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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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riefen. Die Großthaten des Retters der Civilisation waren auf den hölzernen
und papiernen Annalen der Boulevards gewissenhaft verzeichnet, und das
IdL-Arc. as I'amdissa comiyuö glaubte seiner Aufgabe nicht untreu zu werden,
indem es Virgil folgende Verse entlehnte:


ol pstrii, inäizetk8 et Komuls Vest-zcjUö mswr,
(Zugs l'useum libsrim et Komana pslstia serves,
Kuno ssltvm, overso ^nomen s'uourrere sseolo
o pi'oliiblte!

Was der römische Dichter vom -Neffen Cäsars sagte,, dies wandte der fran¬
zösische Schauspieldirector auf den Neffen des französischen Kaisers an. Die
Zeit der Citationen hat glorreich begonnen, und wir werden bald Gelegenheit
bekommen, unser classisches Latein zu wiederholen zum großen Aerger des
heiligen Univers, der seine Kirchenväter auf so heidnische Weise in den Hinter¬
grund gedrängt sieht. Ein anderer Boulevard-Lateiner hatte sich ein Wenig
blamirt, indem er schrieb: s"rvial. eoneiliat, statt servat et LonelliÄt, --
glücklicher Weise kam ihm ein Grammatiker zu Hilfe und das zudringliche i
wurde sorgsam verklebt, ^ve Laesar, Imperator, vox poMi vox vel, und andere
lateinische Sprüche wetteiferten an goldschriftlichc.r Beredsamkeit mit Aushebungen
aus Louis Napoleon's Rede von Bordeaux, welche der hiesigen Börse in süßer
Erinnerung bleiben wird. In der Kuh livoli erklärte ein kolossaler Adler aus
vergoldetem Gyps, durchaus- in die Tuillerien zu wollen, und weiter las man
unter diesem evangelischen Vogel die polizeiliche, dem heiligen Lucas entlehnte
Weisung: "81 on criait, pas, 1ö8 xierres crieraiknU" Allein die Armee, die
Nationalgarde und selbst die begeisterten Deputationen der hiesigen und der be¬
nachbarten Gemeinden nahmen sich diesen weisen Spruch eben nicht zu Herzen,
und sie schrieen nicht mehr, als alö'ilisirten nervösen Ohren zuträglich war. Wir
waren erstaunt, die leicht entzündbaren Franzosen nicht mehr hingerissen zu sehen
von diesem Pompe und von diesem prachtvollen Schaustücke. Wir erwarteten
Trunkenheit, wir glaubten, die zweihundert und etliche Kanonenschüsse, das maje¬
stätische Glockengeläute und der wirklich kaiserliche Aufzug werde es zu einer Kund¬
gebung bringen, die weiter geht, als das Gefühl, doch Alles blieb nüchtern. Wol
schrie man dem vorbereitenden Cäsar vom zweiten December Vive 1'ömpereur zu,
aber kaum war er vorüber, als tiefe Stille eintrat, als hätte man blos einem
Kommando gehorcht. Die eben nicht massenweise herbeigeströmten Zuschauer aber
verhielten sich mit wenigen Ausnahmen kühl und auffallend neutral. Der Kaiser
ritt ein herrliches Roß, ungefähr zehn Schritte seinem zahlreichen Generalstabe
und Gefolge vorauseilend, und er nahm sich gar nicht uustattüch aus. Heute
zum ersten Male hatte sein Gesicht eiuen heitern Ausdruck, und er schien sich wol
zu fühlen, wie ein Mensch, der nach langen Umwegen endlich an sein Ziel gelangt
ist. Er grüßte freundlich nach allen Seiten hin, und ließ seinen Araber fort-


riefen. Die Großthaten des Retters der Civilisation waren auf den hölzernen
und papiernen Annalen der Boulevards gewissenhaft verzeichnet, und das
IdL-Arc. as I'amdissa comiyuö glaubte seiner Aufgabe nicht untreu zu werden,
indem es Virgil folgende Verse entlehnte:


ol pstrii, inäizetk8 et Komuls Vest-zcjUö mswr,
(Zugs l'useum libsrim et Komana pslstia serves,
Kuno ssltvm, overso ^nomen s'uourrere sseolo
o pi'oliiblte!

Was der römische Dichter vom -Neffen Cäsars sagte,, dies wandte der fran¬
zösische Schauspieldirector auf den Neffen des französischen Kaisers an. Die
Zeit der Citationen hat glorreich begonnen, und wir werden bald Gelegenheit
bekommen, unser classisches Latein zu wiederholen zum großen Aerger des
heiligen Univers, der seine Kirchenväter auf so heidnische Weise in den Hinter¬
grund gedrängt sieht. Ein anderer Boulevard-Lateiner hatte sich ein Wenig
blamirt, indem er schrieb: s»rvial. eoneiliat, statt servat et LonelliÄt, —
glücklicher Weise kam ihm ein Grammatiker zu Hilfe und das zudringliche i
wurde sorgsam verklebt, ^ve Laesar, Imperator, vox poMi vox vel, und andere
lateinische Sprüche wetteiferten an goldschriftlichc.r Beredsamkeit mit Aushebungen
aus Louis Napoleon's Rede von Bordeaux, welche der hiesigen Börse in süßer
Erinnerung bleiben wird. In der Kuh livoli erklärte ein kolossaler Adler aus
vergoldetem Gyps, durchaus- in die Tuillerien zu wollen, und weiter las man
unter diesem evangelischen Vogel die polizeiliche, dem heiligen Lucas entlehnte
Weisung: „81 on criait, pas, 1ö8 xierres crieraiknU" Allein die Armee, die
Nationalgarde und selbst die begeisterten Deputationen der hiesigen und der be¬
nachbarten Gemeinden nahmen sich diesen weisen Spruch eben nicht zu Herzen,
und sie schrieen nicht mehr, als alö'ilisirten nervösen Ohren zuträglich war. Wir
waren erstaunt, die leicht entzündbaren Franzosen nicht mehr hingerissen zu sehen
von diesem Pompe und von diesem prachtvollen Schaustücke. Wir erwarteten
Trunkenheit, wir glaubten, die zweihundert und etliche Kanonenschüsse, das maje¬
stätische Glockengeläute und der wirklich kaiserliche Aufzug werde es zu einer Kund¬
gebung bringen, die weiter geht, als das Gefühl, doch Alles blieb nüchtern. Wol
schrie man dem vorbereitenden Cäsar vom zweiten December Vive 1'ömpereur zu,
aber kaum war er vorüber, als tiefe Stille eintrat, als hätte man blos einem
Kommando gehorcht. Die eben nicht massenweise herbeigeströmten Zuschauer aber
verhielten sich mit wenigen Ausnahmen kühl und auffallend neutral. Der Kaiser
ritt ein herrliches Roß, ungefähr zehn Schritte seinem zahlreichen Generalstabe
und Gefolge vorauseilend, und er nahm sich gar nicht uustattüch aus. Heute
zum ersten Male hatte sein Gesicht eiuen heitern Ausdruck, und er schien sich wol
zu fühlen, wie ein Mensch, der nach langen Umwegen endlich an sein Ziel gelangt
ist. Er grüßte freundlich nach allen Seiten hin, und ließ seinen Araber fort-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/193>, abgerufen am 16.06.2024.