Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Präsident beginnt jetzt mit dem Verhör des Angeklagten selbst, der,
wie man sehen wird, sich keineswegs mit prinzlicher Würde dabei benimmt. Zu¬
erst handelt es sich um die Angabe, daß er in Dresden geboren sei, wovon die
dortigen Behörden nichts zu wissen erklärt haben. Der Präsident fragt: "wo
sind Ihre Beweise, Ihre Papiere? A. Sie sind mir durch Oestreich gestohlen
worden. P. Sie konnten Duplicate davon fordern. A. "Im Gefängniß (der
Angeklagte befindet sich seit etwa 12 Monaten darin), sind mir die Hände gebun¬
den." Dann wird der "Prinz" über seinen Vater befragt, der nach seiner An¬
gabe einmal General in der russischen Armee, was der russische Gesandte verneint,
dann in der polnischen, was die betreffenden Zeugen bestreiten, und endlich in
der französischen bei dem Corps des Marschalls Suchet in Spanien gewesen sein
soll, was der französische Kriegsminister für unwahr erklärt. Der Präsident: Der
Kriegsminister sagt Ihnen, daß es niemals einen General Gonzaga gegeben hat. Also
wiederum eine Lüge. A. Alsdann lügt der General Trczel. P. Unglücklicherweise kann
er nicht herkommen. Aber die Archive des Kriegsministeriums sind genauer, als
die Erinnerungen des General Trezcl, der sich täuschen kann. A. Ein franzö¬
sischer General täuscht sich nicht. Später sagt der Präsident: Sie haben nicht
immer den Namen Gonzaga getragen. A. Ich habe den Namen Murzynowski
angenommen, wie Louis Philipp als er nach England kam, den Namen Smith.
P. Das ist eine unpassende Vergleichung. Es gibt keine Aehnlichkeit zwischen
einem Könige und einem Manne auf der Bank der Angeklagten, noch dazu als
Schwindler angeklagt.... Das Verhör geht nnn weiter über des Angeklagten
angebliche Dienste, 1812 im ö. Regimente der Weichsel, das, wie der Präsident
sagt, gar nicht existirt hat, worauf jener trotzig antwortet: Sie mögen mir nun
glauben oder nicht glaube", was ihm die Rüge zuzieht, er möge nicht die Rollen
auszutauschen versuchen. Seine ferneren angeblichen Kriegsdienste in Polen und
in der Türkei werden durchgegangen, seine Behauptung, Ritter der Ehrenlegion
zu sein, die der Angeklagte nicht zu tragen erklärt, weil er, wie viele andere,
nicht auf den Listen eingeschrieben sei. P. Wo sind Sie erzogen? A. In Wilna.
P. Aber später. A. In Krakau. P. Sind Sie nicht in Brozniko durch die
Jesuiten erzogen? Sind Sie nicht ein Bedienter, Namens Mrbutz? A. ?i
Äone. P. Woher kommt diese Bemerkung auf dem Register der polnischen
Flüchtlinge? A. Weiß ich es etwa? Endlich, sagt! der Präsident im weiteren
Verlauf, verheirathet sich der angebliche Prinz Gonzaga, und mit wem, mit der
Tochter eines Weinhändlers, der Witwe eines Hausmeisters, und im Contract
nahmen Sie nicht den Titel Prinz an. A. Ich war nicht reich genug dazu.
Der Präsident geht jetzt seine schimpfliche Scheidung von dieser Frau gegen
1000 Gulden Ersatz und seine andern wenig ehrenvollen Abenteuer durch. In
Wien sind Sie, Dank Ihrem falschen Prinzentitel, im Begriff eine Heirath zu
machen, aber die Polizei verjagt Sie. A. Verjagt mich! Nach Berührung der


28"

Der Präsident beginnt jetzt mit dem Verhör des Angeklagten selbst, der,
wie man sehen wird, sich keineswegs mit prinzlicher Würde dabei benimmt. Zu¬
erst handelt es sich um die Angabe, daß er in Dresden geboren sei, wovon die
dortigen Behörden nichts zu wissen erklärt haben. Der Präsident fragt: „wo
sind Ihre Beweise, Ihre Papiere? A. Sie sind mir durch Oestreich gestohlen
worden. P. Sie konnten Duplicate davon fordern. A. „Im Gefängniß (der
Angeklagte befindet sich seit etwa 12 Monaten darin), sind mir die Hände gebun¬
den." Dann wird der „Prinz" über seinen Vater befragt, der nach seiner An¬
gabe einmal General in der russischen Armee, was der russische Gesandte verneint,
dann in der polnischen, was die betreffenden Zeugen bestreiten, und endlich in
der französischen bei dem Corps des Marschalls Suchet in Spanien gewesen sein
soll, was der französische Kriegsminister für unwahr erklärt. Der Präsident: Der
Kriegsminister sagt Ihnen, daß es niemals einen General Gonzaga gegeben hat. Also
wiederum eine Lüge. A. Alsdann lügt der General Trczel. P. Unglücklicherweise kann
er nicht herkommen. Aber die Archive des Kriegsministeriums sind genauer, als
die Erinnerungen des General Trezcl, der sich täuschen kann. A. Ein franzö¬
sischer General täuscht sich nicht. Später sagt der Präsident: Sie haben nicht
immer den Namen Gonzaga getragen. A. Ich habe den Namen Murzynowski
angenommen, wie Louis Philipp als er nach England kam, den Namen Smith.
P. Das ist eine unpassende Vergleichung. Es gibt keine Aehnlichkeit zwischen
einem Könige und einem Manne auf der Bank der Angeklagten, noch dazu als
Schwindler angeklagt.... Das Verhör geht nnn weiter über des Angeklagten
angebliche Dienste, 1812 im ö. Regimente der Weichsel, das, wie der Präsident
sagt, gar nicht existirt hat, worauf jener trotzig antwortet: Sie mögen mir nun
glauben oder nicht glaube», was ihm die Rüge zuzieht, er möge nicht die Rollen
auszutauschen versuchen. Seine ferneren angeblichen Kriegsdienste in Polen und
in der Türkei werden durchgegangen, seine Behauptung, Ritter der Ehrenlegion
zu sein, die der Angeklagte nicht zu tragen erklärt, weil er, wie viele andere,
nicht auf den Listen eingeschrieben sei. P. Wo sind Sie erzogen? A. In Wilna.
P. Aber später. A. In Krakau. P. Sind Sie nicht in Brozniko durch die
Jesuiten erzogen? Sind Sie nicht ein Bedienter, Namens Mrbutz? A. ?i
Äone. P. Woher kommt diese Bemerkung auf dem Register der polnischen
Flüchtlinge? A. Weiß ich es etwa? Endlich, sagt! der Präsident im weiteren
Verlauf, verheirathet sich der angebliche Prinz Gonzaga, und mit wem, mit der
Tochter eines Weinhändlers, der Witwe eines Hausmeisters, und im Contract
nahmen Sie nicht den Titel Prinz an. A. Ich war nicht reich genug dazu.
Der Präsident geht jetzt seine schimpfliche Scheidung von dieser Frau gegen
1000 Gulden Ersatz und seine andern wenig ehrenvollen Abenteuer durch. In
Wien sind Sie, Dank Ihrem falschen Prinzentitel, im Begriff eine Heirath zu
machen, aber die Polizei verjagt Sie. A. Verjagt mich! Nach Berührung der


28"
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0227" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/96402"/>
          <p xml:id="ID_726" next="#ID_727"> Der Präsident beginnt jetzt mit dem Verhör des Angeklagten selbst, der,<lb/>
wie man sehen wird, sich keineswegs mit prinzlicher Würde dabei benimmt. Zu¬<lb/>
erst handelt es sich um die Angabe, daß er in Dresden geboren sei, wovon die<lb/>
dortigen Behörden nichts zu wissen erklärt haben. Der Präsident fragt: &#x201E;wo<lb/>
sind Ihre Beweise, Ihre Papiere? A. Sie sind mir durch Oestreich gestohlen<lb/>
worden. P. Sie konnten Duplicate davon fordern. A. &#x201E;Im Gefängniß (der<lb/>
Angeklagte befindet sich seit etwa 12 Monaten darin), sind mir die Hände gebun¬<lb/>
den." Dann wird der &#x201E;Prinz" über seinen Vater befragt, der nach seiner An¬<lb/>
gabe einmal General in der russischen Armee, was der russische Gesandte verneint,<lb/>
dann in der polnischen, was die betreffenden Zeugen bestreiten, und endlich in<lb/>
der französischen bei dem Corps des Marschalls Suchet in Spanien gewesen sein<lb/>
soll, was der französische Kriegsminister für unwahr erklärt. Der Präsident: Der<lb/>
Kriegsminister sagt Ihnen, daß es niemals einen General Gonzaga gegeben hat. Also<lb/>
wiederum eine Lüge. A. Alsdann lügt der General Trczel. P. Unglücklicherweise kann<lb/>
er nicht herkommen. Aber die Archive des Kriegsministeriums sind genauer, als<lb/>
die Erinnerungen des General Trezcl, der sich täuschen kann. A. Ein franzö¬<lb/>
sischer General täuscht sich nicht. Später sagt der Präsident: Sie haben nicht<lb/>
immer den Namen Gonzaga getragen. A. Ich habe den Namen Murzynowski<lb/>
angenommen, wie Louis Philipp als er nach England kam, den Namen Smith.<lb/>
P. Das ist eine unpassende Vergleichung. Es gibt keine Aehnlichkeit zwischen<lb/>
einem Könige und einem Manne auf der Bank der Angeklagten, noch dazu als<lb/>
Schwindler angeklagt.... Das Verhör geht nnn weiter über des Angeklagten<lb/>
angebliche Dienste, 1812 im ö. Regimente der Weichsel, das, wie der Präsident<lb/>
sagt, gar nicht existirt hat, worauf jener trotzig antwortet: Sie mögen mir nun<lb/>
glauben oder nicht glaube», was ihm die Rüge zuzieht, er möge nicht die Rollen<lb/>
auszutauschen versuchen. Seine ferneren angeblichen Kriegsdienste in Polen und<lb/>
in der Türkei werden durchgegangen, seine Behauptung, Ritter der Ehrenlegion<lb/>
zu sein, die der Angeklagte nicht zu tragen erklärt, weil er, wie viele andere,<lb/>
nicht auf den Listen eingeschrieben sei. P. Wo sind Sie erzogen? A. In Wilna.<lb/>
P. Aber später. A. In Krakau. P. Sind Sie nicht in Brozniko durch die<lb/>
Jesuiten erzogen? Sind Sie nicht ein Bedienter, Namens Mrbutz? A. ?i<lb/>
Äone. P. Woher kommt diese Bemerkung auf dem Register der polnischen<lb/>
Flüchtlinge? A. Weiß ich es etwa? Endlich, sagt! der Präsident im weiteren<lb/>
Verlauf, verheirathet sich der angebliche Prinz Gonzaga, und mit wem, mit der<lb/>
Tochter eines Weinhändlers, der Witwe eines Hausmeisters, und im Contract<lb/>
nahmen Sie nicht den Titel Prinz an. A. Ich war nicht reich genug dazu.<lb/>
Der Präsident geht jetzt seine schimpfliche Scheidung von dieser Frau gegen<lb/>
1000 Gulden Ersatz und seine andern wenig ehrenvollen Abenteuer durch. In<lb/>
Wien sind Sie, Dank Ihrem falschen Prinzentitel, im Begriff eine Heirath zu<lb/>
machen, aber die Polizei verjagt Sie. A. Verjagt mich! Nach Berührung der</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 28"</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0227] Der Präsident beginnt jetzt mit dem Verhör des Angeklagten selbst, der, wie man sehen wird, sich keineswegs mit prinzlicher Würde dabei benimmt. Zu¬ erst handelt es sich um die Angabe, daß er in Dresden geboren sei, wovon die dortigen Behörden nichts zu wissen erklärt haben. Der Präsident fragt: „wo sind Ihre Beweise, Ihre Papiere? A. Sie sind mir durch Oestreich gestohlen worden. P. Sie konnten Duplicate davon fordern. A. „Im Gefängniß (der Angeklagte befindet sich seit etwa 12 Monaten darin), sind mir die Hände gebun¬ den." Dann wird der „Prinz" über seinen Vater befragt, der nach seiner An¬ gabe einmal General in der russischen Armee, was der russische Gesandte verneint, dann in der polnischen, was die betreffenden Zeugen bestreiten, und endlich in der französischen bei dem Corps des Marschalls Suchet in Spanien gewesen sein soll, was der französische Kriegsminister für unwahr erklärt. Der Präsident: Der Kriegsminister sagt Ihnen, daß es niemals einen General Gonzaga gegeben hat. Also wiederum eine Lüge. A. Alsdann lügt der General Trczel. P. Unglücklicherweise kann er nicht herkommen. Aber die Archive des Kriegsministeriums sind genauer, als die Erinnerungen des General Trezcl, der sich täuschen kann. A. Ein franzö¬ sischer General täuscht sich nicht. Später sagt der Präsident: Sie haben nicht immer den Namen Gonzaga getragen. A. Ich habe den Namen Murzynowski angenommen, wie Louis Philipp als er nach England kam, den Namen Smith. P. Das ist eine unpassende Vergleichung. Es gibt keine Aehnlichkeit zwischen einem Könige und einem Manne auf der Bank der Angeklagten, noch dazu als Schwindler angeklagt.... Das Verhör geht nnn weiter über des Angeklagten angebliche Dienste, 1812 im ö. Regimente der Weichsel, das, wie der Präsident sagt, gar nicht existirt hat, worauf jener trotzig antwortet: Sie mögen mir nun glauben oder nicht glaube», was ihm die Rüge zuzieht, er möge nicht die Rollen auszutauschen versuchen. Seine ferneren angeblichen Kriegsdienste in Polen und in der Türkei werden durchgegangen, seine Behauptung, Ritter der Ehrenlegion zu sein, die der Angeklagte nicht zu tragen erklärt, weil er, wie viele andere, nicht auf den Listen eingeschrieben sei. P. Wo sind Sie erzogen? A. In Wilna. P. Aber später. A. In Krakau. P. Sind Sie nicht in Brozniko durch die Jesuiten erzogen? Sind Sie nicht ein Bedienter, Namens Mrbutz? A. ?i Äone. P. Woher kommt diese Bemerkung auf dem Register der polnischen Flüchtlinge? A. Weiß ich es etwa? Endlich, sagt! der Präsident im weiteren Verlauf, verheirathet sich der angebliche Prinz Gonzaga, und mit wem, mit der Tochter eines Weinhändlers, der Witwe eines Hausmeisters, und im Contract nahmen Sie nicht den Titel Prinz an. A. Ich war nicht reich genug dazu. Der Präsident geht jetzt seine schimpfliche Scheidung von dieser Frau gegen 1000 Gulden Ersatz und seine andern wenig ehrenvollen Abenteuer durch. In Wien sind Sie, Dank Ihrem falschen Prinzentitel, im Begriff eine Heirath zu machen, aber die Polizei verjagt Sie. A. Verjagt mich! Nach Berührung der 28"

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/227
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/227>, abgerufen am 10.06.2024.