem Ruhm als Feldherr legen sollte.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/150
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/150>, abgerufen am 15.06.2024.