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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Zusammenbleiben einer größern Trnppenmafse,. als der englische Feldherr ihnen
entgegenstellen konnte, unmöglich. Die Erfahrungen von Talavera und Salamanca
zeigten Wellington, daß seiue Armee bei gehöriger Vorsicht nicht leicht in offener Feld¬
schlacht den Kürzern ziehen würde, und der Uebermacht der Franzosen wurde
durch die politischen Verhältnisse und dnrch die Natur von Napoleon's Macht
eine feste Grenze gezogen. Ferner erschwerten sich die Franzosen ihre Lage selbst
sehr durch ihre Art und Weise der Kriegführung, und der unauslöschliche Haß
der Spanier that ihnen erheblichen Abbruch. Da bei den Franzosen der Krieg
den Krieg ernähren mußte, so mußten sie sich die Bevölkerung dnrch schonungs¬
lose Plünderung entfremden, und aus jedem Depot oder Magazin einen befestig¬
ten Posten machen. Die zahlreichen Guerilla's durchschnitten ihre Verbindungs¬
linien in allen Richtungen, und ließen ihnen außerhalb ihrer Quartiere keinen Zoll
breit Terrain. Verließen sie eine Provinz, so war dieselbe verloren; räumten sie
einen Posten, so war er ans der Stelle von Feinden besetzt, die im offenen Felde
uicht Stand halten konnten, die aber mit unbesiegbarer Hartnäckigkeit stets
ihre Flanken und ihren Rücken bedrohten. Wellington dagegen stand mit einer auf
einen Puukt vereinigten Armee in einer centralen Stellung, von wo er sich nach
allen Seiten bewegen konnte. Wie schwer sie anzugreifen war, zeigte Massena's
theuer bezahltes Unternehmen dagegen; und von jener Zeit an konnte er hier
ungestört seine Kräfte sammeln, und über Alucita und Salamanca gegen die
große Straße nach Frankreich, dnrch das Tajothal über Talavera gegen Madrid,
oder über Elvas und Badajoz nach Andalusien hervorbrechen, und während seine
Gegner ihre Communication sich nur mit Mühe, und auf Kosten einer bedeuten¬
den Schwächung ihrer Streitkräfte erhalten konnten, bot ihm jeder Hafen zwischen
Lissabon und Santander eine sichere Verbindung mit England, und stete Gelegen¬
heit, Zufuhr an Mannschaft und Kriegsvorrath zu erhalten. Dies Alles nimmt
jedoch seinen Siegen nur das Wunderbare; und es gehörte sein klarer Blick und
sein nicht zu beugender Muth dazu, um alle diese Vortheile, die Niemand sehen
wollte, zu benutzen. Er zuerst wies auf die ausgezeichnete Defensivlage Por¬
tugals hin; er erkannte zuerst die schwache" Punkte seines Gegners; er flößte
zuerst seinen Soldaten Vertrauen in sich und ihre Führer ein. Allerdings bot
das Kriegstheater den Engländern mehr vortheilhafte Gelegenheiten, als dem
Gegner, aber um sie zu benutzen, durfte keine einzige unvorsichtige Handlung die
Sicherheit der Armee gefährden, von der Alles abhing; durfte kein Mittel ver¬
säumt werden, um die Armee kampffertig zu erhalten, und sich einen nützlichen
Bundesgenossen ans den portugiesischen Recruten zu schaffen; mußte Versuchungen
widerstanden, eine feindliche öffentliche Meinung ruhig ertragen und Heraus¬
forderungen übersehen werden. Er führte den Krieg fast auf seine eigene Ver¬
antwortlichkeit, säumig unterstützt von dem dnrch eine factiose Opposition gelähmten
Ministerium, und selbst unter unaufhörlichen Intriguen und Hemmungen von


Zusammenbleiben einer größern Trnppenmafse,. als der englische Feldherr ihnen
entgegenstellen konnte, unmöglich. Die Erfahrungen von Talavera und Salamanca
zeigten Wellington, daß seiue Armee bei gehöriger Vorsicht nicht leicht in offener Feld¬
schlacht den Kürzern ziehen würde, und der Uebermacht der Franzosen wurde
durch die politischen Verhältnisse und dnrch die Natur von Napoleon's Macht
eine feste Grenze gezogen. Ferner erschwerten sich die Franzosen ihre Lage selbst
sehr durch ihre Art und Weise der Kriegführung, und der unauslöschliche Haß
der Spanier that ihnen erheblichen Abbruch. Da bei den Franzosen der Krieg
den Krieg ernähren mußte, so mußten sie sich die Bevölkerung dnrch schonungs¬
lose Plünderung entfremden, und aus jedem Depot oder Magazin einen befestig¬
ten Posten machen. Die zahlreichen Guerilla's durchschnitten ihre Verbindungs¬
linien in allen Richtungen, und ließen ihnen außerhalb ihrer Quartiere keinen Zoll
breit Terrain. Verließen sie eine Provinz, so war dieselbe verloren; räumten sie
einen Posten, so war er ans der Stelle von Feinden besetzt, die im offenen Felde
uicht Stand halten konnten, die aber mit unbesiegbarer Hartnäckigkeit stets
ihre Flanken und ihren Rücken bedrohten. Wellington dagegen stand mit einer auf
einen Puukt vereinigten Armee in einer centralen Stellung, von wo er sich nach
allen Seiten bewegen konnte. Wie schwer sie anzugreifen war, zeigte Massena's
theuer bezahltes Unternehmen dagegen; und von jener Zeit an konnte er hier
ungestört seine Kräfte sammeln, und über Alucita und Salamanca gegen die
große Straße nach Frankreich, dnrch das Tajothal über Talavera gegen Madrid,
oder über Elvas und Badajoz nach Andalusien hervorbrechen, und während seine
Gegner ihre Communication sich nur mit Mühe, und auf Kosten einer bedeuten¬
den Schwächung ihrer Streitkräfte erhalten konnten, bot ihm jeder Hafen zwischen
Lissabon und Santander eine sichere Verbindung mit England, und stete Gelegen¬
heit, Zufuhr an Mannschaft und Kriegsvorrath zu erhalten. Dies Alles nimmt
jedoch seinen Siegen nur das Wunderbare; und es gehörte sein klarer Blick und
sein nicht zu beugender Muth dazu, um alle diese Vortheile, die Niemand sehen
wollte, zu benutzen. Er zuerst wies auf die ausgezeichnete Defensivlage Por¬
tugals hin; er erkannte zuerst die schwache» Punkte seines Gegners; er flößte
zuerst seinen Soldaten Vertrauen in sich und ihre Führer ein. Allerdings bot
das Kriegstheater den Engländern mehr vortheilhafte Gelegenheiten, als dem
Gegner, aber um sie zu benutzen, durfte keine einzige unvorsichtige Handlung die
Sicherheit der Armee gefährden, von der Alles abhing; durfte kein Mittel ver¬
säumt werden, um die Armee kampffertig zu erhalten, und sich einen nützlichen
Bundesgenossen ans den portugiesischen Recruten zu schaffen; mußte Versuchungen
widerstanden, eine feindliche öffentliche Meinung ruhig ertragen und Heraus¬
forderungen übersehen werden. Er führte den Krieg fast auf seine eigene Ver¬
antwortlichkeit, säumig unterstützt von dem dnrch eine factiose Opposition gelähmten
Ministerium, und selbst unter unaufhörlichen Intriguen und Hemmungen von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/178>, abgerufen am 15.06.2024.