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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band.

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hatten, denn sie hatten sich tapfer geschlagen und dem Feinde wenigstens einen
gleichen Verlust beigebracht. Da ihre Führer sahen, daß sie auf die Unter¬
stützung der Garnison von Madrid nicht rechnen könnten, veränderten sie ihre
Plane und zogen sich nach Aranjuez zurück, um dort ihre Strcitkväfte zu or-
ganisiren. Hier stießen mehre Verstärkungen aus andern Garnisonen zu ihnen,
und auch eine Anzahl Madrider Bürger, zum Theil aus den bessern Classen.
Diese wurden sofort bewaffnet, und bildeten ein Jägerbataillon, (^.aclores al
IVIkÄi'ick.

Unterdessen erwartete die Hauptstadt mit Ungeduld Nachrichten aus den
Provinzen, wo mau den Ausbruch von Aufständen erwartete. Madrid selbst
blieb ganz ruhig, obgleich dann und wann Gerüchte von einer bevorstehenden
Bewegung auftauchten. Die Aufregung der ersten drei Tage milderte sich zu
einer erwartungsvollen Spannung. Die Sehnsucht nach Nachrichten von den
Aufständischen war groß, aber es war nichts Sicheres von ihnen zu erfahren,
Zumal seitdem sie Aranjuez verlassen hatten. Mit Ausnahme der Negierung
und den von ihr abhängigen Personen war ganz Madrid für den Aufstand,
und wünschte ihm den besten Erfolg. Dieser schien jedoch trotz .aller guten
Wünsche auszubleiben. ODonnell fand zwar in den Provinzen keinen Wider¬
stand, unter dem Militär auch einigen Anhang, aber die bürgerliche Bevölke¬
rung der Städte regte sich nicht. Der Fehler, die ganze Bewegung blos aus
b'e Armee beschränken zu wollen, und das geringe Vertrauen, welches ODon-
Nells politische Gesinnungen den Liberalen einflößte, rächte sich jetzt. Für
^nen bloßen Personenwechsel im Ministerium, der den drückenden Bürden des
Landes nicht abgeholfen hätte, wollte sich niemand schlagen. So trat abermals
Polnischer Stillstand von 14 Tagen ein, während welchem der Sieg sich
"'ehr aus die Seite des Ministeriums San Luis zu neigen schien, als auf die
^Donnells. Endlich entschloß sich dieser doch, die Bewegung aus ihrem rein
militärischen Charakter heraustreten zu lassen. Am 7. Juli erließ er von
Atanzanares aus eine neue Proclamation, welche die Wiederherstellung der
Nationalgarde von 1837 -- die Annullirung der Zwangsanleihe, die Herab¬
setzung der Steuern, Verbannung der Königin Mutter, die Aufrechterhaltung
^ Sittlichkeit, die Verbannung der Günstlinge des Hoff, die Wiederherstel¬
lung der Cortes und der unabhängigen Landesverfassung, endlich das Anh¬
ören des Centralisationssystems, welches in Spanien so verhaßt ist, versprach,
^on diesem Augenblicke an verbreitete sich die Revolution mit reißender
Schnelligkeit. Barcelona, Tarragona, Gerona, Lerida, Valencia', Saragossa,
^t. Sebastian, Pampelona, Tolosa und Villareal erhoben sich in rascher Auf-
wicindersolge. Zuletzt brach auch in Madrid der Aufstand aus, und nach
^"em blutigen Kampfe blieb das Volk Sieger über die geringe Truppenzahl,
welche der Königin noch treu geblieben war.


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hatten, denn sie hatten sich tapfer geschlagen und dem Feinde wenigstens einen
gleichen Verlust beigebracht. Da ihre Führer sahen, daß sie auf die Unter¬
stützung der Garnison von Madrid nicht rechnen könnten, veränderten sie ihre
Plane und zogen sich nach Aranjuez zurück, um dort ihre Strcitkväfte zu or-
ganisiren. Hier stießen mehre Verstärkungen aus andern Garnisonen zu ihnen,
und auch eine Anzahl Madrider Bürger, zum Theil aus den bessern Classen.
Diese wurden sofort bewaffnet, und bildeten ein Jägerbataillon, (^.aclores al
IVIkÄi'ick.

Unterdessen erwartete die Hauptstadt mit Ungeduld Nachrichten aus den
Provinzen, wo mau den Ausbruch von Aufständen erwartete. Madrid selbst
blieb ganz ruhig, obgleich dann und wann Gerüchte von einer bevorstehenden
Bewegung auftauchten. Die Aufregung der ersten drei Tage milderte sich zu
einer erwartungsvollen Spannung. Die Sehnsucht nach Nachrichten von den
Aufständischen war groß, aber es war nichts Sicheres von ihnen zu erfahren,
Zumal seitdem sie Aranjuez verlassen hatten. Mit Ausnahme der Negierung
und den von ihr abhängigen Personen war ganz Madrid für den Aufstand,
und wünschte ihm den besten Erfolg. Dieser schien jedoch trotz .aller guten
Wünsche auszubleiben. ODonnell fand zwar in den Provinzen keinen Wider¬
stand, unter dem Militär auch einigen Anhang, aber die bürgerliche Bevölke¬
rung der Städte regte sich nicht. Der Fehler, die ganze Bewegung blos aus
b'e Armee beschränken zu wollen, und das geringe Vertrauen, welches ODon-
Nells politische Gesinnungen den Liberalen einflößte, rächte sich jetzt. Für
^nen bloßen Personenwechsel im Ministerium, der den drückenden Bürden des
Landes nicht abgeholfen hätte, wollte sich niemand schlagen. So trat abermals
Polnischer Stillstand von 14 Tagen ein, während welchem der Sieg sich
"'ehr aus die Seite des Ministeriums San Luis zu neigen schien, als auf die
^Donnells. Endlich entschloß sich dieser doch, die Bewegung aus ihrem rein
militärischen Charakter heraustreten zu lassen. Am 7. Juli erließ er von
Atanzanares aus eine neue Proclamation, welche die Wiederherstellung der
Nationalgarde von 1837 — die Annullirung der Zwangsanleihe, die Herab¬
setzung der Steuern, Verbannung der Königin Mutter, die Aufrechterhaltung
^ Sittlichkeit, die Verbannung der Günstlinge des Hoff, die Wiederherstel¬
lung der Cortes und der unabhängigen Landesverfassung, endlich das Anh¬
ören des Centralisationssystems, welches in Spanien so verhaßt ist, versprach,
^on diesem Augenblicke an verbreitete sich die Revolution mit reißender
Schnelligkeit. Barcelona, Tarragona, Gerona, Lerida, Valencia', Saragossa,
^t. Sebastian, Pampelona, Tolosa und Villareal erhoben sich in rascher Auf-
wicindersolge. Zuletzt brach auch in Madrid der Aufstand aus, und nach
^«em blutigen Kampfe blieb das Volk Sieger über die geringe Truppenzahl,
welche der Königin noch treu geblieben war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_281149/475>, abgerufen am 30.04.2024.