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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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leim und den partiellen Zerstörungen durch den beschränkten Egoismus Einzelner
die Lebenskraft der Nationen nud der Zwang der Verhältnisse unzerstörbar nach
einem hohen Ziele hinarbeiten; wie auch die Reaction unsrer letzten Jahre Nichts
weiter sei als ein Moment in den großen Bildungsprocessen der europäischen
Staaten, ein Uebergang, gegen den wir zu kämpfe" haben in dem frohen Gefühl,
daß der endliche Sieg unsrem Kampfe nicht fehle" kaum In der Methode
seiner Darstellung wird die Kritik Manches auszusetzen habe". Gege" sei" Zu¬
sammenfassen der ungeheuern Summe von historische" Erscheinungen unter be¬
stimmte Gesichtspunkte, gegen das doctrinaire Formulircu der nationalen Eigen¬
thümlichkeit wird sich mancher gegründete Einwurf machen lassen. Große, höchst
wichtige Richtungen des Völkerlebens, welche bildend und bestimmend auf die
Schicksale der einzelne" Staate" wirken, die Lebensverhältnisse der productiven
Kraft und die Richtungen des ideale" Lebens, z. B. Geld- und Besitzverhältnisse,
Handel, Industrie, Kunst und Wissenschaft, sind bei seiner Construction des
geschichtlichen Processes vielleicht z" we"ig i" Rechnung gebracht; bei einzelnen
Ansichten ist wol auch größere Präcision des Ausdrucks zu wünsche"; aber wie sich
der Leser mich kritisch zu Einzelheiten des Buches stellen möge, der Totalein¬
druck des Werkes ist doch so, daß dasselbe als ein Weihnachtsgeschenk für das
deutsche Volk mit lebhafter Freude begrüßt werden muß. I" den letzten
Resultaten des Buches verehren wir eine Ueberzeugung, welche so edel und
groß ist, daß wir dieselbe zum Eigenthum aller Gebildeten unsres Volkes machen
möchten.

Das Buch selbst sei uns ein Beweis, daß auch die letzten schweren Jahre
neben vielem Schlimmen ihren großen Segen für uns gehabt haben. Der kritische
Ernst, mit dem wir die Vergangenheit unsres Lebens gegenwärtig betrachte", hat
nicht mehr je"c ironische Freiheit, mit welcher der Deutsche sonst wol gleichmäßig
seiue Staateuverhältnisse und die der alten Griechen oder der Chinese" betrach¬
tete. Der Schmerz und die Arbeit der letzten Jahre haben in den Seelen aller
Besseren jenen patriotischen Si"n wach gerufen, der sie zwingt, für ihre
politischen Ueberzeugungen mich in der Wissenschaft zu arbeiten, und die
Totalität eines deutsche" Gemüthes auch da zu zeige", wo man sonst gewöhnt
war, nur zu viel von demselben zu perla"g"er. Den Geist und das Wissen der
deutschen Gelehrten hat die Welt immer geachtet. Die Vertreter unsrer Wissen¬
schaft verstehen jetzt zu zeigen, daß ihnen auch die höchste Tugend des Mannes
nicht fehlt, Gesinnung, sittliche Kraft und treue Liebe zum Vaterlande.




leim und den partiellen Zerstörungen durch den beschränkten Egoismus Einzelner
die Lebenskraft der Nationen nud der Zwang der Verhältnisse unzerstörbar nach
einem hohen Ziele hinarbeiten; wie auch die Reaction unsrer letzten Jahre Nichts
weiter sei als ein Moment in den großen Bildungsprocessen der europäischen
Staaten, ein Uebergang, gegen den wir zu kämpfe» haben in dem frohen Gefühl,
daß der endliche Sieg unsrem Kampfe nicht fehle» kaum In der Methode
seiner Darstellung wird die Kritik Manches auszusetzen habe». Gege» sei» Zu¬
sammenfassen der ungeheuern Summe von historische» Erscheinungen unter be¬
stimmte Gesichtspunkte, gegen das doctrinaire Formulircu der nationalen Eigen¬
thümlichkeit wird sich mancher gegründete Einwurf machen lassen. Große, höchst
wichtige Richtungen des Völkerlebens, welche bildend und bestimmend auf die
Schicksale der einzelne» Staate» wirken, die Lebensverhältnisse der productiven
Kraft und die Richtungen des ideale» Lebens, z. B. Geld- und Besitzverhältnisse,
Handel, Industrie, Kunst und Wissenschaft, sind bei seiner Construction des
geschichtlichen Processes vielleicht z» we»ig i» Rechnung gebracht; bei einzelnen
Ansichten ist wol auch größere Präcision des Ausdrucks zu wünsche»; aber wie sich
der Leser mich kritisch zu Einzelheiten des Buches stellen möge, der Totalein¬
druck des Werkes ist doch so, daß dasselbe als ein Weihnachtsgeschenk für das
deutsche Volk mit lebhafter Freude begrüßt werden muß. I» den letzten
Resultaten des Buches verehren wir eine Ueberzeugung, welche so edel und
groß ist, daß wir dieselbe zum Eigenthum aller Gebildeten unsres Volkes machen
möchten.

Das Buch selbst sei uns ein Beweis, daß auch die letzten schweren Jahre
neben vielem Schlimmen ihren großen Segen für uns gehabt haben. Der kritische
Ernst, mit dem wir die Vergangenheit unsres Lebens gegenwärtig betrachte», hat
nicht mehr je»c ironische Freiheit, mit welcher der Deutsche sonst wol gleichmäßig
seiue Staateuverhältnisse und die der alten Griechen oder der Chinese» betrach¬
tete. Der Schmerz und die Arbeit der letzten Jahre haben in den Seelen aller
Besseren jenen patriotischen Si»n wach gerufen, der sie zwingt, für ihre
politischen Ueberzeugungen mich in der Wissenschaft zu arbeiten, und die
Totalität eines deutsche» Gemüthes auch da zu zeige», wo man sonst gewöhnt
war, nur zu viel von demselben zu perla»g»er. Den Geist und das Wissen der
deutschen Gelehrten hat die Welt immer geachtet. Die Vertreter unsrer Wissen¬
schaft verstehen jetzt zu zeigen, daß ihnen auch die höchste Tugend des Mannes
nicht fehlt, Gesinnung, sittliche Kraft und treue Liebe zum Vaterlande.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/11>, abgerufen am 23.05.2024.