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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band.

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für eine gewisse moderne Richtung eingenommen Sieb, die gerade das Absonder¬
liche und Piquante, was ihr in der Natur vorkommt, darstellt, eben so wenig können
wir dieses verallgemeinernde idealisirende Streben billigen, das den Personen ihr
individuelles Leben nimmt. -- Die Technik ist übrigens dem geistigen Kern dieser
Richtung vollkommen angemessen; es geht aller Charakter und alles Detail
in eiuer zierlichen, glatten Behandlung unter; Nichts von dem Neiz des Lebens
in Formen und Farben, die wir bei so weit getriebener Ausführung verlangen
könnten.

Bei Becker ist es fast umgekehrt, wie bei Meierheim, seine Figuren sind
von höchst plastischer Wirkung, auch tragen sie äußerlich meist ein individuelles
Gepräge, seine Technik hat ungemein viel Reiz; aber seine Bilder sind bei
alledem im höchsten Grade uninteressant. Eine Wahrsagerin, eine Karten¬
legerin n. s. w. sind schon an und für sich nicht besonders tiefe Gegenstände;
dann verlangen wir aber wenigstens, daß der Maler dnrch Erfindung von neuen
und anziehenden Motiven sie interessant zumachen sich bemühe; er kann uns dann
immer uoch höchst erfreuliche Bilder geben. Davon sehen wir hier nichts, die
Leute stehn und scheu neben einander und thun wenig oder nichts. -- Becker ist
eben nur ein Virtuos.

Geujz. Sclaveuverkaufssceue im innern Hofraum des Scla-
venmäkler-Hotels von Assuan an der ägyptisch-nubischen Grenze.
Uns ist lauge kein widerwärtigeres Bild zu Gesicht gekommen, und nur als ein
Beispiel enormer Geschmacksverirrung, und da es außerdem mit eiuer gewissem
Prätension auftritt, sei seiner gedacht. Das Bild hat ein sehr einseitiges Ver¬
dienst in eiuer guten Farbenstimmuug, in der es sich an einige Franzosen,
etwa an de la Croix und von älteren Malern etwa an Paul Veronese an-
lehnt. Damit ist aber denn auch alles Lob erschöpft. Der an und für sich
uicht sehr günstige Gegenstand des Bildes mußte durch irgend ein Motiv (wie
z. B. in Vernet's Sclavenmarkt) interessant und anziehend gemacht werden.
Hier haben wir uur eine Darstellung dessen, was die Meuschen am tiefsten
herabwürdigt:, Menschen, die andere Meuschen wie Vieh behandeln, oder
so von ihnen behandelt werden. In so abscheulicher Umgebung konnte Herr
Gentz freilich die nackte Sclavin, die er in die Mitte seines Bildes gestellt hat,
zur Hauptsache mache", aber sie gehört trotz dem noch lange nicht in die mensch¬
liche Gesellschaft, die stumpfste Thierheit liegt in diesen Zügen. Hätte Herr
Gentz seinen Figuren wenigstens den Reiz gemeiner Sinnlichkeit zu geben ver-
, möcht! -- Nein, er giebt ihnen lieber eine gemeine Sinnlichkeit ohne Reiz.
Physiognomien und Körperformen sind durchweg unschön, was durch die meist
nachlässige Zeichnung sich noch unangenehmer geltend macht. Bei Darstellung
von Völkern anderer Zonen suche der Künstler sie uns verständlich zu machen;
er hebe das Anziehende ihrer Erscheinung stärker hervor, als das Abstoßende;


Grenzboten. IV. I8ö2. 30

für eine gewisse moderne Richtung eingenommen Sieb, die gerade das Absonder¬
liche und Piquante, was ihr in der Natur vorkommt, darstellt, eben so wenig können
wir dieses verallgemeinernde idealisirende Streben billigen, das den Personen ihr
individuelles Leben nimmt. — Die Technik ist übrigens dem geistigen Kern dieser
Richtung vollkommen angemessen; es geht aller Charakter und alles Detail
in eiuer zierlichen, glatten Behandlung unter; Nichts von dem Neiz des Lebens
in Formen und Farben, die wir bei so weit getriebener Ausführung verlangen
könnten.

Bei Becker ist es fast umgekehrt, wie bei Meierheim, seine Figuren sind
von höchst plastischer Wirkung, auch tragen sie äußerlich meist ein individuelles
Gepräge, seine Technik hat ungemein viel Reiz; aber seine Bilder sind bei
alledem im höchsten Grade uninteressant. Eine Wahrsagerin, eine Karten¬
legerin n. s. w. sind schon an und für sich nicht besonders tiefe Gegenstände;
dann verlangen wir aber wenigstens, daß der Maler dnrch Erfindung von neuen
und anziehenden Motiven sie interessant zumachen sich bemühe; er kann uns dann
immer uoch höchst erfreuliche Bilder geben. Davon sehen wir hier nichts, die
Leute stehn und scheu neben einander und thun wenig oder nichts. — Becker ist
eben nur ein Virtuos.

Geujz. Sclaveuverkaufssceue im innern Hofraum des Scla-
venmäkler-Hotels von Assuan an der ägyptisch-nubischen Grenze.
Uns ist lauge kein widerwärtigeres Bild zu Gesicht gekommen, und nur als ein
Beispiel enormer Geschmacksverirrung, und da es außerdem mit eiuer gewissem
Prätension auftritt, sei seiner gedacht. Das Bild hat ein sehr einseitiges Ver¬
dienst in eiuer guten Farbenstimmuug, in der es sich an einige Franzosen,
etwa an de la Croix und von älteren Malern etwa an Paul Veronese an-
lehnt. Damit ist aber denn auch alles Lob erschöpft. Der an und für sich
uicht sehr günstige Gegenstand des Bildes mußte durch irgend ein Motiv (wie
z. B. in Vernet's Sclavenmarkt) interessant und anziehend gemacht werden.
Hier haben wir uur eine Darstellung dessen, was die Meuschen am tiefsten
herabwürdigt:, Menschen, die andere Meuschen wie Vieh behandeln, oder
so von ihnen behandelt werden. In so abscheulicher Umgebung konnte Herr
Gentz freilich die nackte Sclavin, die er in die Mitte seines Bildes gestellt hat,
zur Hauptsache mache», aber sie gehört trotz dem noch lange nicht in die mensch¬
liche Gesellschaft, die stumpfste Thierheit liegt in diesen Zügen. Hätte Herr
Gentz seinen Figuren wenigstens den Reiz gemeiner Sinnlichkeit zu geben ver-
, möcht! — Nein, er giebt ihnen lieber eine gemeine Sinnlichkeit ohne Reiz.
Physiognomien und Körperformen sind durchweg unschön, was durch die meist
nachlässige Zeichnung sich noch unangenehmer geltend macht. Bei Darstellung
von Völkern anderer Zonen suche der Künstler sie uns verständlich zu machen;
er hebe das Anziehende ihrer Erscheinung stärker hervor, als das Abstoßende;


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[0243] für eine gewisse moderne Richtung eingenommen Sieb, die gerade das Absonder¬ liche und Piquante, was ihr in der Natur vorkommt, darstellt, eben so wenig können wir dieses verallgemeinernde idealisirende Streben billigen, das den Personen ihr individuelles Leben nimmt. — Die Technik ist übrigens dem geistigen Kern dieser Richtung vollkommen angemessen; es geht aller Charakter und alles Detail in eiuer zierlichen, glatten Behandlung unter; Nichts von dem Neiz des Lebens in Formen und Farben, die wir bei so weit getriebener Ausführung verlangen könnten. Bei Becker ist es fast umgekehrt, wie bei Meierheim, seine Figuren sind von höchst plastischer Wirkung, auch tragen sie äußerlich meist ein individuelles Gepräge, seine Technik hat ungemein viel Reiz; aber seine Bilder sind bei alledem im höchsten Grade uninteressant. Eine Wahrsagerin, eine Karten¬ legerin n. s. w. sind schon an und für sich nicht besonders tiefe Gegenstände; dann verlangen wir aber wenigstens, daß der Maler dnrch Erfindung von neuen und anziehenden Motiven sie interessant zumachen sich bemühe; er kann uns dann immer uoch höchst erfreuliche Bilder geben. Davon sehen wir hier nichts, die Leute stehn und scheu neben einander und thun wenig oder nichts. — Becker ist eben nur ein Virtuos. Geujz. Sclaveuverkaufssceue im innern Hofraum des Scla- venmäkler-Hotels von Assuan an der ägyptisch-nubischen Grenze. Uns ist lauge kein widerwärtigeres Bild zu Gesicht gekommen, und nur als ein Beispiel enormer Geschmacksverirrung, und da es außerdem mit eiuer gewissem Prätension auftritt, sei seiner gedacht. Das Bild hat ein sehr einseitiges Ver¬ dienst in eiuer guten Farbenstimmuug, in der es sich an einige Franzosen, etwa an de la Croix und von älteren Malern etwa an Paul Veronese an- lehnt. Damit ist aber denn auch alles Lob erschöpft. Der an und für sich uicht sehr günstige Gegenstand des Bildes mußte durch irgend ein Motiv (wie z. B. in Vernet's Sclavenmarkt) interessant und anziehend gemacht werden. Hier haben wir uur eine Darstellung dessen, was die Meuschen am tiefsten herabwürdigt:, Menschen, die andere Meuschen wie Vieh behandeln, oder so von ihnen behandelt werden. In so abscheulicher Umgebung konnte Herr Gentz freilich die nackte Sclavin, die er in die Mitte seines Bildes gestellt hat, zur Hauptsache mache», aber sie gehört trotz dem noch lange nicht in die mensch¬ liche Gesellschaft, die stumpfste Thierheit liegt in diesen Zügen. Hätte Herr Gentz seinen Figuren wenigstens den Reiz gemeiner Sinnlichkeit zu geben ver- , möcht! — Nein, er giebt ihnen lieber eine gemeine Sinnlichkeit ohne Reiz. Physiognomien und Körperformen sind durchweg unschön, was durch die meist nachlässige Zeichnung sich noch unangenehmer geltend macht. Bei Darstellung von Völkern anderer Zonen suche der Künstler sie uns verständlich zu machen; er hebe das Anziehende ihrer Erscheinung stärker hervor, als das Abstoßende; Grenzboten. IV. I8ö2. 30

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_94982/243>, abgerufen am 01.11.2024.