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Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band.

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Der Weg nach Indien durch das Euphratthal
. i. .

Die Versuche der Engländer, eine directe Verbindungslinie mit ihren in¬
dischen Besitzungen herzustellen, ziehen die Aufmerksamkeit in immer höherem Grade
auf sich. Bekanntlich commnnicirte Großbritannien vor dem Jahre 18i0 mit Ost¬
indien nur auf dem Seewege um das Cap der guten Hoffnung. Die Reise
dauerte durchschnittlich 100 Tage. Damals wurde zuerst die Verbindung durch,
die Landenge von Suez hergestellt. Man segelte beim Cap Se. Vincent vorüber,
durch die Meerenge vou Gibraltar in das mittMudische Meer, und so ging es
weiter über die ägyptisch-arabische Landenge, durch das rothe Meer um die
Südspitze von Arabien herum in den indischen Ocean nach Bombay oder bei
Ceylon vorüber nach Kalkutta. Kurz darauf wurde der Umweg um die
pyrenäische Halbinsel durch die directe Verbindung zu Lande zwischen Calais
und Marseille beseitigt. Die neuesten Versuche, die Uebcrlandspost auf dem
uoch directerer Wege über Trieft zu führen, sind in frischer Erinnerung.

Alle diese Veränderungen der jüdischen Route konnten zwar für England von
großer Wichtigkeit sein, ein allgemeines europäisches Interesse knüpfte sich indeß
an dieselben nicht, weder ein Interesse des Handels, noch der Civilisation. Die
Handelsverbindungen zwischen Asien nud Europa konnten dadurch uicht wesentlich
erweitert werden, solange die Waaren durch Lastthiere ans dem beschwerlichsten
Wege über die Landenge vou Suez geschafft werden mußten. Die Richtung des
Welthandels wurde demnach auch nicht im mindesten verändert, der Waarenzug
zwischen Jndien und Europa bewegte sich nach wie vor auf dem weiten Wege
um das Cap. Die Civilisation konnte nichts gewinnen, da keine neuen, bisher
von der Strömung des Handelsverkehrs abgelegnen Gegenden durchschnitten
wurden. Die Landenge vou Suez und idie Küste des rothen Meeres waren keine
Loyalitäten, ans welchen d>e neue Verkehrslinie zahlreiche Bevölkerungen ansam¬
meln und ein neues Cult'iUeben eröffnen konnte. Ein Einfluß auf deu Zug des'


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Der Weg nach Indien durch das Euphratthal
. i. .

Die Versuche der Engländer, eine directe Verbindungslinie mit ihren in¬
dischen Besitzungen herzustellen, ziehen die Aufmerksamkeit in immer höherem Grade
auf sich. Bekanntlich commnnicirte Großbritannien vor dem Jahre 18i0 mit Ost¬
indien nur auf dem Seewege um das Cap der guten Hoffnung. Die Reise
dauerte durchschnittlich 100 Tage. Damals wurde zuerst die Verbindung durch,
die Landenge von Suez hergestellt. Man segelte beim Cap Se. Vincent vorüber,
durch die Meerenge vou Gibraltar in das mittMudische Meer, und so ging es
weiter über die ägyptisch-arabische Landenge, durch das rothe Meer um die
Südspitze von Arabien herum in den indischen Ocean nach Bombay oder bei
Ceylon vorüber nach Kalkutta. Kurz darauf wurde der Umweg um die
pyrenäische Halbinsel durch die directe Verbindung zu Lande zwischen Calais
und Marseille beseitigt. Die neuesten Versuche, die Uebcrlandspost auf dem
uoch directerer Wege über Trieft zu führen, sind in frischer Erinnerung.

Alle diese Veränderungen der jüdischen Route konnten zwar für England von
großer Wichtigkeit sein, ein allgemeines europäisches Interesse knüpfte sich indeß
an dieselben nicht, weder ein Interesse des Handels, noch der Civilisation. Die
Handelsverbindungen zwischen Asien nud Europa konnten dadurch uicht wesentlich
erweitert werden, solange die Waaren durch Lastthiere ans dem beschwerlichsten
Wege über die Landenge vou Suez geschafft werden mußten. Die Richtung des
Welthandels wurde demnach auch nicht im mindesten verändert, der Waarenzug
zwischen Jndien und Europa bewegte sich nach wie vor auf dem weiten Wege
um das Cap. Die Civilisation konnte nichts gewinnen, da keine neuen, bisher
von der Strömung des Handelsverkehrs abgelegnen Gegenden durchschnitten
wurden. Die Landenge vou Suez und idie Küste des rothen Meeres waren keine
Loyalitäten, ans welchen d>e neue Verkehrslinie zahlreiche Bevölkerungen ansam¬
meln und ein neues Cult'iUeben eröffnen konnte. Ein Einfluß auf deu Zug des'


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[0089] Der Weg nach Indien durch das Euphratthal . i. . Die Versuche der Engländer, eine directe Verbindungslinie mit ihren in¬ dischen Besitzungen herzustellen, ziehen die Aufmerksamkeit in immer höherem Grade auf sich. Bekanntlich commnnicirte Großbritannien vor dem Jahre 18i0 mit Ost¬ indien nur auf dem Seewege um das Cap der guten Hoffnung. Die Reise dauerte durchschnittlich 100 Tage. Damals wurde zuerst die Verbindung durch, die Landenge von Suez hergestellt. Man segelte beim Cap Se. Vincent vorüber, durch die Meerenge vou Gibraltar in das mittMudische Meer, und so ging es weiter über die ägyptisch-arabische Landenge, durch das rothe Meer um die Südspitze von Arabien herum in den indischen Ocean nach Bombay oder bei Ceylon vorüber nach Kalkutta. Kurz darauf wurde der Umweg um die pyrenäische Halbinsel durch die directe Verbindung zu Lande zwischen Calais und Marseille beseitigt. Die neuesten Versuche, die Uebcrlandspost auf dem uoch directerer Wege über Trieft zu führen, sind in frischer Erinnerung. Alle diese Veränderungen der jüdischen Route konnten zwar für England von großer Wichtigkeit sein, ein allgemeines europäisches Interesse knüpfte sich indeß an dieselben nicht, weder ein Interesse des Handels, noch der Civilisation. Die Handelsverbindungen zwischen Asien nud Europa konnten dadurch uicht wesentlich erweitert werden, solange die Waaren durch Lastthiere ans dem beschwerlichsten Wege über die Landenge vou Suez geschafft werden mußten. Die Richtung des Welthandels wurde demnach auch nicht im mindesten verändert, der Waarenzug zwischen Jndien und Europa bewegte sich nach wie vor auf dem weiten Wege um das Cap. Die Civilisation konnte nichts gewinnen, da keine neuen, bisher von der Strömung des Handelsverkehrs abgelegnen Gegenden durchschnitten wurden. Die Landenge vou Suez und idie Küste des rothen Meeres waren keine Loyalitäten, ans welchen d>e neue Verkehrslinie zahlreiche Bevölkerungen ansam¬ meln und ein neues Cult'iUeben eröffnen konnte. Ein Einfluß auf deu Zug des' Grenzboten. UI. i8ö3. 1-1

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 12, 1853, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341576_96174/89>, abgerufen am 17.06.2024.