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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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überrascht, und sobald wir erst über den Mangel in der Conception und Com-
pofttion hinweg sind, uns zur höchsten Befriedigung gereicht; dabei eine große
Lebendigkeit und Kraft der Darstellung bei einer gediegenen und gewandten Tech¬
nik, kurz der Künstler hat die vollste allseitige Befähigung, in seiner Richtung
Vorzügliches zu leisten, sobald es ihm gelingen wird, sich stets in genügender
Weise des Gedankens zu bemeistern.

Hansmann, Pariser Gamins. Der Hauptvorzug dieses Bildes besteht
wie beim vorigen in der entschiedenen Ausfassung der Physiognomien; nur daß
sich Herr Hansmann mit einem gewissen modernen Behagen im Häßlichen zu be¬
wegen scheint. Wir gestatten ihm uuter den kartenspielenden Gamins schon
Einiges hiervon; weshalb malt er aber vorn am Boden liegend ein so abscheu¬
liches Kind, das in jeder Beziehung verwahrlost ist? Zu den gelungensten Figuren
zählen wir den einen der Kartenspiclenden, der überlegt, welche Karte er spielen
soll; der Typus des behaglichen Tagediebes, auch der ihm in die Karten sehende
ist vortrefflich; sein Gegner, der dem vorigen offenbar überlegen ist, eine wahre
Galgeuphysiognomie, ist fast zu gelungen. Im Ganzen macht das Bild doch bei
aller Wahrheit und Energie der Darstellung, oder eigentlich eben darum einen
unerquicklichen Eindruck; ein Haufen verwahrloster Kinder, zu deren Zukunft wir
eben nicht viel Vertrauen haben können, ist kein Gegenstand, zumal für lebens¬
große Figuren, die uns das Unangenehme noch schlagender fühlbar machen.
Murillo's Betteljungen sind zwar nicht schön, aber anziehend durch eine gewisse
behagliche derbe Naivetät, die auf diesem Bilde bereits einen starken Zusatz von
Bosheit und Gemeinheit erhalten hat.

Wir erwähnen vorübergehend noch einiger Schlachtbilder. Zu den gelunge¬
neren zählen wir ein kleines Bild von

Steffeck, Gefecht zwischen preußischer Reiterei und östreichi¬
schen Fußvolk, von dem wir nur im Allgemeinen sagen, daß sowol die ganze
Situation, als jede einzelne Figur mit großer Lebendigkeit dargestellt ist. So auch

Hunden, preußische Cürassiere, durch ein feindliches Dorf
sprengend. Der Gegenstand ist außerordentlich einfach, so anch die Kompo¬
sition. Der Maler hat aber gewußt, jedem dieser sprengenden Reiter eine indi¬
viduelle, besonders lebendige Bewegung zu geben, die keine Einförmigkeit auf¬
kommen läßt.

Von zwei Schlachtbildern, welche das Gefecht bei Wiesenthal in Baden dar¬
stellen, von Nechlin und Kaiser, ist das von Nechlin, wenn es uns auch uicht
besonders behagt, das gelungenere; es ist hier wenigstens das Plötzliche in dem
Angriff des Prinzen mit seiner Kavallerie aus deu im Augenblick verwirrten Feind
klar ausgedrückt.

Kretzschmer, Prinz Waldemar in der Schlacht von Ferozesha,
dem Dr. Hofmeister Beistand leistend, ist in jeder Beziehung mittelmäßig.


überrascht, und sobald wir erst über den Mangel in der Conception und Com-
pofttion hinweg sind, uns zur höchsten Befriedigung gereicht; dabei eine große
Lebendigkeit und Kraft der Darstellung bei einer gediegenen und gewandten Tech¬
nik, kurz der Künstler hat die vollste allseitige Befähigung, in seiner Richtung
Vorzügliches zu leisten, sobald es ihm gelingen wird, sich stets in genügender
Weise des Gedankens zu bemeistern.

Hansmann, Pariser Gamins. Der Hauptvorzug dieses Bildes besteht
wie beim vorigen in der entschiedenen Ausfassung der Physiognomien; nur daß
sich Herr Hansmann mit einem gewissen modernen Behagen im Häßlichen zu be¬
wegen scheint. Wir gestatten ihm uuter den kartenspielenden Gamins schon
Einiges hiervon; weshalb malt er aber vorn am Boden liegend ein so abscheu¬
liches Kind, das in jeder Beziehung verwahrlost ist? Zu den gelungensten Figuren
zählen wir den einen der Kartenspiclenden, der überlegt, welche Karte er spielen
soll; der Typus des behaglichen Tagediebes, auch der ihm in die Karten sehende
ist vortrefflich; sein Gegner, der dem vorigen offenbar überlegen ist, eine wahre
Galgeuphysiognomie, ist fast zu gelungen. Im Ganzen macht das Bild doch bei
aller Wahrheit und Energie der Darstellung, oder eigentlich eben darum einen
unerquicklichen Eindruck; ein Haufen verwahrloster Kinder, zu deren Zukunft wir
eben nicht viel Vertrauen haben können, ist kein Gegenstand, zumal für lebens¬
große Figuren, die uns das Unangenehme noch schlagender fühlbar machen.
Murillo's Betteljungen sind zwar nicht schön, aber anziehend durch eine gewisse
behagliche derbe Naivetät, die auf diesem Bilde bereits einen starken Zusatz von
Bosheit und Gemeinheit erhalten hat.

Wir erwähnen vorübergehend noch einiger Schlachtbilder. Zu den gelunge¬
neren zählen wir ein kleines Bild von

Steffeck, Gefecht zwischen preußischer Reiterei und östreichi¬
schen Fußvolk, von dem wir nur im Allgemeinen sagen, daß sowol die ganze
Situation, als jede einzelne Figur mit großer Lebendigkeit dargestellt ist. So auch

Hunden, preußische Cürassiere, durch ein feindliches Dorf
sprengend. Der Gegenstand ist außerordentlich einfach, so anch die Kompo¬
sition. Der Maler hat aber gewußt, jedem dieser sprengenden Reiter eine indi¬
viduelle, besonders lebendige Bewegung zu geben, die keine Einförmigkeit auf¬
kommen läßt.

Von zwei Schlachtbildern, welche das Gefecht bei Wiesenthal in Baden dar¬
stellen, von Nechlin und Kaiser, ist das von Nechlin, wenn es uns auch uicht
besonders behagt, das gelungenere; es ist hier wenigstens das Plötzliche in dem
Angriff des Prinzen mit seiner Kavallerie aus deu im Augenblick verwirrten Feind
klar ausgedrückt.

Kretzschmer, Prinz Waldemar in der Schlacht von Ferozesha,
dem Dr. Hofmeister Beistand leistend, ist in jeder Beziehung mittelmäßig.


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[0241] überrascht, und sobald wir erst über den Mangel in der Conception und Com- pofttion hinweg sind, uns zur höchsten Befriedigung gereicht; dabei eine große Lebendigkeit und Kraft der Darstellung bei einer gediegenen und gewandten Tech¬ nik, kurz der Künstler hat die vollste allseitige Befähigung, in seiner Richtung Vorzügliches zu leisten, sobald es ihm gelingen wird, sich stets in genügender Weise des Gedankens zu bemeistern. Hansmann, Pariser Gamins. Der Hauptvorzug dieses Bildes besteht wie beim vorigen in der entschiedenen Ausfassung der Physiognomien; nur daß sich Herr Hansmann mit einem gewissen modernen Behagen im Häßlichen zu be¬ wegen scheint. Wir gestatten ihm uuter den kartenspielenden Gamins schon Einiges hiervon; weshalb malt er aber vorn am Boden liegend ein so abscheu¬ liches Kind, das in jeder Beziehung verwahrlost ist? Zu den gelungensten Figuren zählen wir den einen der Kartenspiclenden, der überlegt, welche Karte er spielen soll; der Typus des behaglichen Tagediebes, auch der ihm in die Karten sehende ist vortrefflich; sein Gegner, der dem vorigen offenbar überlegen ist, eine wahre Galgeuphysiognomie, ist fast zu gelungen. Im Ganzen macht das Bild doch bei aller Wahrheit und Energie der Darstellung, oder eigentlich eben darum einen unerquicklichen Eindruck; ein Haufen verwahrloster Kinder, zu deren Zukunft wir eben nicht viel Vertrauen haben können, ist kein Gegenstand, zumal für lebens¬ große Figuren, die uns das Unangenehme noch schlagender fühlbar machen. Murillo's Betteljungen sind zwar nicht schön, aber anziehend durch eine gewisse behagliche derbe Naivetät, die auf diesem Bilde bereits einen starken Zusatz von Bosheit und Gemeinheit erhalten hat. Wir erwähnen vorübergehend noch einiger Schlachtbilder. Zu den gelunge¬ neren zählen wir ein kleines Bild von Steffeck, Gefecht zwischen preußischer Reiterei und östreichi¬ schen Fußvolk, von dem wir nur im Allgemeinen sagen, daß sowol die ganze Situation, als jede einzelne Figur mit großer Lebendigkeit dargestellt ist. So auch Hunden, preußische Cürassiere, durch ein feindliches Dorf sprengend. Der Gegenstand ist außerordentlich einfach, so anch die Kompo¬ sition. Der Maler hat aber gewußt, jedem dieser sprengenden Reiter eine indi¬ viduelle, besonders lebendige Bewegung zu geben, die keine Einförmigkeit auf¬ kommen läßt. Von zwei Schlachtbildern, welche das Gefecht bei Wiesenthal in Baden dar¬ stellen, von Nechlin und Kaiser, ist das von Nechlin, wenn es uns auch uicht besonders behagt, das gelungenere; es ist hier wenigstens das Plötzliche in dem Angriff des Prinzen mit seiner Kavallerie aus deu im Augenblick verwirrten Feind klar ausgedrückt. Kretzschmer, Prinz Waldemar in der Schlacht von Ferozesha, dem Dr. Hofmeister Beistand leistend, ist in jeder Beziehung mittelmäßig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/241>, abgerufen am 05.06.2024.