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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band.

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theilhafter jedoch präsentirte sich der vornehme Theil der Damengesellschaft, die
Lnxembnrgerinnen nämlich, denn ohne sonst der Liebenswürdigkeit meiner Lands¬
männinnen zu nahe treten zu wollen, muß ich doch gestehen, daß man in der Regel
an dem Glanz und ausgesuchten Geschmack der Toilette erkennen konnte, daß ihre
Trägerin eine Luxemburgern! und nicht eine Dame der preußischen Officicrkreise war.
Die wohlhabende Damenwelt bezieht hier alle Gegenstände ihrer Garderobe und
ihres Putzes aus Paris und besitzt jene feine Gabe der Französinnen, die ans
diesem Felde den Frauen aller anderen Länder entschieden überlegen sind.

Der Ball begann, sobald der Prinz, mit seinem Gefolge erschien; der Chef
der Regierung, Herr Villmar, führte ihn ein, und gab zugleich mit dem Rufe:
"Vivo 1s xrmce lieutöNÄnl-xLnvi'al 6v sa N^vstö" das Signal zu einem allge¬
mein ausgebrachten Lebehoch, dem das Orchester den Orauienmarsch folgen
ließ. Der Prinz-Statthalter, etwa 30 Jahre alt und von gewinnendem
Aeußern -- namentlich erweckte der milde Ernst seines gedankenvollen Auges un-
willkürlich die Erinnerung an seine großen Vorfahren --- trug das gewöhnliche
schwarze Ballkleid, mit einem Ordenssterne auf der Brust. Sein gesellschaftliches
Benehmen zeigte einige Befangenheit, jedoch tanzte er ziemlich fleißig und vor¬
nehmlich Walzer, deren, als seines Liebliugötanzes, die Tanzordnung auch vor¬
zugsweise viele enthielt. Die Mischung der Gesellschaft war übrigens mehr
scheinbar, als wirklich. Die feinere Damenwelt hielt sich abgeschlossen an einem
Theile des Saales, und wenn auch die Tänzer des ersten Cirkels verschiedentlich
die hübschen Tänzerinnen des zweiten sich aufsuchten, so dürften doch die Tänzer
des letztem schwer von einer Danieder "erewL alö 1-r se>Li(>l6" ein Engagement
erhalte" haben.

Einige Tage darauf gab das preußische Officiercorps in dem Locale seines
Casino dem Prinzen ein Concert nebst Ball, dem diesmal nur die vornehme
Gesellschaft beiwohnte. Der Prinz erschien in der Uniform eines holländischen
Admirals, die ihm ungleich besser stand, als der einfache Civilauzug. Da das
Luxemburgische Contingent in Diekirch und Echternach garnisonirt, so haben auf
den Bällen der Hauptstadt die preußischen Officiere, denen man nicht absprechen
kann, daß sie hier, wie fast durchgängig, sehr gute Tänzer sind, einen unbestrittenen
Vorrang. In dieser Beziehung würden gewiß die Luxemburgeriuueu den Verlust
der preußischen Besatzung sehr bedauern. '

Der Aufenthalt des Prinzen schloß nicht auf befriedigende Weise ab, da die
Kammer, ihrem Sparsamkeitspriucip getreu, die geringe Dotation von 48,000 Franks,
welche die Regierung für ihn forderte, verwarf, worauf der Statthalter ziemlich
verstimmt das Großherzogthum verließ. Diese unter den obschwcbendcn Ver¬
hältnissen keineswegs einsichtsvolle Kuickerci ist jedoch bald darauf reparirt worden.

Die Lebensfrage für Luxemburg ist gegenwärtig der Ban der Eisenbahn,
welche von Namur über Luxemburg und Trier die große belgische Bahn mit der


theilhafter jedoch präsentirte sich der vornehme Theil der Damengesellschaft, die
Lnxembnrgerinnen nämlich, denn ohne sonst der Liebenswürdigkeit meiner Lands¬
männinnen zu nahe treten zu wollen, muß ich doch gestehen, daß man in der Regel
an dem Glanz und ausgesuchten Geschmack der Toilette erkennen konnte, daß ihre
Trägerin eine Luxemburgern! und nicht eine Dame der preußischen Officicrkreise war.
Die wohlhabende Damenwelt bezieht hier alle Gegenstände ihrer Garderobe und
ihres Putzes aus Paris und besitzt jene feine Gabe der Französinnen, die ans
diesem Felde den Frauen aller anderen Länder entschieden überlegen sind.

Der Ball begann, sobald der Prinz, mit seinem Gefolge erschien; der Chef
der Regierung, Herr Villmar, führte ihn ein, und gab zugleich mit dem Rufe:
„Vivo 1s xrmce lieutöNÄnl-xLnvi'al 6v sa N^vstö" das Signal zu einem allge¬
mein ausgebrachten Lebehoch, dem das Orchester den Orauienmarsch folgen
ließ. Der Prinz-Statthalter, etwa 30 Jahre alt und von gewinnendem
Aeußern — namentlich erweckte der milde Ernst seines gedankenvollen Auges un-
willkürlich die Erinnerung an seine großen Vorfahren —- trug das gewöhnliche
schwarze Ballkleid, mit einem Ordenssterne auf der Brust. Sein gesellschaftliches
Benehmen zeigte einige Befangenheit, jedoch tanzte er ziemlich fleißig und vor¬
nehmlich Walzer, deren, als seines Liebliugötanzes, die Tanzordnung auch vor¬
zugsweise viele enthielt. Die Mischung der Gesellschaft war übrigens mehr
scheinbar, als wirklich. Die feinere Damenwelt hielt sich abgeschlossen an einem
Theile des Saales, und wenn auch die Tänzer des ersten Cirkels verschiedentlich
die hübschen Tänzerinnen des zweiten sich aufsuchten, so dürften doch die Tänzer
des letztem schwer von einer Danieder „erewL alö 1-r se>Li(>l6" ein Engagement
erhalte» haben.

Einige Tage darauf gab das preußische Officiercorps in dem Locale seines
Casino dem Prinzen ein Concert nebst Ball, dem diesmal nur die vornehme
Gesellschaft beiwohnte. Der Prinz erschien in der Uniform eines holländischen
Admirals, die ihm ungleich besser stand, als der einfache Civilauzug. Da das
Luxemburgische Contingent in Diekirch und Echternach garnisonirt, so haben auf
den Bällen der Hauptstadt die preußischen Officiere, denen man nicht absprechen
kann, daß sie hier, wie fast durchgängig, sehr gute Tänzer sind, einen unbestrittenen
Vorrang. In dieser Beziehung würden gewiß die Luxemburgeriuueu den Verlust
der preußischen Besatzung sehr bedauern. '

Der Aufenthalt des Prinzen schloß nicht auf befriedigende Weise ab, da die
Kammer, ihrem Sparsamkeitspriucip getreu, die geringe Dotation von 48,000 Franks,
welche die Regierung für ihn forderte, verwarf, worauf der Statthalter ziemlich
verstimmt das Großherzogthum verließ. Diese unter den obschwcbendcn Ver¬
hältnissen keineswegs einsichtsvolle Kuickerci ist jedoch bald darauf reparirt worden.

Die Lebensfrage für Luxemburg ist gegenwärtig der Ban der Eisenbahn,
welche von Namur über Luxemburg und Trier die große belgische Bahn mit der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_185875/418>, abgerufen am 22.05.2024.