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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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ganz in der Nähe; da aber niemand zum Thore hinaus, nicht einmal in dessen
Nähe durfte, so war nichts Bestimmtes zu erfahren. Man hörte Kanonen¬
donner und Flintenfeuer, und einzelne Verwundete kamen in die Stadt. Die
Spannung war aus das höchste gestiegen, die öffentliche Meinung war ent¬
schieden auf Seiten der Aufständischen, deren Sieg man als gewiß voraussagte.
Die ganze männliche Bevölkerung Madrids war auf den Beinen, und nur
wenige Truppen waren an verschiedenen Orten ausgestellt; Unordnungen sielen
nicht vor; aber es war leicht zu sehen, daß der geringste Anstoß dazu fuhren
konnte.,

Das Gefecht, dessen Donner man in Madrid gehört, hatte keine Entscheidung
gebracht. Die Garnison von Madrid, acht Bataillone Infanterie, vier Bat¬
terien und einige Schwadronen Reiter hatten auf einem Höhenzug bei Vical-
varo, ungefähr eine Stunde von der Hauptstadt, Stellung genommen. Die
Aufständischen, deren Hauptstärke Reiterei war, versuchten ihre Gegner von der
Stadt weg auf ein für Cavalerieangriffe günstiges Terrain zu locken. Als dies
aber nicht gelingen wollte, wurde ODonnell ungeduldig und befahl den An¬
griff, in der Hoffnung, daß sich ein Theil der Truppen ihm anschließen werde.
Namentlich von einem Theil der Artillerie hatte er Zusagen. Nach einigen
Plänkeleien formirter sich zwei Schwadronen des Regiments Principe, uno
machten einen Angriff auf die Geschütze. Trotz des lebhaften Feuerns derselben
kamen sie bis mitten in die Batterie, hieben viele Artilleristen nieder, konn¬
ten aber keine Geschütze mit fortnehmen, sondern mußten sich vor der hinter
der Artillerie in Vierecken aufgestellten Infanterie wieder zurückziehen'
Der unerwartete Empfang von Seiten der Truppen, die sie für befreundet ge¬
halten, hatte die Reiter so in Wuth versetzt, daß die einzelnen Regiments
wider die Befehle der Generale auf eigne Hand ihren Angriff fortsetzten. D>es
führte zu einem ziemlich ungeordneten Gefecht, in welchem beide Theile ziemlich
gleiche Verluste erlitten, und wo von den Aufständischen Oberst Garrigo in
Gefangenschaft gerieth, derselbe, der nach dem Gelingen des Aufstandes von
der Königin sür sein Verhalten in diesem Gefecht besonders belobt und beför¬
dert wurde. Beide Theile zogen sich zurück, und als die Madrider Garnison
die Thore der Hauptstadt erreichte, gerieth sie, man sagt durch das kecke Vor¬
sprengen einiger weniger Lanciers der Aufständischen in einen solchen pari>chen
Schrecken, daß die Infanterie in voller Verwirrung das Thor erreichte.

, D.er Ausgang des Gefechts brachte keine Veränderung in der Stimmung
der beiden Parteien hervor. Die Regierungszeitung versicherte den Truppe",
daß sie einen glorreichen Sieg erfochten hätten, was diese nach den Erfahrun¬
gen, die sie auf dem Schlachtfelde und auf dem Rückzüge gemacht, nicht recht
glauben wollten. Die Aufständischen hatten keine Ursache, entmuthigt zu sei",
obgleich sie ihren Hauptzweck, die Artillerie für sich zu gewinnen, nicht erreicht


ganz in der Nähe; da aber niemand zum Thore hinaus, nicht einmal in dessen
Nähe durfte, so war nichts Bestimmtes zu erfahren. Man hörte Kanonen¬
donner und Flintenfeuer, und einzelne Verwundete kamen in die Stadt. Die
Spannung war aus das höchste gestiegen, die öffentliche Meinung war ent¬
schieden auf Seiten der Aufständischen, deren Sieg man als gewiß voraussagte.
Die ganze männliche Bevölkerung Madrids war auf den Beinen, und nur
wenige Truppen waren an verschiedenen Orten ausgestellt; Unordnungen sielen
nicht vor; aber es war leicht zu sehen, daß der geringste Anstoß dazu fuhren
konnte.,

Das Gefecht, dessen Donner man in Madrid gehört, hatte keine Entscheidung
gebracht. Die Garnison von Madrid, acht Bataillone Infanterie, vier Bat¬
terien und einige Schwadronen Reiter hatten auf einem Höhenzug bei Vical-
varo, ungefähr eine Stunde von der Hauptstadt, Stellung genommen. Die
Aufständischen, deren Hauptstärke Reiterei war, versuchten ihre Gegner von der
Stadt weg auf ein für Cavalerieangriffe günstiges Terrain zu locken. Als dies
aber nicht gelingen wollte, wurde ODonnell ungeduldig und befahl den An¬
griff, in der Hoffnung, daß sich ein Theil der Truppen ihm anschließen werde.
Namentlich von einem Theil der Artillerie hatte er Zusagen. Nach einigen
Plänkeleien formirter sich zwei Schwadronen des Regiments Principe, uno
machten einen Angriff auf die Geschütze. Trotz des lebhaften Feuerns derselben
kamen sie bis mitten in die Batterie, hieben viele Artilleristen nieder, konn¬
ten aber keine Geschütze mit fortnehmen, sondern mußten sich vor der hinter
der Artillerie in Vierecken aufgestellten Infanterie wieder zurückziehen'
Der unerwartete Empfang von Seiten der Truppen, die sie für befreundet ge¬
halten, hatte die Reiter so in Wuth versetzt, daß die einzelnen Regiments
wider die Befehle der Generale auf eigne Hand ihren Angriff fortsetzten. D>es
führte zu einem ziemlich ungeordneten Gefecht, in welchem beide Theile ziemlich
gleiche Verluste erlitten, und wo von den Aufständischen Oberst Garrigo in
Gefangenschaft gerieth, derselbe, der nach dem Gelingen des Aufstandes von
der Königin sür sein Verhalten in diesem Gefecht besonders belobt und beför¬
dert wurde. Beide Theile zogen sich zurück, und als die Madrider Garnison
die Thore der Hauptstadt erreichte, gerieth sie, man sagt durch das kecke Vor¬
sprengen einiger weniger Lanciers der Aufständischen in einen solchen pari>chen
Schrecken, daß die Infanterie in voller Verwirrung das Thor erreichte.

, D.er Ausgang des Gefechts brachte keine Veränderung in der Stimmung
der beiden Parteien hervor. Die Regierungszeitung versicherte den Truppe»,
daß sie einen glorreichen Sieg erfochten hätten, was diese nach den Erfahrun¬
gen, die sie auf dem Schlachtfelde und auf dem Rückzüge gemacht, nicht recht
glauben wollten. Die Aufständischen hatten keine Ursache, entmuthigt zu sei»,
obgleich sie ihren Hauptzweck, die Artillerie für sich zu gewinnen, nicht erreicht


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[0474] ganz in der Nähe; da aber niemand zum Thore hinaus, nicht einmal in dessen Nähe durfte, so war nichts Bestimmtes zu erfahren. Man hörte Kanonen¬ donner und Flintenfeuer, und einzelne Verwundete kamen in die Stadt. Die Spannung war aus das höchste gestiegen, die öffentliche Meinung war ent¬ schieden auf Seiten der Aufständischen, deren Sieg man als gewiß voraussagte. Die ganze männliche Bevölkerung Madrids war auf den Beinen, und nur wenige Truppen waren an verschiedenen Orten ausgestellt; Unordnungen sielen nicht vor; aber es war leicht zu sehen, daß der geringste Anstoß dazu fuhren konnte., Das Gefecht, dessen Donner man in Madrid gehört, hatte keine Entscheidung gebracht. Die Garnison von Madrid, acht Bataillone Infanterie, vier Bat¬ terien und einige Schwadronen Reiter hatten auf einem Höhenzug bei Vical- varo, ungefähr eine Stunde von der Hauptstadt, Stellung genommen. Die Aufständischen, deren Hauptstärke Reiterei war, versuchten ihre Gegner von der Stadt weg auf ein für Cavalerieangriffe günstiges Terrain zu locken. Als dies aber nicht gelingen wollte, wurde ODonnell ungeduldig und befahl den An¬ griff, in der Hoffnung, daß sich ein Theil der Truppen ihm anschließen werde. Namentlich von einem Theil der Artillerie hatte er Zusagen. Nach einigen Plänkeleien formirter sich zwei Schwadronen des Regiments Principe, uno machten einen Angriff auf die Geschütze. Trotz des lebhaften Feuerns derselben kamen sie bis mitten in die Batterie, hieben viele Artilleristen nieder, konn¬ ten aber keine Geschütze mit fortnehmen, sondern mußten sich vor der hinter der Artillerie in Vierecken aufgestellten Infanterie wieder zurückziehen' Der unerwartete Empfang von Seiten der Truppen, die sie für befreundet ge¬ halten, hatte die Reiter so in Wuth versetzt, daß die einzelnen Regiments wider die Befehle der Generale auf eigne Hand ihren Angriff fortsetzten. D>es führte zu einem ziemlich ungeordneten Gefecht, in welchem beide Theile ziemlich gleiche Verluste erlitten, und wo von den Aufständischen Oberst Garrigo in Gefangenschaft gerieth, derselbe, der nach dem Gelingen des Aufstandes von der Königin sür sein Verhalten in diesem Gefecht besonders belobt und beför¬ dert wurde. Beide Theile zogen sich zurück, und als die Madrider Garnison die Thore der Hauptstadt erreichte, gerieth sie, man sagt durch das kecke Vor¬ sprengen einiger weniger Lanciers der Aufständischen in einen solchen pari>chen Schrecken, daß die Infanterie in voller Verwirrung das Thor erreichte. , D.er Ausgang des Gefechts brachte keine Veränderung in der Stimmung der beiden Parteien hervor. Die Regierungszeitung versicherte den Truppe», daß sie einen glorreichen Sieg erfochten hätten, was diese nach den Erfahrun¬ gen, die sie auf dem Schlachtfelde und auf dem Rückzüge gemacht, nicht recht glauben wollten. Die Aufständischen hatten keine Ursache, entmuthigt zu sei», obgleich sie ihren Hauptzweck, die Artillerie für sich zu gewinnen, nicht erreicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/474>, abgerufen am 21.05.2024.