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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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öffentliche Meinung endlich dem Kaiser recht geben müsse. Jetzt ist unsre da¬
malige Voraussagung zur Wahrheit geworden, die Spottgedichte auf eine un¬
schuldige Person haben aufgehört und man spricht von der Kaiserin gar nicht
mehr, und das ist das größte Lob, das man einer Frau nachsagen kann.
Selbst die politischen Gegner Louis Napoleons fühlen es endlich, daß es
grausam und von schlechtem Geschmacke zugleich sei, ihren Spott gegen eine
Frau zu wenden. Man muß ihr auch den Takt zusprechen, daß sie sich bisher
'N die politischen Angelegenheiten gar nicht gemengt, wenigstens nicht auf
ostensible Weise, und daß sie ihren Einfluß, soviel bekannt geworden ist, blos im
Interesse einer Amnestie für die Erilirten geltendzumachen versucht hatte.
Da bekannt ist, daß Louis Napoleon mit unverkennbarer Leidenschaft seiner
schönen Frau zugethan ist, weiß man ihr Dank für diese Zurückhaltung. Louis
Napoleons Charakter mag wol mit zu dieser bescheidenen Mäßigung seiner
Frau nicht wenig beitragen. Er liebt seine Frau, aber er ist darum keine so
"Uttheilsame Natur, wie Ludwig Philipp. Dieser betrachtete seine Familie als
seinen natürlichen Regierungsrath und seine bürgerliche Anschauung verleugnete
sich auch in dieser Beziehung nicht. Es kam keine wichtigere Angelegenheit
v"r, über die nicht seine Schwester, seine Frau, der Herzog von Orleans so¬
lange er lebte, der Herzog von Nemours u. s. w. zu Rathe gezogen worden
wären. Or. Veron theilt im jüngst erwähnten vierten Bande seiner Memoiren
^"'e höchst charakteristische Anekdote mit. Guizot wünschte, der König-sollte
^r Königin Christine einen Besuch in ihrer Wohnung in der Rue Courcelles
""statten und schickte ihm einen Botschafter in die Tuilerien, um diese Visite
erwirken. Der König billigte den Vorschlag und ließ Guizot dies wissen
^ doch besann er sich wieder und ließ die Königin holen. Der Botschafter
mußie seinen Auftrag mit den Motiven Guizots wiederholen und diese Scene
erneuerte sich mehrmals, indem Louis Philipp nach und nach Madame Adelaide,
Herzog von Nemours u. s. w. zu sich bitten ließ. Von einer solchen Er-
^"sivität besitzt Ludwig Napoleon nichts -- er ist. wie jedermann weiß, ein
^l)r schweigsamer Mann. Wenn in Paris doch alles bekannt ist, was am
H^' und bei der Regierung vorgeht, so liegt dies an der neugierigen und
zugleich mittheilsamen Natur der Franzosen und weil die Frauen noch immer
uicht aufgehört haben, eine politische Rolle zu spielen. Die Frauen sind auch
das Element welches die verschiedenen Parteien miteinander in Rapport erhält,
°l)Ne daß diese es selbst wissen. Louis Napoleon, der den Charakter der Nation
kennt, ist für sei"e Person nur noch behutsamer und was er verborgen wissen
^it, davon erfahren auch selbst seine Minister und intimsten Freunde nichts,
^cum sich die Franzosen so g,ut kennten, wie sie ihr gegenwärtiger Kaiser kennt,
würden sie sich weislich vor jeder Conspiration hüten, abgesehen von der Polizei,
^ ein selbstgeladener Gast bei solchen Anlässen zu sein pflegt.


öffentliche Meinung endlich dem Kaiser recht geben müsse. Jetzt ist unsre da¬
malige Voraussagung zur Wahrheit geworden, die Spottgedichte auf eine un¬
schuldige Person haben aufgehört und man spricht von der Kaiserin gar nicht
mehr, und das ist das größte Lob, das man einer Frau nachsagen kann.
Selbst die politischen Gegner Louis Napoleons fühlen es endlich, daß es
grausam und von schlechtem Geschmacke zugleich sei, ihren Spott gegen eine
Frau zu wenden. Man muß ihr auch den Takt zusprechen, daß sie sich bisher
'N die politischen Angelegenheiten gar nicht gemengt, wenigstens nicht auf
ostensible Weise, und daß sie ihren Einfluß, soviel bekannt geworden ist, blos im
Interesse einer Amnestie für die Erilirten geltendzumachen versucht hatte.
Da bekannt ist, daß Louis Napoleon mit unverkennbarer Leidenschaft seiner
schönen Frau zugethan ist, weiß man ihr Dank für diese Zurückhaltung. Louis
Napoleons Charakter mag wol mit zu dieser bescheidenen Mäßigung seiner
Frau nicht wenig beitragen. Er liebt seine Frau, aber er ist darum keine so
"Uttheilsame Natur, wie Ludwig Philipp. Dieser betrachtete seine Familie als
seinen natürlichen Regierungsrath und seine bürgerliche Anschauung verleugnete
sich auch in dieser Beziehung nicht. Es kam keine wichtigere Angelegenheit
v»r, über die nicht seine Schwester, seine Frau, der Herzog von Orleans so¬
lange er lebte, der Herzog von Nemours u. s. w. zu Rathe gezogen worden
wären. Or. Veron theilt im jüngst erwähnten vierten Bande seiner Memoiren
^"'e höchst charakteristische Anekdote mit. Guizot wünschte, der König-sollte
^r Königin Christine einen Besuch in ihrer Wohnung in der Rue Courcelles
""statten und schickte ihm einen Botschafter in die Tuilerien, um diese Visite
erwirken. Der König billigte den Vorschlag und ließ Guizot dies wissen
^ doch besann er sich wieder und ließ die Königin holen. Der Botschafter
mußie seinen Auftrag mit den Motiven Guizots wiederholen und diese Scene
erneuerte sich mehrmals, indem Louis Philipp nach und nach Madame Adelaide,
Herzog von Nemours u. s. w. zu sich bitten ließ. Von einer solchen Er-
^"sivität besitzt Ludwig Napoleon nichts — er ist. wie jedermann weiß, ein
^l)r schweigsamer Mann. Wenn in Paris doch alles bekannt ist, was am
H^' und bei der Regierung vorgeht, so liegt dies an der neugierigen und
zugleich mittheilsamen Natur der Franzosen und weil die Frauen noch immer
uicht aufgehört haben, eine politische Rolle zu spielen. Die Frauen sind auch
das Element welches die verschiedenen Parteien miteinander in Rapport erhält,
°l)Ne daß diese es selbst wissen. Louis Napoleon, der den Charakter der Nation
kennt, ist für sei„e Person nur noch behutsamer und was er verborgen wissen
^it, davon erfahren auch selbst seine Minister und intimsten Freunde nichts,
^cum sich die Franzosen so g,ut kennten, wie sie ihr gegenwärtiger Kaiser kennt,
würden sie sich weislich vor jeder Conspiration hüten, abgesehen von der Polizei,
^ ein selbstgeladener Gast bei solchen Anlässen zu sein pflegt.


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[0439] öffentliche Meinung endlich dem Kaiser recht geben müsse. Jetzt ist unsre da¬ malige Voraussagung zur Wahrheit geworden, die Spottgedichte auf eine un¬ schuldige Person haben aufgehört und man spricht von der Kaiserin gar nicht mehr, und das ist das größte Lob, das man einer Frau nachsagen kann. Selbst die politischen Gegner Louis Napoleons fühlen es endlich, daß es grausam und von schlechtem Geschmacke zugleich sei, ihren Spott gegen eine Frau zu wenden. Man muß ihr auch den Takt zusprechen, daß sie sich bisher 'N die politischen Angelegenheiten gar nicht gemengt, wenigstens nicht auf ostensible Weise, und daß sie ihren Einfluß, soviel bekannt geworden ist, blos im Interesse einer Amnestie für die Erilirten geltendzumachen versucht hatte. Da bekannt ist, daß Louis Napoleon mit unverkennbarer Leidenschaft seiner schönen Frau zugethan ist, weiß man ihr Dank für diese Zurückhaltung. Louis Napoleons Charakter mag wol mit zu dieser bescheidenen Mäßigung seiner Frau nicht wenig beitragen. Er liebt seine Frau, aber er ist darum keine so "Uttheilsame Natur, wie Ludwig Philipp. Dieser betrachtete seine Familie als seinen natürlichen Regierungsrath und seine bürgerliche Anschauung verleugnete sich auch in dieser Beziehung nicht. Es kam keine wichtigere Angelegenheit v»r, über die nicht seine Schwester, seine Frau, der Herzog von Orleans so¬ lange er lebte, der Herzog von Nemours u. s. w. zu Rathe gezogen worden wären. Or. Veron theilt im jüngst erwähnten vierten Bande seiner Memoiren ^"'e höchst charakteristische Anekdote mit. Guizot wünschte, der König-sollte ^r Königin Christine einen Besuch in ihrer Wohnung in der Rue Courcelles ""statten und schickte ihm einen Botschafter in die Tuilerien, um diese Visite erwirken. Der König billigte den Vorschlag und ließ Guizot dies wissen ^ doch besann er sich wieder und ließ die Königin holen. Der Botschafter mußie seinen Auftrag mit den Motiven Guizots wiederholen und diese Scene erneuerte sich mehrmals, indem Louis Philipp nach und nach Madame Adelaide, Herzog von Nemours u. s. w. zu sich bitten ließ. Von einer solchen Er- ^"sivität besitzt Ludwig Napoleon nichts — er ist. wie jedermann weiß, ein ^l)r schweigsamer Mann. Wenn in Paris doch alles bekannt ist, was am H^' und bei der Regierung vorgeht, so liegt dies an der neugierigen und zugleich mittheilsamen Natur der Franzosen und weil die Frauen noch immer uicht aufgehört haben, eine politische Rolle zu spielen. Die Frauen sind auch das Element welches die verschiedenen Parteien miteinander in Rapport erhält, °l)Ne daß diese es selbst wissen. Louis Napoleon, der den Charakter der Nation kennt, ist für sei„e Person nur noch behutsamer und was er verborgen wissen ^it, davon erfahren auch selbst seine Minister und intimsten Freunde nichts, ^cum sich die Franzosen so g,ut kennten, wie sie ihr gegenwärtiger Kaiser kennt, würden sie sich weislich vor jeder Conspiration hüten, abgesehen von der Polizei, ^ ein selbstgeladener Gast bei solchen Anlässen zu sein pflegt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/439>, abgerufen am 10.06.2024.