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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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um lähmte. Ohne vom Schiff an's Land zu gehen, befahl ihm dieser, bei Vimiero
Halt zu machen, um die Ankunft eines neuen englischen Corps unter Sir I. Moore
abzuwarten. Vergebens stellte Sir Arthur seinem Obern vor, welch günstige
Gelegenheit, Portugal vom Feinde zu befreien, damit ans der Hand gegeben
würde -- er durfte nicht angreifen, und wurde um, wie er vorausgesagt, selbst
von Junot angegriffen, der aber eine vollständige Niederlage erlitt. Sie hätte
zur Vernichtung des französischen Heeres geführt, ohne die Energielosigkeit des
neuen unterdeß aus England angekommenen Befehlshabers, Sir Hugh Dalrymple,
dessen Respect vor deu französischen Waffen noch so unerschüttert war, daß er
mit Junot den Waffenstillstand von Cintra abschloß, der alle Vortheile wieder
aus der Hand gab, und um die,Räumung Portugals durch die Franzosen stipu-
lirte. Da Wellesley den Waffenstillstand ans Befehl seines Obern unterzeichnet
hatte, traf der erste Sturm der Entrüstung der englischen Nation ihn, aber die
darauf folgende Untersuchung sprach ihm nicht nur von allem Tadel frei, sondern
stellte seine Verdienste in das hellste Licht. Der "Sepoygeneral" verstand nicht
blos mit Halbbarbaren zu fechte"; er hatte die gefürchteten französischen Truppen
in offener Feldschlacht überwunden. Er verließ jedoch die pyrenäische Halbinsel,
hatte aber noch die Freude, seiue Verdienste durch ein Ehrengeschenk seiner Waffen-
gefährten anerkannt zu sehen.

Es zeigte sich bald, daß er der belebende Geist im englischen Heere gewesen
war. Seine Thätigkeit hatte die Franzosen ans Portugal vertrieben, und auch
auf die spanischen Patrioten ermuthigend eingewirkt. Nur noch einen Theil der ge¬
birgigen Districte nördlich vom Ebro hielten SO bis 60,000 Franzosen besetzt,
während die spanischen Streitkräfte, angeblich fast doppelt so stark, jene in einem
weiten Bogen von Bilbao bis Barcelona umschlossen, und 30,000 Mann Eng¬
länder zur Mitwirkung bereit standen. Aber die Vortheile der Verbündeten waren
mehr scheinbar als wirklich. Die spanischen Truppen waren zwar voll Enthusias¬
mus, aber sonst fehlte ihnen Alles. Die die Verwaltung des Landes leitenden
provinziellen Junten handelten alle unabhängig von einander, und eine Centrali¬
sation derselben wollte nicht gelingen. Die Folge davon konnte um Uneinigkeit,
Verwirrung, Ratlosigkeit, und ein durch die letzten Erfolge bestärkter Geist der
Insubordination sein. Die Franzosen dagegen hatten die ungeheuren Hilfsquellen
ihres Landes unmittelbar hinter sich; und Napoleon, entschlossen, dem Widerstand
der Spanier ans immer ein Ende zu machen, bereitete mit gewohnter Energie
einen seiner entscheidenden Schläge vor: die Armee hinter dem Ebro wurde rasch
auf 130,000 Mann verstärkt, und Napoleon selbst stellte sich an ihre Spitze.
Bevor noch Sir I. Moore mit seinen 28,000 Engländern die Spanier hatte wirksam
unterstützen können, waren diese wie Spreu vor dem Winde vor dem mächtigen
Anfall Napoleon's zerstoben, und Letzterer war schon am i. December wieder
Herr von Madrid, und richtete jetzt seine ganze Macht gegen Moore, der sich


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um lähmte. Ohne vom Schiff an's Land zu gehen, befahl ihm dieser, bei Vimiero
Halt zu machen, um die Ankunft eines neuen englischen Corps unter Sir I. Moore
abzuwarten. Vergebens stellte Sir Arthur seinem Obern vor, welch günstige
Gelegenheit, Portugal vom Feinde zu befreien, damit ans der Hand gegeben
würde — er durfte nicht angreifen, und wurde um, wie er vorausgesagt, selbst
von Junot angegriffen, der aber eine vollständige Niederlage erlitt. Sie hätte
zur Vernichtung des französischen Heeres geführt, ohne die Energielosigkeit des
neuen unterdeß aus England angekommenen Befehlshabers, Sir Hugh Dalrymple,
dessen Respect vor deu französischen Waffen noch so unerschüttert war, daß er
mit Junot den Waffenstillstand von Cintra abschloß, der alle Vortheile wieder
aus der Hand gab, und um die,Räumung Portugals durch die Franzosen stipu-
lirte. Da Wellesley den Waffenstillstand ans Befehl seines Obern unterzeichnet
hatte, traf der erste Sturm der Entrüstung der englischen Nation ihn, aber die
darauf folgende Untersuchung sprach ihm nicht nur von allem Tadel frei, sondern
stellte seine Verdienste in das hellste Licht. Der „Sepoygeneral" verstand nicht
blos mit Halbbarbaren zu fechte»; er hatte die gefürchteten französischen Truppen
in offener Feldschlacht überwunden. Er verließ jedoch die pyrenäische Halbinsel,
hatte aber noch die Freude, seiue Verdienste durch ein Ehrengeschenk seiner Waffen-
gefährten anerkannt zu sehen.

Es zeigte sich bald, daß er der belebende Geist im englischen Heere gewesen
war. Seine Thätigkeit hatte die Franzosen ans Portugal vertrieben, und auch
auf die spanischen Patrioten ermuthigend eingewirkt. Nur noch einen Theil der ge¬
birgigen Districte nördlich vom Ebro hielten SO bis 60,000 Franzosen besetzt,
während die spanischen Streitkräfte, angeblich fast doppelt so stark, jene in einem
weiten Bogen von Bilbao bis Barcelona umschlossen, und 30,000 Mann Eng¬
länder zur Mitwirkung bereit standen. Aber die Vortheile der Verbündeten waren
mehr scheinbar als wirklich. Die spanischen Truppen waren zwar voll Enthusias¬
mus, aber sonst fehlte ihnen Alles. Die die Verwaltung des Landes leitenden
provinziellen Junten handelten alle unabhängig von einander, und eine Centrali¬
sation derselben wollte nicht gelingen. Die Folge davon konnte um Uneinigkeit,
Verwirrung, Ratlosigkeit, und ein durch die letzten Erfolge bestärkter Geist der
Insubordination sein. Die Franzosen dagegen hatten die ungeheuren Hilfsquellen
ihres Landes unmittelbar hinter sich; und Napoleon, entschlossen, dem Widerstand
der Spanier ans immer ein Ende zu machen, bereitete mit gewohnter Energie
einen seiner entscheidenden Schläge vor: die Armee hinter dem Ebro wurde rasch
auf 130,000 Mann verstärkt, und Napoleon selbst stellte sich an ihre Spitze.
Bevor noch Sir I. Moore mit seinen 28,000 Engländern die Spanier hatte wirksam
unterstützen können, waren diese wie Spreu vor dem Winde vor dem mächtigen
Anfall Napoleon's zerstoben, und Letzterer war schon am i. December wieder
Herr von Madrid, und richtete jetzt seine ganze Macht gegen Moore, der sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/173>, abgerufen am 16.06.2024.