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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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Referate der Kammer gleichfalls nur französisch, wobei ich nicht weist, da ich, wie
ich beschämt eingestehe, die Sitzungen der hohen Versammlung nie besucht habe,
ob bei den Debatten nicht auch audere Dialekte gebraucht werden. Die übrigen
Blätter sind gemischt aus französischen und deutschen Artikeln, nicht etwa, wie
z. B. der Lourior ä'^lsircv in Straßburg mit doppeltem Text in beiden
Sprachen, sondern, wahrscheinlich nach Berechnung des Leserkreises für ihre Nach¬
richten und Artikel, die einen deutsch!, die andern französisch. Doch wiegt die
Masse der Letztern vor. Von deutschen Blättern ist an öffentlichen Orten fast
nur die "Kölnische Zeitung" zu finden; dagegen sieht man mehrere Pariser
Blätter und vor Allem die "InÜLponclanLe de-Ig-iz", die den Luxemburger Zu-
ständen eine Aufmerksamkeit widmet, welche beweist, daß die Belgier sie noch immer
wie nur gewaltsam ihnen cntrissue Cvmpatrioten betrachten. In Luxemburg
wird diese Gesinnung völlig erwiedert, und gewiß würde das Großherzogthum,
stände ihm die Wahl frei, mit Acclamation für den Anschluß an Belgien sich
erklären. Nächstdem sind unleugbare Sympathien für Frankreich vorhanden, die
allerdings, wie ich vermuthe, seitdem das Kaiserthum dort die militairische Des¬
potie errichtet hat, bedeutend gewichen sein werden. Für Holland hegt man in
L. keine Neigung, obwol die Dynastie gewiß viel beliebter ist, als das nieder¬
ländische Volk. Es kommt dazu, um das Verhältniß zwischen dem Königreich
und dem Großherzogthum zu trüben, ldaß das Erstere an dieses die Forderung
der Uebernahme von 7 Millionen Gulden der holländischen Staatsschuld stellt,
welches die luxemburgische Kammer, die einem wahren Fanatismus von Spar¬
samkeit huldigt, hartnäckig verweigert. L. macht den Niederlanden eine Gegen-
rcchuuug, wobei es, glaube ich, nicht nnr die 7 Millionen tilgt, sondern auch
noch seinerseits Forderungen herauscalculirt. Die Erbitterung hierüber ist so
groß zwischen den zwei Regierungen, daß, obwol beide Länder einen
Herrscher haben, es gut scheint, daß ihre geographische Lage ihnen keinen andern
Krieg, als höchstens in Luftballons zu führen gestattet, worauf sie, in Betracht
der mangelhaften Entwickelung dieser zwar höchst schäizeuswerthcn, aber un-
sichern Fahrzeuge hoffentlich verzichten werden. Um Deutschland bekümmern sich
die Luxemburger gar nicht, außer daß sie mit mißtrauischer Angst eine Schmäle-
rung ihrer Freiheiten von dort aus befürchte", und leider kaun man sich nicht ver¬
hehlen, daß, wie es gegenwärtig in unsrem Vaterlande aussieht, diese Furcht sehr
gegründet ist "ut die Verbindung mit dem deutschen Bund Luxemburg andere
Vortheile nicht bietet.

Ich lernte diesmal die Luxemburgische Gesellschaft, wenigstens ihrer äußern
Erscheinung nach, auf zwei Bällen kennen, welche zu Ehren deö Prinzen Heinrich
gegeben wurden. Der erste ging von dem Bürgerschützenvercin aus, und sowol
die eigentliche "Kante volee", als die mittleren Bürgerklasseu nahmen daran Theil.
Die Localität und äußere Ausstattung des Festes waren sehr einfach; desto vor-


Grenzbvtcu, I. -IW. K2

Referate der Kammer gleichfalls nur französisch, wobei ich nicht weist, da ich, wie
ich beschämt eingestehe, die Sitzungen der hohen Versammlung nie besucht habe,
ob bei den Debatten nicht auch audere Dialekte gebraucht werden. Die übrigen
Blätter sind gemischt aus französischen und deutschen Artikeln, nicht etwa, wie
z. B. der Lourior ä'^lsircv in Straßburg mit doppeltem Text in beiden
Sprachen, sondern, wahrscheinlich nach Berechnung des Leserkreises für ihre Nach¬
richten und Artikel, die einen deutsch!, die andern französisch. Doch wiegt die
Masse der Letztern vor. Von deutschen Blättern ist an öffentlichen Orten fast
nur die „Kölnische Zeitung" zu finden; dagegen sieht man mehrere Pariser
Blätter und vor Allem die „InÜLponclanLe de-Ig-iz", die den Luxemburger Zu-
ständen eine Aufmerksamkeit widmet, welche beweist, daß die Belgier sie noch immer
wie nur gewaltsam ihnen cntrissue Cvmpatrioten betrachten. In Luxemburg
wird diese Gesinnung völlig erwiedert, und gewiß würde das Großherzogthum,
stände ihm die Wahl frei, mit Acclamation für den Anschluß an Belgien sich
erklären. Nächstdem sind unleugbare Sympathien für Frankreich vorhanden, die
allerdings, wie ich vermuthe, seitdem das Kaiserthum dort die militairische Des¬
potie errichtet hat, bedeutend gewichen sein werden. Für Holland hegt man in
L. keine Neigung, obwol die Dynastie gewiß viel beliebter ist, als das nieder¬
ländische Volk. Es kommt dazu, um das Verhältniß zwischen dem Königreich
und dem Großherzogthum zu trüben, ldaß das Erstere an dieses die Forderung
der Uebernahme von 7 Millionen Gulden der holländischen Staatsschuld stellt,
welches die luxemburgische Kammer, die einem wahren Fanatismus von Spar¬
samkeit huldigt, hartnäckig verweigert. L. macht den Niederlanden eine Gegen-
rcchuuug, wobei es, glaube ich, nicht nnr die 7 Millionen tilgt, sondern auch
noch seinerseits Forderungen herauscalculirt. Die Erbitterung hierüber ist so
groß zwischen den zwei Regierungen, daß, obwol beide Länder einen
Herrscher haben, es gut scheint, daß ihre geographische Lage ihnen keinen andern
Krieg, als höchstens in Luftballons zu führen gestattet, worauf sie, in Betracht
der mangelhaften Entwickelung dieser zwar höchst schäizeuswerthcn, aber un-
sichern Fahrzeuge hoffentlich verzichten werden. Um Deutschland bekümmern sich
die Luxemburger gar nicht, außer daß sie mit mißtrauischer Angst eine Schmäle-
rung ihrer Freiheiten von dort aus befürchte», und leider kaun man sich nicht ver¬
hehlen, daß, wie es gegenwärtig in unsrem Vaterlande aussieht, diese Furcht sehr
gegründet ist »ut die Verbindung mit dem deutschen Bund Luxemburg andere
Vortheile nicht bietet.

Ich lernte diesmal die Luxemburgische Gesellschaft, wenigstens ihrer äußern
Erscheinung nach, auf zwei Bällen kennen, welche zu Ehren deö Prinzen Heinrich
gegeben wurden. Der erste ging von dem Bürgerschützenvercin aus, und sowol
die eigentliche „Kante volee", als die mittleren Bürgerklasseu nahmen daran Theil.
Die Localität und äußere Ausstattung des Festes waren sehr einfach; desto vor-


Grenzbvtcu, I. -IW. K2
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[0417] Referate der Kammer gleichfalls nur französisch, wobei ich nicht weist, da ich, wie ich beschämt eingestehe, die Sitzungen der hohen Versammlung nie besucht habe, ob bei den Debatten nicht auch audere Dialekte gebraucht werden. Die übrigen Blätter sind gemischt aus französischen und deutschen Artikeln, nicht etwa, wie z. B. der Lourior ä'^lsircv in Straßburg mit doppeltem Text in beiden Sprachen, sondern, wahrscheinlich nach Berechnung des Leserkreises für ihre Nach¬ richten und Artikel, die einen deutsch!, die andern französisch. Doch wiegt die Masse der Letztern vor. Von deutschen Blättern ist an öffentlichen Orten fast nur die „Kölnische Zeitung" zu finden; dagegen sieht man mehrere Pariser Blätter und vor Allem die „InÜLponclanLe de-Ig-iz", die den Luxemburger Zu- ständen eine Aufmerksamkeit widmet, welche beweist, daß die Belgier sie noch immer wie nur gewaltsam ihnen cntrissue Cvmpatrioten betrachten. In Luxemburg wird diese Gesinnung völlig erwiedert, und gewiß würde das Großherzogthum, stände ihm die Wahl frei, mit Acclamation für den Anschluß an Belgien sich erklären. Nächstdem sind unleugbare Sympathien für Frankreich vorhanden, die allerdings, wie ich vermuthe, seitdem das Kaiserthum dort die militairische Des¬ potie errichtet hat, bedeutend gewichen sein werden. Für Holland hegt man in L. keine Neigung, obwol die Dynastie gewiß viel beliebter ist, als das nieder¬ ländische Volk. Es kommt dazu, um das Verhältniß zwischen dem Königreich und dem Großherzogthum zu trüben, ldaß das Erstere an dieses die Forderung der Uebernahme von 7 Millionen Gulden der holländischen Staatsschuld stellt, welches die luxemburgische Kammer, die einem wahren Fanatismus von Spar¬ samkeit huldigt, hartnäckig verweigert. L. macht den Niederlanden eine Gegen- rcchuuug, wobei es, glaube ich, nicht nnr die 7 Millionen tilgt, sondern auch noch seinerseits Forderungen herauscalculirt. Die Erbitterung hierüber ist so groß zwischen den zwei Regierungen, daß, obwol beide Länder einen Herrscher haben, es gut scheint, daß ihre geographische Lage ihnen keinen andern Krieg, als höchstens in Luftballons zu führen gestattet, worauf sie, in Betracht der mangelhaften Entwickelung dieser zwar höchst schäizeuswerthcn, aber un- sichern Fahrzeuge hoffentlich verzichten werden. Um Deutschland bekümmern sich die Luxemburger gar nicht, außer daß sie mit mißtrauischer Angst eine Schmäle- rung ihrer Freiheiten von dort aus befürchte», und leider kaun man sich nicht ver¬ hehlen, daß, wie es gegenwärtig in unsrem Vaterlande aussieht, diese Furcht sehr gegründet ist »ut die Verbindung mit dem deutschen Bund Luxemburg andere Vortheile nicht bietet. Ich lernte diesmal die Luxemburgische Gesellschaft, wenigstens ihrer äußern Erscheinung nach, auf zwei Bällen kennen, welche zu Ehren deö Prinzen Heinrich gegeben wurden. Der erste ging von dem Bürgerschützenvercin aus, und sowol die eigentliche „Kante volee", als die mittleren Bürgerklasseu nahmen daran Theil. Die Localität und äußere Ausstattung des Festes waren sehr einfach; desto vor- Grenzbvtcu, I. -IW. K2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/417>, abgerufen am 16.06.2024.