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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Und wer noch fühlt nach jenem heißen Rausche,
Der fühlt sein Herz so trosteSbaar und nüchtern;
Kein Hoffnungsschimmer, wo man immer lausche,
Nur Ueberdruß auf allen Angesichtern!
Gleichwohl sind Alle zu dem kühnen Tausche
Zu matt und nervenstumps und geistesschüchtern,
Durch den man sür des Friedens schlaff Behagen
Den Reiz gewinnt, zu wollen und zu wagen.
Das hab' ich mitgefühlt und mitgetragen
Und manche Stunde hat es mir vergällt.
Doch unerschüttert fuhr ich fort zu sagen:
Auch das war gut!

Das ist ein sehr verständiger Optimismus, wenn er auch noch etwas weiter
geht, als der bekannte Optimismus der Grenzboten. Wir haben einmal von
dem grinsenden Pessimismus der Demokratie gesprochen, und das ist uns von
mancher Seite übel genommen worden, allein wir stellen uns die Sache so vor.
Wir machen beide einen Weg nach einem bestimmten Ziele. Daß der Weg
schauderhaft schlecht ist, und daß bei der allgemeinen Finsterniß und dem entsetz¬
lichen Unwetter wir im Einzelnen anch wol in der Irre gehen können, wenn
uns auch im Allgemeinen für unsre Richtung der Compaß nicht fehlt, darüber
sind wir vollkommen einig; aber wir suchen wenigstens in unsrer Richtung weiter
zu kommen und lassen uns nicht irren, wenn wir zuweilen seitab ans eine
Pfütze gerathen und wieder umkehren müssen. Der Pessimismus dagegen spricht
entweder wie Kotzebue's Johanna von Montfaucon: Es muß blitzen! das heißt,
es muß ein Wunder geschehen, und so lange bleiben wir ruhig, wo wir sind,
oder wenn er Pessimismus genug ist, um auch ein ein solches Wunder nicht mehr
zu glauben, so lacht er höhnisch gegen den Himmel, wie jener Knabe, dem die
Finger erfroren, und der schadenfroh ausrief: , Das ist meinem Vater schon ganz
recht, warum hat er mir keine Handschuhe gekauft! Dieses Letztere nennen wir
den grinsenden Pessimismus, und wünschten, daß er durch recht viele gläubige
Dichter, wie der Verfasser des Demiurgos einer ist, bekämpft werden möchte.




Pariser Briefschaften.
3. "

Wir konnten heute mit eigenen Augen sehen, was von den Ovationen, welche
Sr. Majestät der Kaiser -- pulste empersur ^ ^ -- nach dem telegraphischen
Zeugnisse der Moniteur in den Provinzen erhalten. Was Jedermann, der dies


Und wer noch fühlt nach jenem heißen Rausche,
Der fühlt sein Herz so trosteSbaar und nüchtern;
Kein Hoffnungsschimmer, wo man immer lausche,
Nur Ueberdruß auf allen Angesichtern!
Gleichwohl sind Alle zu dem kühnen Tausche
Zu matt und nervenstumps und geistesschüchtern,
Durch den man sür des Friedens schlaff Behagen
Den Reiz gewinnt, zu wollen und zu wagen.
Das hab' ich mitgefühlt und mitgetragen
Und manche Stunde hat es mir vergällt.
Doch unerschüttert fuhr ich fort zu sagen:
Auch das war gut!

Das ist ein sehr verständiger Optimismus, wenn er auch noch etwas weiter
geht, als der bekannte Optimismus der Grenzboten. Wir haben einmal von
dem grinsenden Pessimismus der Demokratie gesprochen, und das ist uns von
mancher Seite übel genommen worden, allein wir stellen uns die Sache so vor.
Wir machen beide einen Weg nach einem bestimmten Ziele. Daß der Weg
schauderhaft schlecht ist, und daß bei der allgemeinen Finsterniß und dem entsetz¬
lichen Unwetter wir im Einzelnen anch wol in der Irre gehen können, wenn
uns auch im Allgemeinen für unsre Richtung der Compaß nicht fehlt, darüber
sind wir vollkommen einig; aber wir suchen wenigstens in unsrer Richtung weiter
zu kommen und lassen uns nicht irren, wenn wir zuweilen seitab ans eine
Pfütze gerathen und wieder umkehren müssen. Der Pessimismus dagegen spricht
entweder wie Kotzebue's Johanna von Montfaucon: Es muß blitzen! das heißt,
es muß ein Wunder geschehen, und so lange bleiben wir ruhig, wo wir sind,
oder wenn er Pessimismus genug ist, um auch ein ein solches Wunder nicht mehr
zu glauben, so lacht er höhnisch gegen den Himmel, wie jener Knabe, dem die
Finger erfroren, und der schadenfroh ausrief: , Das ist meinem Vater schon ganz
recht, warum hat er mir keine Handschuhe gekauft! Dieses Letztere nennen wir
den grinsenden Pessimismus, und wünschten, daß er durch recht viele gläubige
Dichter, wie der Verfasser des Demiurgos einer ist, bekämpft werden möchte.




Pariser Briefschaften.
3. „

Wir konnten heute mit eigenen Augen sehen, was von den Ovationen, welche
Sr. Majestät der Kaiser -- pulste empersur ^ ^ — nach dem telegraphischen
Zeugnisse der Moniteur in den Provinzen erhalten. Was Jedermann, der dies


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/191>, abgerufen am 15.06.2024.