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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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während Cabriolen machen, was Reitliebhaber und manches Damenherz sehr für
ihn eingenommen haben mochte. Den jungen Mädchen lächelte er huldreichst zu
und nahm später in den Tuillerien die dargebrachten Geschenke, wie uns die
Stadtchronik berichtet, mit Anmuth und Güte entgegen. Sie sehen, ich bilde
mich schon im Hofstyle aus und schmeichle mir, mit der Zeit ein vollendeter Mei¬
ster in der officiellen Unterthänigkeit zu werden. Wenn das Herz von aufrichtiger
Unterthanentreue -- les I'rcmeais 8ont <Ze8 suMs, erkent -- erfüllt ist, wird es
dem Munde nicht schwer, den richtigen anständigen, hofgerechten Ausdruck zu
finden. Die gesammte Cavalerie ritt vor und- hinter dem Kaiser, und wir konn¬
ten nicht ohne -- glauben Sie ja nicht unloyales oder rebellisches -- Lächeln
an die Phrase der Rede von Bordeaux denken: "I'empu-e e'est la paix."
Mit diesen Truppen ließe sich schon ein anständiges Kriegcheu machen, und
vielleicht wird er sich trotz aller Reden und trotz aller Börseuillnsionen auch machen
müssen. Mein Diener ließ sich durch den: "maKmtiyüe coup ä'oeil" nicht ver¬
hindern, folgende national-ökonomische Betrachtungen anzustellen: "Man glaubte
nicht, daß man alle diese Mäuler und Mägen ernähren könne." Mr. Jean ist
ein Bauernsohn und betrachtet die Dinge zuweilen von der praktisch-finanziellen
Seite. Als gut kaiserlich Gesinnter beruhigte ich ihn mit dem Versprechen einer
baldigen Entlassung eines Theils der Armee, allein ich hatte nicht viel Erfolg bei
meinem ungläubigen Thomas. Also in den Tuillerien wären wir schon, obgleich
ich nicht zu sagen weiß, ob wir auch unser kaiserliches Nachtquartier daselbst auf¬
geschlagen. Doch der Umstand, daß die Mitglieder der Familie Louis Napo¬
leon's ihn dort erwarteten, deutet darauf an, daß man im Interesse der Bour-
bonen sein ode? soi, zu sehen gesonnen sei. Wo sollte auch der Kaiser wohnen,
wo geht's sich leichter hinein und von wo leichter -- -- doch halt, wir wollen
den heitern Tag nicht trüben durch cassandrische Sprüche und Reflexionen.
Bleiben wir beim Gegenstande des Tages und Vive Napoleon III., empereur
usf kraneais et roi ä'^Ixerie, oder Allgieriger König, wie ein Franzose schlecht
in's Deutsche übersetzte. Während wir hier schreiben am bescheiden flackernden
Feuer unsers Kamins, geht's draußen toll einher. Paris ist illuminirt! Wenn
ich sage Paris, so verstehe ^ich wieder die Theater und einige Restaurants, denn
die Bevölkerung wartet erst die feierliche Krönung ab, ehe ihr ein Lampion auf¬
geht über das endliche Ende der Republik. Bisher ist der Kaiser uoch immer
xrinee presiäsnt mit Ausnahme der Stadt score, wo das Kaiserreich von Mair's
Gnaden schon proclamirt worden. Die neugierige Menge wogt längs den Boule¬
vards hin und steht bewundernd vor den Aeußerungen ihrer patriotischen Mit¬
bürger, und der Schneider des Prinzen erhielt einstimmig die Palme des Bei¬
falls für seine geschmackvolle Beleuchtung. Der Mann muß gute Geschäfte
machen, denn was er mir an Beleuchtungen und Inschriften ausgiebt, ist schon
der Mühe werth. Als treuer (Kleider-) Anhänger seines Herrn macht er alle


während Cabriolen machen, was Reitliebhaber und manches Damenherz sehr für
ihn eingenommen haben mochte. Den jungen Mädchen lächelte er huldreichst zu
und nahm später in den Tuillerien die dargebrachten Geschenke, wie uns die
Stadtchronik berichtet, mit Anmuth und Güte entgegen. Sie sehen, ich bilde
mich schon im Hofstyle aus und schmeichle mir, mit der Zeit ein vollendeter Mei¬
ster in der officiellen Unterthänigkeit zu werden. Wenn das Herz von aufrichtiger
Unterthanentreue — les I'rcmeais 8ont <Ze8 suMs, erkent — erfüllt ist, wird es
dem Munde nicht schwer, den richtigen anständigen, hofgerechten Ausdruck zu
finden. Die gesammte Cavalerie ritt vor und- hinter dem Kaiser, und wir konn¬
ten nicht ohne — glauben Sie ja nicht unloyales oder rebellisches — Lächeln
an die Phrase der Rede von Bordeaux denken: „I'empu-e e'est la paix."
Mit diesen Truppen ließe sich schon ein anständiges Kriegcheu machen, und
vielleicht wird er sich trotz aller Reden und trotz aller Börseuillnsionen auch machen
müssen. Mein Diener ließ sich durch den: „maKmtiyüe coup ä'oeil" nicht ver¬
hindern, folgende national-ökonomische Betrachtungen anzustellen: „Man glaubte
nicht, daß man alle diese Mäuler und Mägen ernähren könne." Mr. Jean ist
ein Bauernsohn und betrachtet die Dinge zuweilen von der praktisch-finanziellen
Seite. Als gut kaiserlich Gesinnter beruhigte ich ihn mit dem Versprechen einer
baldigen Entlassung eines Theils der Armee, allein ich hatte nicht viel Erfolg bei
meinem ungläubigen Thomas. Also in den Tuillerien wären wir schon, obgleich
ich nicht zu sagen weiß, ob wir auch unser kaiserliches Nachtquartier daselbst auf¬
geschlagen. Doch der Umstand, daß die Mitglieder der Familie Louis Napo¬
leon's ihn dort erwarteten, deutet darauf an, daß man im Interesse der Bour-
bonen sein ode? soi, zu sehen gesonnen sei. Wo sollte auch der Kaiser wohnen,
wo geht's sich leichter hinein und von wo leichter — — doch halt, wir wollen
den heitern Tag nicht trüben durch cassandrische Sprüche und Reflexionen.
Bleiben wir beim Gegenstande des Tages und Vive Napoleon III., empereur
usf kraneais et roi ä'^Ixerie, oder Allgieriger König, wie ein Franzose schlecht
in's Deutsche übersetzte. Während wir hier schreiben am bescheiden flackernden
Feuer unsers Kamins, geht's draußen toll einher. Paris ist illuminirt! Wenn
ich sage Paris, so verstehe ^ich wieder die Theater und einige Restaurants, denn
die Bevölkerung wartet erst die feierliche Krönung ab, ehe ihr ein Lampion auf¬
geht über das endliche Ende der Republik. Bisher ist der Kaiser uoch immer
xrinee presiäsnt mit Ausnahme der Stadt score, wo das Kaiserreich von Mair's
Gnaden schon proclamirt worden. Die neugierige Menge wogt längs den Boule¬
vards hin und steht bewundernd vor den Aeußerungen ihrer patriotischen Mit¬
bürger, und der Schneider des Prinzen erhielt einstimmig die Palme des Bei¬
falls für seine geschmackvolle Beleuchtung. Der Mann muß gute Geschäfte
machen, denn was er mir an Beleuchtungen und Inschriften ausgiebt, ist schon
der Mühe werth. Als treuer (Kleider-) Anhänger seines Herrn macht er alle


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/194>, abgerufen am 16.06.2024.