Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner dreißig Unkeler, mit seinen dreizehn Zünften, alle in der buntfarbigen,
weitgebufften Tracht des töten Jahrhunderts, die Pfister mit langen Lanzen, die
Schmiede mit Hämmern, die Metzger mit Hackemessern, die Gerber mit Zwei-
händern, die Weber mit Keulen bewaffnet?c> Ein buntes Farbenspiel, zwischen
dem der Mich, der heute eine rvthschwarze Schärpe trug, nicht fehlen durfte.

Diesem Prvlogus folgte als Exposition der Zug der acht alten Orte in der
gleichen Tracht. Jedem "Harste" schritt der Pannerherr mit dem Landespanner
voraus, jeder Harfe war in die Landesfarben gekleidet. Die Krone deö Ganzen
bildeten der Laupenzug und der Zug von Murten. Hier funkelten im Riegel¬
panzer und in glänzenden Wappenröcken die Erlach, die Buberberg, die Hallvyl,
Waldmann, Hertenstein, der Lothariuger Herzog Renatus, der Hauptmann und
der Büchsenmeister der Straßburger, Graf Thiersteiu mit dem Banner Oestreichs:c.;
vorn und hinten erbeutete Rüstungen von Laupen, eroberte Kanonen aus der
Murtnerschlacht, Wagen mit Panzern, Morgensternen, Hellebarden und -den Stricken,
an denen Herzog Karl von Burgund die gefangenen Eidgenossen aufhängen wollte,
Karl des Kühnen Zelt ans prächtigen Gobelintcppichen. Knaben aus den ersten
Familien Beruf trugen auf lauge" Stangen die eroberten Prachtgewänder des
Burgunder Herzogs und schwenkten, vor Karls erbeuteten Zelte sitzend, burgun-
dische Fahnen. Zwischen den Heerführern marschirten die damaligen Bundes¬
genossen der Berner, mit Flammbergen, Morgensternen, Hackenbüchsen, Arm¬
brüsten ze. bewaffnet. Der schönste Moment des Zuges war, als er um die
Statue Erlachs auf dem Münsterplatze hernmbog, als schmetternde Fanfaren der
Reisigen das Standbild begrüßten, der Herold seinen Stab senkte, "ut alle die
hundert Fahnen grüßend geschwenkt wurde". Es war ein Moment von über¬
wältigenden Eindruck, der manchem alten Berner, der sonst sich nicht "meer die
Weichherzigen zählt, das Wasser in die Augen trieb.

Der Zug als künstlerisches Ganzes und inbezng ans die historische Treue
der Costüme !c. war untadelhaft, und der Anordner des Ganzen, Dr. Harz, ver¬
diente wohl den jubelnden Beifall der versammelte" Menge, als Bundesrath Fnrrer
Abends in der Festhütte in einem Trinksprüche seiner gedachte. Von der "Pracht
des Zuges mag man sich einen Begriff machen, wen" ma" weiß, daß einzelne
Costüme, wie das des Herzogs von Lothringen, seinen Träger ans 3000 Franken
zu stehen kam. Für die zeitgetrene Ausrüstung der 600 Mann und 200 Pferde
des Zugs hatten die Zeughäuser vo" Zürich, Bern, Lnzer" und Solothurn ihre
Schätze von alten Waffen hergegeben.

In der Festhütte herrschte an diesem Abende ein heiterer Ton; die Gemüther
waren gehoben, u"d die alten Schweizerhelden, die La"ze"k"echte, Herolde, Perse-
vanten "ut Baimertmger saßen gemüthlich neben ihren Damen bei feurigem
Waadtländer; der Zinkenbläser entschädigte sich sür das lange Fasten und ver¬
dampfte ruhig die laug entbehrte Cigarre unter seiner blechernen Sturmhaube


seiner dreißig Unkeler, mit seinen dreizehn Zünften, alle in der buntfarbigen,
weitgebufften Tracht des töten Jahrhunderts, die Pfister mit langen Lanzen, die
Schmiede mit Hämmern, die Metzger mit Hackemessern, die Gerber mit Zwei-
händern, die Weber mit Keulen bewaffnet?c> Ein buntes Farbenspiel, zwischen
dem der Mich, der heute eine rvthschwarze Schärpe trug, nicht fehlen durfte.

Diesem Prvlogus folgte als Exposition der Zug der acht alten Orte in der
gleichen Tracht. Jedem „Harste" schritt der Pannerherr mit dem Landespanner
voraus, jeder Harfe war in die Landesfarben gekleidet. Die Krone deö Ganzen
bildeten der Laupenzug und der Zug von Murten. Hier funkelten im Riegel¬
panzer und in glänzenden Wappenröcken die Erlach, die Buberberg, die Hallvyl,
Waldmann, Hertenstein, der Lothariuger Herzog Renatus, der Hauptmann und
der Büchsenmeister der Straßburger, Graf Thiersteiu mit dem Banner Oestreichs:c.;
vorn und hinten erbeutete Rüstungen von Laupen, eroberte Kanonen aus der
Murtnerschlacht, Wagen mit Panzern, Morgensternen, Hellebarden und -den Stricken,
an denen Herzog Karl von Burgund die gefangenen Eidgenossen aufhängen wollte,
Karl des Kühnen Zelt ans prächtigen Gobelintcppichen. Knaben aus den ersten
Familien Beruf trugen auf lauge» Stangen die eroberten Prachtgewänder des
Burgunder Herzogs und schwenkten, vor Karls erbeuteten Zelte sitzend, burgun-
dische Fahnen. Zwischen den Heerführern marschirten die damaligen Bundes¬
genossen der Berner, mit Flammbergen, Morgensternen, Hackenbüchsen, Arm¬
brüsten ze. bewaffnet. Der schönste Moment des Zuges war, als er um die
Statue Erlachs auf dem Münsterplatze hernmbog, als schmetternde Fanfaren der
Reisigen das Standbild begrüßten, der Herold seinen Stab senkte, »ut alle die
hundert Fahnen grüßend geschwenkt wurde». Es war ein Moment von über¬
wältigenden Eindruck, der manchem alten Berner, der sonst sich nicht »meer die
Weichherzigen zählt, das Wasser in die Augen trieb.

Der Zug als künstlerisches Ganzes und inbezng ans die historische Treue
der Costüme !c. war untadelhaft, und der Anordner des Ganzen, Dr. Harz, ver¬
diente wohl den jubelnden Beifall der versammelte» Menge, als Bundesrath Fnrrer
Abends in der Festhütte in einem Trinksprüche seiner gedachte. Von der "Pracht
des Zuges mag man sich einen Begriff machen, wen» ma» weiß, daß einzelne
Costüme, wie das des Herzogs von Lothringen, seinen Träger ans 3000 Franken
zu stehen kam. Für die zeitgetrene Ausrüstung der 600 Mann und 200 Pferde
des Zugs hatten die Zeughäuser vo» Zürich, Bern, Lnzer» und Solothurn ihre
Schätze von alten Waffen hergegeben.

In der Festhütte herrschte an diesem Abende ein heiterer Ton; die Gemüther
waren gehoben, u»d die alten Schweizerhelden, die La»ze»k»echte, Herolde, Perse-
vanten »ut Baimertmger saßen gemüthlich neben ihren Damen bei feurigem
Waadtländer; der Zinkenbläser entschädigte sich sür das lange Fasten und ver¬
dampfte ruhig die laug entbehrte Cigarre unter seiner blechernen Sturmhaube


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0173" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96348"/>
          <p xml:id="ID_558" prev="#ID_557"> seiner dreißig Unkeler, mit seinen dreizehn Zünften, alle in der buntfarbigen,<lb/>
weitgebufften Tracht des töten Jahrhunderts, die Pfister mit langen Lanzen, die<lb/>
Schmiede mit Hämmern, die Metzger mit Hackemessern, die Gerber mit Zwei-<lb/>
händern, die Weber mit Keulen bewaffnet?c&gt; Ein buntes Farbenspiel, zwischen<lb/>
dem der Mich, der heute eine rvthschwarze Schärpe trug, nicht fehlen durfte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_559"> Diesem Prvlogus folgte als Exposition der Zug der acht alten Orte in der<lb/>
gleichen Tracht. Jedem &#x201E;Harste" schritt der Pannerherr mit dem Landespanner<lb/>
voraus, jeder Harfe war in die Landesfarben gekleidet. Die Krone deö Ganzen<lb/>
bildeten der Laupenzug und der Zug von Murten. Hier funkelten im Riegel¬<lb/>
panzer und in glänzenden Wappenröcken die Erlach, die Buberberg, die Hallvyl,<lb/>
Waldmann, Hertenstein, der Lothariuger Herzog Renatus, der Hauptmann und<lb/>
der Büchsenmeister der Straßburger, Graf Thiersteiu mit dem Banner Oestreichs:c.;<lb/>
vorn und hinten erbeutete Rüstungen von Laupen, eroberte Kanonen aus der<lb/>
Murtnerschlacht, Wagen mit Panzern, Morgensternen, Hellebarden und -den Stricken,<lb/>
an denen Herzog Karl von Burgund die gefangenen Eidgenossen aufhängen wollte,<lb/>
Karl des Kühnen Zelt ans prächtigen Gobelintcppichen. Knaben aus den ersten<lb/>
Familien Beruf trugen auf lauge» Stangen die eroberten Prachtgewänder des<lb/>
Burgunder Herzogs und schwenkten, vor Karls erbeuteten Zelte sitzend, burgun-<lb/>
dische Fahnen. Zwischen den Heerführern marschirten die damaligen Bundes¬<lb/>
genossen der Berner, mit Flammbergen, Morgensternen, Hackenbüchsen, Arm¬<lb/>
brüsten ze. bewaffnet. Der schönste Moment des Zuges war, als er um die<lb/>
Statue Erlachs auf dem Münsterplatze hernmbog, als schmetternde Fanfaren der<lb/>
Reisigen das Standbild begrüßten, der Herold seinen Stab senkte, »ut alle die<lb/>
hundert Fahnen grüßend geschwenkt wurde». Es war ein Moment von über¬<lb/>
wältigenden Eindruck, der manchem alten Berner, der sonst sich nicht »meer die<lb/>
Weichherzigen zählt, das Wasser in die Augen trieb.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_560"> Der Zug als künstlerisches Ganzes und inbezng ans die historische Treue<lb/>
der Costüme !c. war untadelhaft, und der Anordner des Ganzen, Dr. Harz, ver¬<lb/>
diente wohl den jubelnden Beifall der versammelte» Menge, als Bundesrath Fnrrer<lb/>
Abends in der Festhütte in einem Trinksprüche seiner gedachte. Von der "Pracht<lb/>
des Zuges mag man sich einen Begriff machen, wen» ma» weiß, daß einzelne<lb/>
Costüme, wie das des Herzogs von Lothringen, seinen Träger ans 3000 Franken<lb/>
zu stehen kam. Für die zeitgetrene Ausrüstung der 600 Mann und 200 Pferde<lb/>
des Zugs hatten die Zeughäuser vo» Zürich, Bern, Lnzer» und Solothurn ihre<lb/>
Schätze von alten Waffen hergegeben.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_561" next="#ID_562"> In der Festhütte herrschte an diesem Abende ein heiterer Ton; die Gemüther<lb/>
waren gehoben, u»d die alten Schweizerhelden, die La»ze»k»echte, Herolde, Perse-<lb/>
vanten »ut Baimertmger saßen gemüthlich neben ihren Damen bei feurigem<lb/>
Waadtländer; der Zinkenbläser entschädigte sich sür das lange Fasten und ver¬<lb/>
dampfte ruhig die laug entbehrte Cigarre unter seiner blechernen Sturmhaube</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0173] seiner dreißig Unkeler, mit seinen dreizehn Zünften, alle in der buntfarbigen, weitgebufften Tracht des töten Jahrhunderts, die Pfister mit langen Lanzen, die Schmiede mit Hämmern, die Metzger mit Hackemessern, die Gerber mit Zwei- händern, die Weber mit Keulen bewaffnet?c> Ein buntes Farbenspiel, zwischen dem der Mich, der heute eine rvthschwarze Schärpe trug, nicht fehlen durfte. Diesem Prvlogus folgte als Exposition der Zug der acht alten Orte in der gleichen Tracht. Jedem „Harste" schritt der Pannerherr mit dem Landespanner voraus, jeder Harfe war in die Landesfarben gekleidet. Die Krone deö Ganzen bildeten der Laupenzug und der Zug von Murten. Hier funkelten im Riegel¬ panzer und in glänzenden Wappenröcken die Erlach, die Buberberg, die Hallvyl, Waldmann, Hertenstein, der Lothariuger Herzog Renatus, der Hauptmann und der Büchsenmeister der Straßburger, Graf Thiersteiu mit dem Banner Oestreichs:c.; vorn und hinten erbeutete Rüstungen von Laupen, eroberte Kanonen aus der Murtnerschlacht, Wagen mit Panzern, Morgensternen, Hellebarden und -den Stricken, an denen Herzog Karl von Burgund die gefangenen Eidgenossen aufhängen wollte, Karl des Kühnen Zelt ans prächtigen Gobelintcppichen. Knaben aus den ersten Familien Beruf trugen auf lauge» Stangen die eroberten Prachtgewänder des Burgunder Herzogs und schwenkten, vor Karls erbeuteten Zelte sitzend, burgun- dische Fahnen. Zwischen den Heerführern marschirten die damaligen Bundes¬ genossen der Berner, mit Flammbergen, Morgensternen, Hackenbüchsen, Arm¬ brüsten ze. bewaffnet. Der schönste Moment des Zuges war, als er um die Statue Erlachs auf dem Münsterplatze hernmbog, als schmetternde Fanfaren der Reisigen das Standbild begrüßten, der Herold seinen Stab senkte, »ut alle die hundert Fahnen grüßend geschwenkt wurde». Es war ein Moment von über¬ wältigenden Eindruck, der manchem alten Berner, der sonst sich nicht »meer die Weichherzigen zählt, das Wasser in die Augen trieb. Der Zug als künstlerisches Ganzes und inbezng ans die historische Treue der Costüme !c. war untadelhaft, und der Anordner des Ganzen, Dr. Harz, ver¬ diente wohl den jubelnden Beifall der versammelte» Menge, als Bundesrath Fnrrer Abends in der Festhütte in einem Trinksprüche seiner gedachte. Von der "Pracht des Zuges mag man sich einen Begriff machen, wen» ma» weiß, daß einzelne Costüme, wie das des Herzogs von Lothringen, seinen Träger ans 3000 Franken zu stehen kam. Für die zeitgetrene Ausrüstung der 600 Mann und 200 Pferde des Zugs hatten die Zeughäuser vo» Zürich, Bern, Lnzer» und Solothurn ihre Schätze von alten Waffen hergegeben. In der Festhütte herrschte an diesem Abende ein heiterer Ton; die Gemüther waren gehoben, u»d die alten Schweizerhelden, die La»ze»k»echte, Herolde, Perse- vanten »ut Baimertmger saßen gemüthlich neben ihren Damen bei feurigem Waadtländer; der Zinkenbläser entschädigte sich sür das lange Fasten und ver¬ dampfte ruhig die laug entbehrte Cigarre unter seiner blechernen Sturmhaube

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/173
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/173>, abgerufen am 17.06.2024.