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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Molo nuovo als Leitpunkt dienen mußten, oft blieben wir anch im Hafen selbst
zwischen den Schiffen, die mannichfachen Bilder, die sich jetzt auf ihnen uns
zeigten, zu beschauen, oder hielten uns in mäßiger Entfernung von der Küste,
um so die vielen landschaftlichen Reize, die sie in immer neuer Abwechselung
uns bot, desto besser bewundern zu können.

Besonders herrlich war es ans dem Meere, wenn die Sonne im Scheiden
begriffen, und ihre letzten Strahlen den breiten Spiegel desselben mit purpurnem
Schein färbten. In der klaren Beleuchtung sah man doppelt deutlich die schönen
Linien der Paläste und Kirchen Genua's, und gleich goldenen Scheiben blitzten
und funkelten die Fenster in dem silberweißen Gemäuer. Im duftigen Blau ver¬
hüllt, lagen die ferneren Kuppen der Seealpen, während ihre näheren Höhen
in scharfen Contouren am rosigen Himmel sich abzeichneten. Gleich riesigen Schwä¬
nen erschienen die vielen großen und kleinen Fischerboote, welche um die Abend¬
stunde mit ausgespannten Segeln dem Meere wieder zueilten, dort während der
Nacht den Fang zu treiben. Oft fielen die Sonnenstrahlen gerade auf ein solches
Schifflein und färbten dann das weiße Leinen der Segel mit ihrer feurigen Gluth,
daß es aussah, als wäre es aus lauter goldenen Fäden zusammengewebt. Auf
den meisten Schiffen herrschte um diese Zeit das frohe Leben der Lust und Rast
nach der vollbrachten Arbeit des Tages. Vom Bord der Meisten ertönte Gesang,
oft mit den Klängen der Mandoline oder Flöte vermischt. Besonders' auf denen
der Völker des Mittelmeers konnte man fast stets Musik und Gesang hören, die
zuweilen dazu dienten, die nationalen Töne der Matrosen zu begleiten. Ruhiger
und stiller ging es auf den nordischen Fahrzeugen zu. In kleinen oder größeren
Gruppen vereint lehnten sich die Matrosen müsstg über die Wand des Verdecks,
rauchten behaglich ihre Pfeifen, plauderten in leisen Gesprächen, oder schauten
träumerisch in die blauen Gewässer, die rauschend am Kiel des Schiffes vorbei-
flutheten. Zahlreiche Gesellschaften fahren im Hafen spazieren und in den kräf¬
tigen Chor der Männerstimmen mischen sich die weicheren Töne zarter Frauen.
Die Genueserinnen der höheren Stände sind oft von großer Schönheit, und manch
edle hohe Gestalt, manch reizendes Gesicht habe ich bei diesen abendlichen Spazier¬
fahrten bewundert. Da tönt plötzlich das "^ve Uarls" Glöcklein von der Ka¬
thedrale, und ihm nach von den vielen großen und kleinen Thürmen, die aus
dem stolzen Genua sich in die Luft erheben. Eine plötzliche Stille tritt ein, ver¬
stummt für den Augenblick ist Lachen und Scherzen, Musik und Gesang, die man
noch so eben ringsum hörte. Ueberall lassen die Bootsleute in den Barken die
Ruder sinken. Frauen und Männer erheben sich, letztere entblößen die Häupter,
und mit gekreuzten Händen verharren Alle im stillen Gebet, so lange das Lauten
anhält. Nach ungefähr 5 Minuten sind die letzten Töne desselben verklungen,
und sogleich tritt das frohe Leben mit seinem mannichfachen Geräusch wieder an


Grenzboten. IV. 1832. 2

Molo nuovo als Leitpunkt dienen mußten, oft blieben wir anch im Hafen selbst
zwischen den Schiffen, die mannichfachen Bilder, die sich jetzt auf ihnen uns
zeigten, zu beschauen, oder hielten uns in mäßiger Entfernung von der Küste,
um so die vielen landschaftlichen Reize, die sie in immer neuer Abwechselung
uns bot, desto besser bewundern zu können.

Besonders herrlich war es ans dem Meere, wenn die Sonne im Scheiden
begriffen, und ihre letzten Strahlen den breiten Spiegel desselben mit purpurnem
Schein färbten. In der klaren Beleuchtung sah man doppelt deutlich die schönen
Linien der Paläste und Kirchen Genua's, und gleich goldenen Scheiben blitzten
und funkelten die Fenster in dem silberweißen Gemäuer. Im duftigen Blau ver¬
hüllt, lagen die ferneren Kuppen der Seealpen, während ihre näheren Höhen
in scharfen Contouren am rosigen Himmel sich abzeichneten. Gleich riesigen Schwä¬
nen erschienen die vielen großen und kleinen Fischerboote, welche um die Abend¬
stunde mit ausgespannten Segeln dem Meere wieder zueilten, dort während der
Nacht den Fang zu treiben. Oft fielen die Sonnenstrahlen gerade auf ein solches
Schifflein und färbten dann das weiße Leinen der Segel mit ihrer feurigen Gluth,
daß es aussah, als wäre es aus lauter goldenen Fäden zusammengewebt. Auf
den meisten Schiffen herrschte um diese Zeit das frohe Leben der Lust und Rast
nach der vollbrachten Arbeit des Tages. Vom Bord der Meisten ertönte Gesang,
oft mit den Klängen der Mandoline oder Flöte vermischt. Besonders' auf denen
der Völker des Mittelmeers konnte man fast stets Musik und Gesang hören, die
zuweilen dazu dienten, die nationalen Töne der Matrosen zu begleiten. Ruhiger
und stiller ging es auf den nordischen Fahrzeugen zu. In kleinen oder größeren
Gruppen vereint lehnten sich die Matrosen müsstg über die Wand des Verdecks,
rauchten behaglich ihre Pfeifen, plauderten in leisen Gesprächen, oder schauten
träumerisch in die blauen Gewässer, die rauschend am Kiel des Schiffes vorbei-
flutheten. Zahlreiche Gesellschaften fahren im Hafen spazieren und in den kräf¬
tigen Chor der Männerstimmen mischen sich die weicheren Töne zarter Frauen.
Die Genueserinnen der höheren Stände sind oft von großer Schönheit, und manch
edle hohe Gestalt, manch reizendes Gesicht habe ich bei diesen abendlichen Spazier¬
fahrten bewundert. Da tönt plötzlich das „^ve Uarls" Glöcklein von der Ka¬
thedrale, und ihm nach von den vielen großen und kleinen Thürmen, die aus
dem stolzen Genua sich in die Luft erheben. Eine plötzliche Stille tritt ein, ver¬
stummt für den Augenblick ist Lachen und Scherzen, Musik und Gesang, die man
noch so eben ringsum hörte. Ueberall lassen die Bootsleute in den Barken die
Ruder sinken. Frauen und Männer erheben sich, letztere entblößen die Häupter,
und mit gekreuzten Händen verharren Alle im stillen Gebet, so lange das Lauten
anhält. Nach ungefähr 5 Minuten sind die letzten Töne desselben verklungen,
und sogleich tritt das frohe Leben mit seinem mannichfachen Geräusch wieder an


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[0019] Molo nuovo als Leitpunkt dienen mußten, oft blieben wir anch im Hafen selbst zwischen den Schiffen, die mannichfachen Bilder, die sich jetzt auf ihnen uns zeigten, zu beschauen, oder hielten uns in mäßiger Entfernung von der Küste, um so die vielen landschaftlichen Reize, die sie in immer neuer Abwechselung uns bot, desto besser bewundern zu können. Besonders herrlich war es ans dem Meere, wenn die Sonne im Scheiden begriffen, und ihre letzten Strahlen den breiten Spiegel desselben mit purpurnem Schein färbten. In der klaren Beleuchtung sah man doppelt deutlich die schönen Linien der Paläste und Kirchen Genua's, und gleich goldenen Scheiben blitzten und funkelten die Fenster in dem silberweißen Gemäuer. Im duftigen Blau ver¬ hüllt, lagen die ferneren Kuppen der Seealpen, während ihre näheren Höhen in scharfen Contouren am rosigen Himmel sich abzeichneten. Gleich riesigen Schwä¬ nen erschienen die vielen großen und kleinen Fischerboote, welche um die Abend¬ stunde mit ausgespannten Segeln dem Meere wieder zueilten, dort während der Nacht den Fang zu treiben. Oft fielen die Sonnenstrahlen gerade auf ein solches Schifflein und färbten dann das weiße Leinen der Segel mit ihrer feurigen Gluth, daß es aussah, als wäre es aus lauter goldenen Fäden zusammengewebt. Auf den meisten Schiffen herrschte um diese Zeit das frohe Leben der Lust und Rast nach der vollbrachten Arbeit des Tages. Vom Bord der Meisten ertönte Gesang, oft mit den Klängen der Mandoline oder Flöte vermischt. Besonders' auf denen der Völker des Mittelmeers konnte man fast stets Musik und Gesang hören, die zuweilen dazu dienten, die nationalen Töne der Matrosen zu begleiten. Ruhiger und stiller ging es auf den nordischen Fahrzeugen zu. In kleinen oder größeren Gruppen vereint lehnten sich die Matrosen müsstg über die Wand des Verdecks, rauchten behaglich ihre Pfeifen, plauderten in leisen Gesprächen, oder schauten träumerisch in die blauen Gewässer, die rauschend am Kiel des Schiffes vorbei- flutheten. Zahlreiche Gesellschaften fahren im Hafen spazieren und in den kräf¬ tigen Chor der Männerstimmen mischen sich die weicheren Töne zarter Frauen. Die Genueserinnen der höheren Stände sind oft von großer Schönheit, und manch edle hohe Gestalt, manch reizendes Gesicht habe ich bei diesen abendlichen Spazier¬ fahrten bewundert. Da tönt plötzlich das „^ve Uarls" Glöcklein von der Ka¬ thedrale, und ihm nach von den vielen großen und kleinen Thürmen, die aus dem stolzen Genua sich in die Luft erheben. Eine plötzliche Stille tritt ein, ver¬ stummt für den Augenblick ist Lachen und Scherzen, Musik und Gesang, die man noch so eben ringsum hörte. Ueberall lassen die Bootsleute in den Barken die Ruder sinken. Frauen und Männer erheben sich, letztere entblößen die Häupter, und mit gekreuzten Händen verharren Alle im stillen Gebet, so lange das Lauten anhält. Nach ungefähr 5 Minuten sind die letzten Töne desselben verklungen, und sogleich tritt das frohe Leben mit seinem mannichfachen Geräusch wieder an Grenzboten. IV. 1832. 2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/19>, abgerufen am 15.05.2024.