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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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Bleibtreu, Vernichtung des Kieler Turner- und Studenten¬
corps bei Flensburg, zeigt zwar noch eine gewisse jugendliche Unbeholfenheit
in der Komposition, namentlich in der Anordnung der Gruppen; aber die ein¬
zelnen Motive sind fast durchweg gut, einzelne Gestalten, z. B. der Führer des
Corps, vortrefflich. Was namentlich wohlthut, ist dieses: mau sieht, daß jede
Figur wirklich empfunden ist. Der Mangel des Bildes liegt nicht im Unver¬
mögen, sondern in der Unerfahrenheit.

Menzel, ein Concert auf Sanssouci 17 t>0. Menzel hat sein Talent
in eine Zeit verwiesen, deren Darstellung zwar der Schönheit nicht genügen kann,
dafür aber unendlich viel Anziehendes im Gebiete des Charakteristischen und Pi-
qnanten bietet. Aus diesem Felde bewegt sich der Künstler mit so vollkommener
Freiheit und Leichtigkeit, daß wir mit ihm bald darin zu Hause sind und über
der lebendigen Originalität seiner Figuren nicht zur Reflexion über Puder und
Perrücke kommen. Wie fein nuancirt ist die Aufmerksamkeit und Nichtanfmcrk-
samkeit aller Anwesenden aus das solo" des Königs ausgedrückt. Es

würde uus zu weit führen, wollten wir aller dieser vortrefflichen Figuren einzeln
gedenken; wir erinnern nur, nicht weil wir sie gerade für die beste halten, son¬
dern weil sie besonders schlagend ist, an den Lehrer des Königs, Quanz. Die
Lichtstimmuug ist eben so wirksam als harmonisch ausgedrückt, die Technik dem
Inhalt angemessen, da es bei einem Gegenstande, der einfache Schönheit aus¬
schloß, sich überall nicht sowol um feine Präcision der Linien, als um frappante
Wirkung handelt. Was wir bei Menzel'S Technik besonders anerkennen müssen,
ist dieses, daß die große Freiheit und Leichtigkeit derselben niemals der Feinheit
der Durchführung schadet, ein Zeichen, daß ihm die Technik und Mittel geblieben.
Sollen wir zum Schluß noch einen Tadel aussprechen, so wäre es der, daß der
Kopf der Markgräfin von Bayreuth durch einen bräunlich trüben Ton etwas aus
dem Uebrigen herausfällt. Lag ein besouders verschiedenes Kolorit in Absicht des
Künstlers, so ging er diesmal darin zu weit; auch ist der Kops weniger fein
modellirt, als die übrigen.

Meier heim hat eine ziemliche Anzahl von Bildern auf der Ausstellung
die wir, da sie im Ganzen denselben Charakter haben, zusammen besprechen.
Meicrheim hat sich einmal das naive Genre erwählt, in dem er der Liebling des
Publicums geworden, und in dem er allerdings nicht geringe Vorzüge hat. Seine
Bilder sind wirklich alle mehr oder weniger naiv empfunden, und in der Phan¬
tasie lebendig geworden; die bloße Naivetät wird aber doch mit der Zeit lang¬
weilig, wenn sie sich nicht in jedem Individuum anders gestaltet, und das ver¬
missen wir. Kinder und Alte haben selten rechte Originalität, sie sind meist
Repräsentanten der Allgemeinheit. Dies spricht sich anch in der Form aus,
die ebenfalls meist ohne rechten Charakter ist. Die Leute sehen alle nett und
gemüthlich aus, aber weiter wisse" wir nicht viel von ihnen. Wie wenig wir


Bleibtreu, Vernichtung des Kieler Turner- und Studenten¬
corps bei Flensburg, zeigt zwar noch eine gewisse jugendliche Unbeholfenheit
in der Komposition, namentlich in der Anordnung der Gruppen; aber die ein¬
zelnen Motive sind fast durchweg gut, einzelne Gestalten, z. B. der Führer des
Corps, vortrefflich. Was namentlich wohlthut, ist dieses: mau sieht, daß jede
Figur wirklich empfunden ist. Der Mangel des Bildes liegt nicht im Unver¬
mögen, sondern in der Unerfahrenheit.

Menzel, ein Concert auf Sanssouci 17 t>0. Menzel hat sein Talent
in eine Zeit verwiesen, deren Darstellung zwar der Schönheit nicht genügen kann,
dafür aber unendlich viel Anziehendes im Gebiete des Charakteristischen und Pi-
qnanten bietet. Aus diesem Felde bewegt sich der Künstler mit so vollkommener
Freiheit und Leichtigkeit, daß wir mit ihm bald darin zu Hause sind und über
der lebendigen Originalität seiner Figuren nicht zur Reflexion über Puder und
Perrücke kommen. Wie fein nuancirt ist die Aufmerksamkeit und Nichtanfmcrk-
samkeit aller Anwesenden aus das solo" des Königs ausgedrückt. Es

würde uus zu weit führen, wollten wir aller dieser vortrefflichen Figuren einzeln
gedenken; wir erinnern nur, nicht weil wir sie gerade für die beste halten, son¬
dern weil sie besonders schlagend ist, an den Lehrer des Königs, Quanz. Die
Lichtstimmuug ist eben so wirksam als harmonisch ausgedrückt, die Technik dem
Inhalt angemessen, da es bei einem Gegenstande, der einfache Schönheit aus¬
schloß, sich überall nicht sowol um feine Präcision der Linien, als um frappante
Wirkung handelt. Was wir bei Menzel'S Technik besonders anerkennen müssen,
ist dieses, daß die große Freiheit und Leichtigkeit derselben niemals der Feinheit
der Durchführung schadet, ein Zeichen, daß ihm die Technik und Mittel geblieben.
Sollen wir zum Schluß noch einen Tadel aussprechen, so wäre es der, daß der
Kopf der Markgräfin von Bayreuth durch einen bräunlich trüben Ton etwas aus
dem Uebrigen herausfällt. Lag ein besouders verschiedenes Kolorit in Absicht des
Künstlers, so ging er diesmal darin zu weit; auch ist der Kops weniger fein
modellirt, als die übrigen.

Meier heim hat eine ziemliche Anzahl von Bildern auf der Ausstellung
die wir, da sie im Ganzen denselben Charakter haben, zusammen besprechen.
Meicrheim hat sich einmal das naive Genre erwählt, in dem er der Liebling des
Publicums geworden, und in dem er allerdings nicht geringe Vorzüge hat. Seine
Bilder sind wirklich alle mehr oder weniger naiv empfunden, und in der Phan¬
tasie lebendig geworden; die bloße Naivetät wird aber doch mit der Zeit lang¬
weilig, wenn sie sich nicht in jedem Individuum anders gestaltet, und das ver¬
missen wir. Kinder und Alte haben selten rechte Originalität, sie sind meist
Repräsentanten der Allgemeinheit. Dies spricht sich anch in der Form aus,
die ebenfalls meist ohne rechten Charakter ist. Die Leute sehen alle nett und
gemüthlich aus, aber weiter wisse» wir nicht viel von ihnen. Wie wenig wir


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[0242] Bleibtreu, Vernichtung des Kieler Turner- und Studenten¬ corps bei Flensburg, zeigt zwar noch eine gewisse jugendliche Unbeholfenheit in der Komposition, namentlich in der Anordnung der Gruppen; aber die ein¬ zelnen Motive sind fast durchweg gut, einzelne Gestalten, z. B. der Führer des Corps, vortrefflich. Was namentlich wohlthut, ist dieses: mau sieht, daß jede Figur wirklich empfunden ist. Der Mangel des Bildes liegt nicht im Unver¬ mögen, sondern in der Unerfahrenheit. Menzel, ein Concert auf Sanssouci 17 t>0. Menzel hat sein Talent in eine Zeit verwiesen, deren Darstellung zwar der Schönheit nicht genügen kann, dafür aber unendlich viel Anziehendes im Gebiete des Charakteristischen und Pi- qnanten bietet. Aus diesem Felde bewegt sich der Künstler mit so vollkommener Freiheit und Leichtigkeit, daß wir mit ihm bald darin zu Hause sind und über der lebendigen Originalität seiner Figuren nicht zur Reflexion über Puder und Perrücke kommen. Wie fein nuancirt ist die Aufmerksamkeit und Nichtanfmcrk- samkeit aller Anwesenden aus das solo" des Königs ausgedrückt. Es würde uus zu weit führen, wollten wir aller dieser vortrefflichen Figuren einzeln gedenken; wir erinnern nur, nicht weil wir sie gerade für die beste halten, son¬ dern weil sie besonders schlagend ist, an den Lehrer des Königs, Quanz. Die Lichtstimmuug ist eben so wirksam als harmonisch ausgedrückt, die Technik dem Inhalt angemessen, da es bei einem Gegenstande, der einfache Schönheit aus¬ schloß, sich überall nicht sowol um feine Präcision der Linien, als um frappante Wirkung handelt. Was wir bei Menzel'S Technik besonders anerkennen müssen, ist dieses, daß die große Freiheit und Leichtigkeit derselben niemals der Feinheit der Durchführung schadet, ein Zeichen, daß ihm die Technik und Mittel geblieben. Sollen wir zum Schluß noch einen Tadel aussprechen, so wäre es der, daß der Kopf der Markgräfin von Bayreuth durch einen bräunlich trüben Ton etwas aus dem Uebrigen herausfällt. Lag ein besouders verschiedenes Kolorit in Absicht des Künstlers, so ging er diesmal darin zu weit; auch ist der Kops weniger fein modellirt, als die übrigen. Meier heim hat eine ziemliche Anzahl von Bildern auf der Ausstellung die wir, da sie im Ganzen denselben Charakter haben, zusammen besprechen. Meicrheim hat sich einmal das naive Genre erwählt, in dem er der Liebling des Publicums geworden, und in dem er allerdings nicht geringe Vorzüge hat. Seine Bilder sind wirklich alle mehr oder weniger naiv empfunden, und in der Phan¬ tasie lebendig geworden; die bloße Naivetät wird aber doch mit der Zeit lang¬ weilig, wenn sie sich nicht in jedem Individuum anders gestaltet, und das ver¬ missen wir. Kinder und Alte haben selten rechte Originalität, sie sind meist Repräsentanten der Allgemeinheit. Dies spricht sich anch in der Form aus, die ebenfalls meist ohne rechten Charakter ist. Die Leute sehen alle nett und gemüthlich aus, aber weiter wisse» wir nicht viel von ihnen. Wie wenig wir

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/242>, abgerufen am 05.06.2024.