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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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gefangen, daß die Fischer in ruhigen Nächten, wo das Meer still ist, mit einer
Kohlenpfanne im Vordertheil des Nachens, auf die sie von Zeit zu Zeit harziges
Holz werfen, umherfahren. Von dem Glänze des Feuers geblendet, bleibt der
Fisch ruhig an einer Stelle stehen, und kann dann leicht mit einer dreizackigen
Harpune, die 'mit langem Stiel versehen ist, erlegt werden. Stundenlang trieben
wir ohne Ziel und Plan an solchen Mondscheinabenden bis gegen Mitternacht
umher, uns des süßen Zaubers, der über ihnen ausgebreitet lag, mit ganzer
Seele hingebend.

Wie ganz anders dann die, Scenen, die sich uus bei dem Heimweg oft
noch in einigen Gassen am Hafen darstellten. Draußen stiller Frieden, hier wüster
Lärm und wilde Rohheit. Im bestialischer Gebrüll erschollen unflätige Lieder in
allen möglichen Sprachen ans den geöffneten Fenstern der niederen Schenken, in
denen die Matrosen ihre Orgien feierten. Halbnackte Mädchen von so schamloser
Frechheit, wie ich sie in der Art in keiner Hafenstadt sah, standen überall umher,
die Vorübergehenden in diese Höhlen des Lasters hineiuzulvckeu. Durch die der
Hitze wegen offen stehenden Fenster der Tauzstuben konnte man nach dem Klänge
mißtönender und entsetzlich gellender Musik berauschte Matrosen mit nicht vielmehr
nüchternen Weibern in den wildesten, zügellosesten Tänzen her"arti.seu sehen.
Flüche, Verwünschungen in allen Sprachen der Welt, dann wieherndes Gelächter,
rohes Gejauchze, oft auch ängstliches Gekreische von einer Frauenstimme, die viel¬
leicht einige Mißhandlungen erhielt, verschmolz sich hier zu dem widerlichsten Chaos.
Uebrigens sollen diese Straßen des Nachts auch für Einzelne, besonders Fremde
ans den höheren Ständen ziemlich unsicher sein, und Ranbanfälle, ja selbst Mord¬
thaten in ihnen nicht zu den Seltenheiten gehören.

Von großem Interesse für mich war auch der Besuch einer sardinischen Fre¬
gatte, die auf der Rhede von Genua lag. Ich hatte in den letzten Jahren die
Kriegsschiffe von fast allei! Nationen Europas gesehen und wollte daher gern die
der Flotte Sardinien, die in dem Kampf mit Oestreich so wacker die Feuertaufe
bestanden hatte, damit vergleichen. Es war eine schöne, in den besten Verhält¬
nissen gebaute Fregatte, die wir besuchten, und sie hatte in ihrer Große und
äußern Erscheinung große Aehnlichkeit mit der Fregatte "Eckernförde". Am Bord
derselben herrschte durchgängig die größte Ordnung und Sauberkeit, und man
sah es dem Ganzen an, daß tüchtige, wohlgeübte Ofstciere hier befehligten. Die
Mannschaft bestand ans hübschen, kräftigen, gewandten Burschen, vielfach aus
Genua selbst, dann auch von der Insel Sardinien gebürtig. Nemlich in weite
Hosen von Segelleinewand und kurze blaue Jacken gekleidet, und gut genährt,
gewährten dieselben einen sehr befriedigenden Anblick. Da ein englischer Flotten-
Capitain mit uns die Fregatte besah, so ließ der Commandeur derselben die Mann¬
schaft einige Uebungen in den Masten und Tauen machen und dann auch blind
an den Geschützen exerciren. Das Ganze geschah sehr rasch und gewandt und


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gefangen, daß die Fischer in ruhigen Nächten, wo das Meer still ist, mit einer
Kohlenpfanne im Vordertheil des Nachens, auf die sie von Zeit zu Zeit harziges
Holz werfen, umherfahren. Von dem Glänze des Feuers geblendet, bleibt der
Fisch ruhig an einer Stelle stehen, und kann dann leicht mit einer dreizackigen
Harpune, die 'mit langem Stiel versehen ist, erlegt werden. Stundenlang trieben
wir ohne Ziel und Plan an solchen Mondscheinabenden bis gegen Mitternacht
umher, uns des süßen Zaubers, der über ihnen ausgebreitet lag, mit ganzer
Seele hingebend.

Wie ganz anders dann die, Scenen, die sich uus bei dem Heimweg oft
noch in einigen Gassen am Hafen darstellten. Draußen stiller Frieden, hier wüster
Lärm und wilde Rohheit. Im bestialischer Gebrüll erschollen unflätige Lieder in
allen möglichen Sprachen ans den geöffneten Fenstern der niederen Schenken, in
denen die Matrosen ihre Orgien feierten. Halbnackte Mädchen von so schamloser
Frechheit, wie ich sie in der Art in keiner Hafenstadt sah, standen überall umher,
die Vorübergehenden in diese Höhlen des Lasters hineiuzulvckeu. Durch die der
Hitze wegen offen stehenden Fenster der Tauzstuben konnte man nach dem Klänge
mißtönender und entsetzlich gellender Musik berauschte Matrosen mit nicht vielmehr
nüchternen Weibern in den wildesten, zügellosesten Tänzen her»arti.seu sehen.
Flüche, Verwünschungen in allen Sprachen der Welt, dann wieherndes Gelächter,
rohes Gejauchze, oft auch ängstliches Gekreische von einer Frauenstimme, die viel¬
leicht einige Mißhandlungen erhielt, verschmolz sich hier zu dem widerlichsten Chaos.
Uebrigens sollen diese Straßen des Nachts auch für Einzelne, besonders Fremde
ans den höheren Ständen ziemlich unsicher sein, und Ranbanfälle, ja selbst Mord¬
thaten in ihnen nicht zu den Seltenheiten gehören.

Von großem Interesse für mich war auch der Besuch einer sardinischen Fre¬
gatte, die auf der Rhede von Genua lag. Ich hatte in den letzten Jahren die
Kriegsschiffe von fast allei! Nationen Europas gesehen und wollte daher gern die
der Flotte Sardinien, die in dem Kampf mit Oestreich so wacker die Feuertaufe
bestanden hatte, damit vergleichen. Es war eine schöne, in den besten Verhält¬
nissen gebaute Fregatte, die wir besuchten, und sie hatte in ihrer Große und
äußern Erscheinung große Aehnlichkeit mit der Fregatte „Eckernförde". Am Bord
derselben herrschte durchgängig die größte Ordnung und Sauberkeit, und man
sah es dem Ganzen an, daß tüchtige, wohlgeübte Ofstciere hier befehligten. Die
Mannschaft bestand ans hübschen, kräftigen, gewandten Burschen, vielfach aus
Genua selbst, dann auch von der Insel Sardinien gebürtig. Nemlich in weite
Hosen von Segelleinewand und kurze blaue Jacken gekleidet, und gut genährt,
gewährten dieselben einen sehr befriedigenden Anblick. Da ein englischer Flotten-
Capitain mit uns die Fregatte besah, so ließ der Commandeur derselben die Mann¬
schaft einige Uebungen in den Masten und Tauen machen und dann auch blind
an den Geschützen exerciren. Das Ganze geschah sehr rasch und gewandt und


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[0021] gefangen, daß die Fischer in ruhigen Nächten, wo das Meer still ist, mit einer Kohlenpfanne im Vordertheil des Nachens, auf die sie von Zeit zu Zeit harziges Holz werfen, umherfahren. Von dem Glänze des Feuers geblendet, bleibt der Fisch ruhig an einer Stelle stehen, und kann dann leicht mit einer dreizackigen Harpune, die 'mit langem Stiel versehen ist, erlegt werden. Stundenlang trieben wir ohne Ziel und Plan an solchen Mondscheinabenden bis gegen Mitternacht umher, uns des süßen Zaubers, der über ihnen ausgebreitet lag, mit ganzer Seele hingebend. Wie ganz anders dann die, Scenen, die sich uus bei dem Heimweg oft noch in einigen Gassen am Hafen darstellten. Draußen stiller Frieden, hier wüster Lärm und wilde Rohheit. Im bestialischer Gebrüll erschollen unflätige Lieder in allen möglichen Sprachen ans den geöffneten Fenstern der niederen Schenken, in denen die Matrosen ihre Orgien feierten. Halbnackte Mädchen von so schamloser Frechheit, wie ich sie in der Art in keiner Hafenstadt sah, standen überall umher, die Vorübergehenden in diese Höhlen des Lasters hineiuzulvckeu. Durch die der Hitze wegen offen stehenden Fenster der Tauzstuben konnte man nach dem Klänge mißtönender und entsetzlich gellender Musik berauschte Matrosen mit nicht vielmehr nüchternen Weibern in den wildesten, zügellosesten Tänzen her»arti.seu sehen. Flüche, Verwünschungen in allen Sprachen der Welt, dann wieherndes Gelächter, rohes Gejauchze, oft auch ängstliches Gekreische von einer Frauenstimme, die viel¬ leicht einige Mißhandlungen erhielt, verschmolz sich hier zu dem widerlichsten Chaos. Uebrigens sollen diese Straßen des Nachts auch für Einzelne, besonders Fremde ans den höheren Ständen ziemlich unsicher sein, und Ranbanfälle, ja selbst Mord¬ thaten in ihnen nicht zu den Seltenheiten gehören. Von großem Interesse für mich war auch der Besuch einer sardinischen Fre¬ gatte, die auf der Rhede von Genua lag. Ich hatte in den letzten Jahren die Kriegsschiffe von fast allei! Nationen Europas gesehen und wollte daher gern die der Flotte Sardinien, die in dem Kampf mit Oestreich so wacker die Feuertaufe bestanden hatte, damit vergleichen. Es war eine schöne, in den besten Verhält¬ nissen gebaute Fregatte, die wir besuchten, und sie hatte in ihrer Große und äußern Erscheinung große Aehnlichkeit mit der Fregatte „Eckernförde". Am Bord derselben herrschte durchgängig die größte Ordnung und Sauberkeit, und man sah es dem Ganzen an, daß tüchtige, wohlgeübte Ofstciere hier befehligten. Die Mannschaft bestand ans hübschen, kräftigen, gewandten Burschen, vielfach aus Genua selbst, dann auch von der Insel Sardinien gebürtig. Nemlich in weite Hosen von Segelleinewand und kurze blaue Jacken gekleidet, und gut genährt, gewährten dieselben einen sehr befriedigenden Anblick. Da ein englischer Flotten- Capitain mit uns die Fregatte besah, so ließ der Commandeur derselben die Mann¬ schaft einige Uebungen in den Masten und Tauen machen und dann auch blind an den Geschützen exerciren. Das Ganze geschah sehr rasch und gewandt und 2*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/21>, abgerufen am 15.05.2024.