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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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achteckiger buntverzicrter Pfeiler bei vorherrschenden griechischen Formen, am
Palast Orianda ; dorische Säulen mit Aufsätzen und Stichbögen, wie am Schau¬
spielhaus in Hamburg; Treppenanlagen wie im Peristil des Museums in
Berlin. Solche Anlagen Harmoniren jedenfalls nicht zu dem Geiste und dem
Wesen der griechischen Kunst, die E. Curtius in seiner Festrede am Geburts¬
tage Schinkels ebenso schön als treffend im folgenden charakrerisirt: "Darum
verschmähte sie täuschenden Sinnenreiz; sie war enthaltsam und keusch, wie die
Natur, bestrebt, mit den geringsten Mitteln den Zweck zu verwirklichen, vom
inwohnenden Gesetze ganz erfüllt und darum durch und durch wahr und echt."
-- "In Hinsicht des Zwecks und der ausdrucksvollen Charakterisirung desselben
ist Schinkel am wenigsten glücklich gewesen. Während im Aeußern wie im
Innern der Hülle oder der Außenseite des baulichen Gegenstandes in der
decorativer Anordnung oder sonstigen malerischen Zugabe gewöhnlich die größte
Sorgfalt und Umsicht gewidmet ward, ist dagegen nur zu häufig dem eigentlichen
zwecklichen Bedürfnisse desselben umsoweniger ein genauer Ueberblick und eine
gehörige Würdigung zu Theil geworden. Dadurch wird aber diesen Entwürfen
gleichsam das Ansehen verliehen, als wenn dabei die Verzierung die Haupt¬
sache, die eigentliche bauliche Bestimmung hingegen nur Nebensache wäre.
Besonders sind in letzterer Beziehung Schinkels monumentale Entwürfe als nicht
gelungen anzusehen. Sein architektonischer Nuhm hat daher unbezweifelt auch
nichts verloren, daß, soviel ich weiß, von diesen Entwürfen keiner zur Aus¬
führung gekommen ist. Ebenso hat derselbe auch mit seinen Entwürfen zu
Kirchen, so zahlreich diese auch sind, wenig Empfehlensrverthes geliefert. Es
ist gleichsam, als hätte Schütteln hier das nähere Verständniß von der Bedeu¬
tung und Würde des Zweckes, sowie von der dabei für den Architekten zu¬
nächst mit vorliegenden Anforderung und Pflicht, diesem Zwecke durch an¬
gemessene Formbildungen, wie solches unleugbar zur Beförderung der kirchlichen
Andacht geschehen kann, möglichst zu befördern, ganz gefehlt. Es kommen in
dieser Beziehung selbst Kirchenentwürse vor, wo namentlich auch die Placirung
der Kirchengänger so gedrängt und überhaupt in einer Weise gehalten ist, die
man selbst für Schauspielhäuser nicht sür geeignet finden würde. Zu dieser
Ansicht liefern auch noch andere Beweise jene -- soviel mir bekannt -- zu
Dorfkirchen ausgegebenen Musterblätter, die aber namentlich mit den äußern
Fanden eher Grundzüge zu Gartenhäusern als zu kirchlichen Gebäuden zeigen.
Seine Vorliebe für den griechischen Stil hatte ihn freilich mit den hieraus sich
ergebenden Formbildungen, bei deren Anwendung zu unsern kirchlichen Be¬
dürfnissen nicht zu beseitigende Hindernisse in den Weg gelegt. Dagegen ge¬
währen Schinkels Entwürfe zu Wohngebäuden einen größern Werth. Diese
zeichnen sich gewöhnlich durch Einfachheit in der Anlage ihrer Architektur aus.
Auch wird dabei nur in wenigen Fällen jene gleichsam gesuchte Gruppirung


achteckiger buntverzicrter Pfeiler bei vorherrschenden griechischen Formen, am
Palast Orianda ; dorische Säulen mit Aufsätzen und Stichbögen, wie am Schau¬
spielhaus in Hamburg; Treppenanlagen wie im Peristil des Museums in
Berlin. Solche Anlagen Harmoniren jedenfalls nicht zu dem Geiste und dem
Wesen der griechischen Kunst, die E. Curtius in seiner Festrede am Geburts¬
tage Schinkels ebenso schön als treffend im folgenden charakrerisirt: „Darum
verschmähte sie täuschenden Sinnenreiz; sie war enthaltsam und keusch, wie die
Natur, bestrebt, mit den geringsten Mitteln den Zweck zu verwirklichen, vom
inwohnenden Gesetze ganz erfüllt und darum durch und durch wahr und echt."
— „In Hinsicht des Zwecks und der ausdrucksvollen Charakterisirung desselben
ist Schinkel am wenigsten glücklich gewesen. Während im Aeußern wie im
Innern der Hülle oder der Außenseite des baulichen Gegenstandes in der
decorativer Anordnung oder sonstigen malerischen Zugabe gewöhnlich die größte
Sorgfalt und Umsicht gewidmet ward, ist dagegen nur zu häufig dem eigentlichen
zwecklichen Bedürfnisse desselben umsoweniger ein genauer Ueberblick und eine
gehörige Würdigung zu Theil geworden. Dadurch wird aber diesen Entwürfen
gleichsam das Ansehen verliehen, als wenn dabei die Verzierung die Haupt¬
sache, die eigentliche bauliche Bestimmung hingegen nur Nebensache wäre.
Besonders sind in letzterer Beziehung Schinkels monumentale Entwürfe als nicht
gelungen anzusehen. Sein architektonischer Nuhm hat daher unbezweifelt auch
nichts verloren, daß, soviel ich weiß, von diesen Entwürfen keiner zur Aus¬
führung gekommen ist. Ebenso hat derselbe auch mit seinen Entwürfen zu
Kirchen, so zahlreich diese auch sind, wenig Empfehlensrverthes geliefert. Es
ist gleichsam, als hätte Schütteln hier das nähere Verständniß von der Bedeu¬
tung und Würde des Zweckes, sowie von der dabei für den Architekten zu¬
nächst mit vorliegenden Anforderung und Pflicht, diesem Zwecke durch an¬
gemessene Formbildungen, wie solches unleugbar zur Beförderung der kirchlichen
Andacht geschehen kann, möglichst zu befördern, ganz gefehlt. Es kommen in
dieser Beziehung selbst Kirchenentwürse vor, wo namentlich auch die Placirung
der Kirchengänger so gedrängt und überhaupt in einer Weise gehalten ist, die
man selbst für Schauspielhäuser nicht sür geeignet finden würde. Zu dieser
Ansicht liefern auch noch andere Beweise jene — soviel mir bekannt — zu
Dorfkirchen ausgegebenen Musterblätter, die aber namentlich mit den äußern
Fanden eher Grundzüge zu Gartenhäusern als zu kirchlichen Gebäuden zeigen.
Seine Vorliebe für den griechischen Stil hatte ihn freilich mit den hieraus sich
ergebenden Formbildungen, bei deren Anwendung zu unsern kirchlichen Be¬
dürfnissen nicht zu beseitigende Hindernisse in den Weg gelegt. Dagegen ge¬
währen Schinkels Entwürfe zu Wohngebäuden einen größern Werth. Diese
zeichnen sich gewöhnlich durch Einfachheit in der Anlage ihrer Architektur aus.
Auch wird dabei nur in wenigen Fällen jene gleichsam gesuchte Gruppirung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/356>, abgerufen am 17.06.2024.