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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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inneren Angelegenheiten wollen wir Nichts gemeinsam haben, denn jede Gemein¬
samkeit wäre Abhängigkeit von einem Staate, der wenigstens vorläufig des Bun¬
des mit der Kirche und der, polizeilichen Bevormundung bedarf, um existiren zu
können.




Wochenb erlebt.
Preußisches.

^ Das Interesse an den Zollvereinsangelegenheiten, das ohne¬
hin so lange suspendirt bleiben muß, bis man über die Vorschlage der östreichischen
Negierung an die Coalitiousstaatcu etwas Näheres vernimmt, wird gegenwärtig abgelöst
durch die Theilnahme an den nahe bevorstehenden Kammerwahlen. Man hat hin und
her darüber debattirt, ob die Constitutionellen sich mit den Bethmann-Hollwegianern
oder mit den Demokraten verbinden, oder ob sie sich isoliren sollen. Ihre Theilnahme
an der Wahl überhaupt ist wol nur von einigen müßigen Köpfen in Frage gestellt
worden. -- Wir find der Ansicht, daß von Personen und FractionSbezcichnungeu hier
überall nicht die Rede sein darf. Die Aufgabe der nächsten Kammer ist eine genau
vorgezeichnete. Sie muß entschieden konservativ sein, conservativ gegen die überstürzen¬
den Experimente der Rcactiouspartei, die alle Tage auf einen neuen Einfall geräth,
und durch ein Paar eingefleischte Doctriuairs nach Belieben geleitet wird; conservativ
gegen den Bundestag und dessen Trabanten, die Preußen gern durch eine organische
Bundcsgcsetzgebuug in inneren Angelegenheiten (Presse, Ständewesen, Zölle u. s. w.)
mediatisiren möchten. -- Wer anso durch seinen Charakter und durch seine Stellung
Bürgschaft giebt, daß er unabhängig ist und gewappnet gegen alle äußerlichen Einflüsse,
und daß er eine gut preußische Gesinnung hat, dem müssen die Liberalen ihre Stimme
geben, einerlei, ob er sich als eim Vetter des Herrn v. Bethmann, oder als ein Vetter
des Herrn v. Auerswald legitimirt. Denn es handelt sich diesmal nicht um Aufrichtung
eines neuen politischen Systems, wo es auf die Nuancen ankäme, sondern darum, zu
verhüten, daß uuter gesetzlichem Anschein die ganze Verfassung über den Hause" geworfen
wird. Eine in ihrer Majorität äußerlichen Einflüssen zugängliche zweite Kammer wäre
für Preußen das größte Unglück.


Neue Romane.

-- Die Auswanderer/ Eine Erzählung von Talvj.
2 Bde. Leipzig, Brockhaus. -- Die Verfasserin ist die bekannte Dame, die als Fräu-
lein v. Jacob uns so manche werthvolle Beiträge sür die Literaturgeschichte gegeben
hat, und die jetzt, wenn wir nicht irren, als Mrö. Robinson mit einem Amerikaner
verheirathet ist. Der gegenwärtige Roman ist in Beziehung auf die Sittenschilderung
aus Amerika vortrefflich, um so vortrefflicher, da er nicht in falsche Verallgemeinerungen
verfällt. Sie erklärt sehr richtig in der Vorrede, sie stehe zwar dafür, daß sich allge¬
meine Charaktcrtupeu, wie die von ihr geschilderten, in den Vereinigten Staaten häusig
vorfinden, aber sie wolle damit nicht die Totalität der amerikanischen Sitten erschöpft
haben. Sie hat außerdem das für eine Frau seltene Verdienst, so wenig als irgend
' möglich zu politisiren, und wo sie ein Urtheil abgiebt, ist es immer sehr besonnen und
sachgemäß. Bon dem eigentlich novellistischen Theil können wir nicht mit gleicher Be-


inneren Angelegenheiten wollen wir Nichts gemeinsam haben, denn jede Gemein¬
samkeit wäre Abhängigkeit von einem Staate, der wenigstens vorläufig des Bun¬
des mit der Kirche und der, polizeilichen Bevormundung bedarf, um existiren zu
können.




Wochenb erlebt.
Preußisches.

^ Das Interesse an den Zollvereinsangelegenheiten, das ohne¬
hin so lange suspendirt bleiben muß, bis man über die Vorschlage der östreichischen
Negierung an die Coalitiousstaatcu etwas Näheres vernimmt, wird gegenwärtig abgelöst
durch die Theilnahme an den nahe bevorstehenden Kammerwahlen. Man hat hin und
her darüber debattirt, ob die Constitutionellen sich mit den Bethmann-Hollwegianern
oder mit den Demokraten verbinden, oder ob sie sich isoliren sollen. Ihre Theilnahme
an der Wahl überhaupt ist wol nur von einigen müßigen Köpfen in Frage gestellt
worden. — Wir find der Ansicht, daß von Personen und FractionSbezcichnungeu hier
überall nicht die Rede sein darf. Die Aufgabe der nächsten Kammer ist eine genau
vorgezeichnete. Sie muß entschieden konservativ sein, conservativ gegen die überstürzen¬
den Experimente der Rcactiouspartei, die alle Tage auf einen neuen Einfall geräth,
und durch ein Paar eingefleischte Doctriuairs nach Belieben geleitet wird; conservativ
gegen den Bundestag und dessen Trabanten, die Preußen gern durch eine organische
Bundcsgcsetzgebuug in inneren Angelegenheiten (Presse, Ständewesen, Zölle u. s. w.)
mediatisiren möchten. — Wer anso durch seinen Charakter und durch seine Stellung
Bürgschaft giebt, daß er unabhängig ist und gewappnet gegen alle äußerlichen Einflüsse,
und daß er eine gut preußische Gesinnung hat, dem müssen die Liberalen ihre Stimme
geben, einerlei, ob er sich als eim Vetter des Herrn v. Bethmann, oder als ein Vetter
des Herrn v. Auerswald legitimirt. Denn es handelt sich diesmal nicht um Aufrichtung
eines neuen politischen Systems, wo es auf die Nuancen ankäme, sondern darum, zu
verhüten, daß uuter gesetzlichem Anschein die ganze Verfassung über den Hause» geworfen
wird. Eine in ihrer Majorität äußerlichen Einflüssen zugängliche zweite Kammer wäre
für Preußen das größte Unglück.


Neue Romane.

— Die Auswanderer/ Eine Erzählung von Talvj.
2 Bde. Leipzig, Brockhaus. — Die Verfasserin ist die bekannte Dame, die als Fräu-
lein v. Jacob uns so manche werthvolle Beiträge sür die Literaturgeschichte gegeben
hat, und die jetzt, wenn wir nicht irren, als Mrö. Robinson mit einem Amerikaner
verheirathet ist. Der gegenwärtige Roman ist in Beziehung auf die Sittenschilderung
aus Amerika vortrefflich, um so vortrefflicher, da er nicht in falsche Verallgemeinerungen
verfällt. Sie erklärt sehr richtig in der Vorrede, sie stehe zwar dafür, daß sich allge¬
meine Charaktcrtupeu, wie die von ihr geschilderten, in den Vereinigten Staaten häusig
vorfinden, aber sie wolle damit nicht die Totalität der amerikanischen Sitten erschöpft
haben. Sie hat außerdem das für eine Frau seltene Verdienst, so wenig als irgend
' möglich zu politisiren, und wo sie ein Urtheil abgiebt, ist es immer sehr besonnen und
sachgemäß. Bon dem eigentlich novellistischen Theil können wir nicht mit gleicher Be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/198>, abgerufen am 16.06.2024.