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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Der Eindruck beider Bilder wird sehr beeinträchtigt durch den schwarzen, völlig licht-
losen Hintergrund, den sie offenbar später erhalten haben. Von dem berühmten
Hauptwerk Dürer's, den vier Aposteln, ist in Nürnberg nur noch eine sehr schöne
Copie (ich glaube von Martin aus Augsburg). Das Original ist bekanntlich in
München, sür welche Stadt es ein Herzog von Bayern schon im sechzehnten
Jahrhundert erwarb. Wer, wie ich, das letztere nicht gesehen hat, wird die
Copie im Landauer Kloster mit hoher Befriedigung betrachten; ich hörte jedoch
von kompetenter Seite, daß der Unterschied immer noch erheblich ist. Von
Kranach ist außer zwei kleinen Portraits von Luther und Melanchton eine
Venus, zu der eine Markgräfin von Ansbach das Vorbild gegeben haben soll.
Sie theilt mit der ans der Burg befindlichen die ausgezeichnete Frische des
Colorits, und wäre im Uebrigen, scheint es mir, derselben noch vorzuziehen. Bei
'beiden ist mir aber der Mangel der Plastik im Gliederban aufgefallen; die Ge¬
stalten haben etwas Plattes, das dem Auge unangenehm entgegentritt. Ich kann
aus der großen Zahl der Bilder mir noch das Wenige erwähnen, was aus einer,
nothwendiger Weise flüchtigen Beschauung sich mir eingeprägt hat. Von Dietrich
sind zwei kleine Gemälde "die Flucht nach Aegypten" und "die Geburt des
Heilandes", besonders aber das erstere durch den wunderbaren Effect der Be¬
leuchtung bemerkenswerth. Von Kymli, einem Schweizer, sind drei Portraits, eine
ältliche Frau, ein Mann und ein Kind, ausgezeichnet durch eine Feinheit der Malerei,
die auch die kleinsten Züge der Natur mit größter Treue wiedergiebt. Ein Paar
prächtige Thierstücke vou Snyders, mehreres weniger Treffliche, aber immer noch
Verdienstliche von einem seiner Nachahmer, und von Rubens ein Gemälde, einen
christlichen Stoss behandelnd (ich glaube die Vermählung der heiligen Katharina),
aber nur in zu derber, niederländischer Art, sind mir gleichfalls im Gedächtniß
geblieben. Vou mehreren italienischen Meisterwerken -- so von Bildern
Guido Reni's -- sind schöne Kopien vorhanden. Drei Vinceutiuo's, eine weib¬
liche Gestalt in halber Figur und Lebensgroß", in drei verschiedenen Attitüden
darstellend, die jedesmal irgend eine Tugend versinnlichen sollen, sprachen mich
ausnehmend an; doch wage ich nicht zu behaupten, daß mein Geschmack daran
mich dieselben nicht überschätzen ließ. Das eine davon erinnert lebhaft an die
Tochter Tizian's. Eben so wenig will ich das Gefallen, das ich an einer Cleo¬
patra von Gläser und an zwei Bildern (Nymphe mit einem Satyr und Perseus
und Andromeda), deren Maler unbekannt sind, fand, unbedingt vertreten. Von
historischem Interesse ist ein großes Wandgemälde von Sandrart, das Gastmahl
darstellend, das im Jahre 1660 der Pfalzgraf Carl Gustav, später Carl X.
von Schweden, den Mitgliedern des Kongresses gab, der damals in Nürnberg
zur Execution des westphälischen Friedens gehalten wurde. Sämmtliche Figuren
darauf sind Portraits,' worunter viele bekannte und berühmte Persönlichkeiten,
unter anderen der Pfalzgraf selbst und Octavio Piccolomini. Zum letzten Mal


Der Eindruck beider Bilder wird sehr beeinträchtigt durch den schwarzen, völlig licht-
losen Hintergrund, den sie offenbar später erhalten haben. Von dem berühmten
Hauptwerk Dürer's, den vier Aposteln, ist in Nürnberg nur noch eine sehr schöne
Copie (ich glaube von Martin aus Augsburg). Das Original ist bekanntlich in
München, sür welche Stadt es ein Herzog von Bayern schon im sechzehnten
Jahrhundert erwarb. Wer, wie ich, das letztere nicht gesehen hat, wird die
Copie im Landauer Kloster mit hoher Befriedigung betrachten; ich hörte jedoch
von kompetenter Seite, daß der Unterschied immer noch erheblich ist. Von
Kranach ist außer zwei kleinen Portraits von Luther und Melanchton eine
Venus, zu der eine Markgräfin von Ansbach das Vorbild gegeben haben soll.
Sie theilt mit der ans der Burg befindlichen die ausgezeichnete Frische des
Colorits, und wäre im Uebrigen, scheint es mir, derselben noch vorzuziehen. Bei
'beiden ist mir aber der Mangel der Plastik im Gliederban aufgefallen; die Ge¬
stalten haben etwas Plattes, das dem Auge unangenehm entgegentritt. Ich kann
aus der großen Zahl der Bilder mir noch das Wenige erwähnen, was aus einer,
nothwendiger Weise flüchtigen Beschauung sich mir eingeprägt hat. Von Dietrich
sind zwei kleine Gemälde „die Flucht nach Aegypten" und „die Geburt des
Heilandes", besonders aber das erstere durch den wunderbaren Effect der Be¬
leuchtung bemerkenswerth. Von Kymli, einem Schweizer, sind drei Portraits, eine
ältliche Frau, ein Mann und ein Kind, ausgezeichnet durch eine Feinheit der Malerei,
die auch die kleinsten Züge der Natur mit größter Treue wiedergiebt. Ein Paar
prächtige Thierstücke vou Snyders, mehreres weniger Treffliche, aber immer noch
Verdienstliche von einem seiner Nachahmer, und von Rubens ein Gemälde, einen
christlichen Stoss behandelnd (ich glaube die Vermählung der heiligen Katharina),
aber nur in zu derber, niederländischer Art, sind mir gleichfalls im Gedächtniß
geblieben. Vou mehreren italienischen Meisterwerken — so von Bildern
Guido Reni's — sind schöne Kopien vorhanden. Drei Vinceutiuo's, eine weib¬
liche Gestalt in halber Figur und Lebensgroß«, in drei verschiedenen Attitüden
darstellend, die jedesmal irgend eine Tugend versinnlichen sollen, sprachen mich
ausnehmend an; doch wage ich nicht zu behaupten, daß mein Geschmack daran
mich dieselben nicht überschätzen ließ. Das eine davon erinnert lebhaft an die
Tochter Tizian's. Eben so wenig will ich das Gefallen, das ich an einer Cleo¬
patra von Gläser und an zwei Bildern (Nymphe mit einem Satyr und Perseus
und Andromeda), deren Maler unbekannt sind, fand, unbedingt vertreten. Von
historischem Interesse ist ein großes Wandgemälde von Sandrart, das Gastmahl
darstellend, das im Jahre 1660 der Pfalzgraf Carl Gustav, später Carl X.
von Schweden, den Mitgliedern des Kongresses gab, der damals in Nürnberg
zur Execution des westphälischen Friedens gehalten wurde. Sämmtliche Figuren
darauf sind Portraits,' worunter viele bekannte und berühmte Persönlichkeiten,
unter anderen der Pfalzgraf selbst und Octavio Piccolomini. Zum letzten Mal


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[0224] Der Eindruck beider Bilder wird sehr beeinträchtigt durch den schwarzen, völlig licht- losen Hintergrund, den sie offenbar später erhalten haben. Von dem berühmten Hauptwerk Dürer's, den vier Aposteln, ist in Nürnberg nur noch eine sehr schöne Copie (ich glaube von Martin aus Augsburg). Das Original ist bekanntlich in München, sür welche Stadt es ein Herzog von Bayern schon im sechzehnten Jahrhundert erwarb. Wer, wie ich, das letztere nicht gesehen hat, wird die Copie im Landauer Kloster mit hoher Befriedigung betrachten; ich hörte jedoch von kompetenter Seite, daß der Unterschied immer noch erheblich ist. Von Kranach ist außer zwei kleinen Portraits von Luther und Melanchton eine Venus, zu der eine Markgräfin von Ansbach das Vorbild gegeben haben soll. Sie theilt mit der ans der Burg befindlichen die ausgezeichnete Frische des Colorits, und wäre im Uebrigen, scheint es mir, derselben noch vorzuziehen. Bei 'beiden ist mir aber der Mangel der Plastik im Gliederban aufgefallen; die Ge¬ stalten haben etwas Plattes, das dem Auge unangenehm entgegentritt. Ich kann aus der großen Zahl der Bilder mir noch das Wenige erwähnen, was aus einer, nothwendiger Weise flüchtigen Beschauung sich mir eingeprägt hat. Von Dietrich sind zwei kleine Gemälde „die Flucht nach Aegypten" und „die Geburt des Heilandes", besonders aber das erstere durch den wunderbaren Effect der Be¬ leuchtung bemerkenswerth. Von Kymli, einem Schweizer, sind drei Portraits, eine ältliche Frau, ein Mann und ein Kind, ausgezeichnet durch eine Feinheit der Malerei, die auch die kleinsten Züge der Natur mit größter Treue wiedergiebt. Ein Paar prächtige Thierstücke vou Snyders, mehreres weniger Treffliche, aber immer noch Verdienstliche von einem seiner Nachahmer, und von Rubens ein Gemälde, einen christlichen Stoss behandelnd (ich glaube die Vermählung der heiligen Katharina), aber nur in zu derber, niederländischer Art, sind mir gleichfalls im Gedächtniß geblieben. Vou mehreren italienischen Meisterwerken — so von Bildern Guido Reni's — sind schöne Kopien vorhanden. Drei Vinceutiuo's, eine weib¬ liche Gestalt in halber Figur und Lebensgroß«, in drei verschiedenen Attitüden darstellend, die jedesmal irgend eine Tugend versinnlichen sollen, sprachen mich ausnehmend an; doch wage ich nicht zu behaupten, daß mein Geschmack daran mich dieselben nicht überschätzen ließ. Das eine davon erinnert lebhaft an die Tochter Tizian's. Eben so wenig will ich das Gefallen, das ich an einer Cleo¬ patra von Gläser und an zwei Bildern (Nymphe mit einem Satyr und Perseus und Andromeda), deren Maler unbekannt sind, fand, unbedingt vertreten. Von historischem Interesse ist ein großes Wandgemälde von Sandrart, das Gastmahl darstellend, das im Jahre 1660 der Pfalzgraf Carl Gustav, später Carl X. von Schweden, den Mitgliedern des Kongresses gab, der damals in Nürnberg zur Execution des westphälischen Friedens gehalten wurde. Sämmtliche Figuren darauf sind Portraits,' worunter viele bekannte und berühmte Persönlichkeiten, unter anderen der Pfalzgraf selbst und Octavio Piccolomini. Zum letzten Mal

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/224>, abgerufen am 05.06.2024.