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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band.

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Ländliche Skizzen aus Franken. Von H. Nordheim. Weimar, Kühn. --

Kleine Dorfgeschichten, in der durch Auerbach festgestellten Weise, im ganzen
gut erzählt und von einem sittlichen Inhalt. --


Chrysalion. Ein Märchen aus Thüringen. Von Amalie von Clausberg.
Weimar, Kühn. --

Kein eigentliches Märchen von volksthümlich phantastischem Inhalt, son¬
dern eine ans Allegorische streifende humanitäre Erfindung, sehr zart und
duftig, aber etwas zu farblos. --


Dur und Moll. Von August Corrodi. Se. Gallen, Tschudi. --
Ein Buch ohne Titel. Von August Corrodi. Se. Gallen, Tschudi. --

Kleine anspruchslose Geschichten in der Weise Andersens mit viel Gemüth
und einigem Humor erzählt, die ihren bescheidenen Platz in der Literatur wol
ausfüllen mögen. --


I^es pelenns russos ä 5crus"loin. ?ar Ums. als IZsgrvls-LpLrsnsIi^. Z 1'om.
I^ipnig, liiessling K Komp. -I8si. --

Die Verfasserin erklärt in der Vorrede, die französische Sprache und Ge¬
sinnung sei ihr eigentlich fremd, und sie müsse daher um Nachsicht bitten, denn
sie sei mit voller Seele Russin. Wir können dieser Versicherung nicht ganz
Glauben schenken, denn wie russisch auch die Stoffe aussehen, die sie behandelt,
die Form, in der sie dieselben auffaßt, ist doch durchaus französisch, und man
erkennt, daß sie sich früh daran gewöhnt hat, in der Weise der französischen
Romantiker zu denken und zu empfinden, wenn auch einzelne fremdartige Ein¬
flüsse, z. B. die Hegelsche Philosophie, soweit dieselbe mit einer Dame und noch
dazu mit einer Russin in Verbindung gedacht werden kann, sich darin einge¬
mischt haben. Selbst die Art und Weise, wie sie die nationalen Gewohnheiten
der frommen Pilgerschaften auffaßt, erinnert sehr stark an Chateaubriand und
Lamartine. Diese Reflexionen der höheren Frömmigkeit hätten wir gern ver¬
mißt. Es ist manches darin recht fein und zart ausgedrückt, aber der Reich¬
thum der Gedanken ist nicht groß; auf keinen Fall entspricht er der Zahl der
Worte. Dagegen ist die Liebesepisode mit großer Wärme und Innigkeit, sogar
mit einigem Talent zum Charakterisieren dargestellt; aber auch in dieser sehen
wir nichts specifisch Russisches, sondern jene Mischung von Dumas und George
Sand, die sich in der ganzen modernen Romantik geltcndmacht. Selbst der
Inhalt dieser Episode, die Geschichte der herzlosen Kokette Wera, hat eine
ausfallende Aehnlichkeit mit einer Episode in den "Mohikanern von Paris"; sie
ist aber viel ansprechender und bedeutender dargestellt. Wenn die Verfasserin


Ländliche Skizzen aus Franken. Von H. Nordheim. Weimar, Kühn. —

Kleine Dorfgeschichten, in der durch Auerbach festgestellten Weise, im ganzen
gut erzählt und von einem sittlichen Inhalt. —


Chrysalion. Ein Märchen aus Thüringen. Von Amalie von Clausberg.
Weimar, Kühn. —

Kein eigentliches Märchen von volksthümlich phantastischem Inhalt, son¬
dern eine ans Allegorische streifende humanitäre Erfindung, sehr zart und
duftig, aber etwas zu farblos. —


Dur und Moll. Von August Corrodi. Se. Gallen, Tschudi. —
Ein Buch ohne Titel. Von August Corrodi. Se. Gallen, Tschudi. —

Kleine anspruchslose Geschichten in der Weise Andersens mit viel Gemüth
und einigem Humor erzählt, die ihren bescheidenen Platz in der Literatur wol
ausfüllen mögen. —


I^es pelenns russos ä 5crus«loin. ?ar Ums. als IZsgrvls-LpLrsnsIi^. Z 1'om.
I^ipnig, liiessling K Komp. -I8si. —

Die Verfasserin erklärt in der Vorrede, die französische Sprache und Ge¬
sinnung sei ihr eigentlich fremd, und sie müsse daher um Nachsicht bitten, denn
sie sei mit voller Seele Russin. Wir können dieser Versicherung nicht ganz
Glauben schenken, denn wie russisch auch die Stoffe aussehen, die sie behandelt,
die Form, in der sie dieselben auffaßt, ist doch durchaus französisch, und man
erkennt, daß sie sich früh daran gewöhnt hat, in der Weise der französischen
Romantiker zu denken und zu empfinden, wenn auch einzelne fremdartige Ein¬
flüsse, z. B. die Hegelsche Philosophie, soweit dieselbe mit einer Dame und noch
dazu mit einer Russin in Verbindung gedacht werden kann, sich darin einge¬
mischt haben. Selbst die Art und Weise, wie sie die nationalen Gewohnheiten
der frommen Pilgerschaften auffaßt, erinnert sehr stark an Chateaubriand und
Lamartine. Diese Reflexionen der höheren Frömmigkeit hätten wir gern ver¬
mißt. Es ist manches darin recht fein und zart ausgedrückt, aber der Reich¬
thum der Gedanken ist nicht groß; auf keinen Fall entspricht er der Zahl der
Worte. Dagegen ist die Liebesepisode mit großer Wärme und Innigkeit, sogar
mit einigem Talent zum Charakterisieren dargestellt; aber auch in dieser sehen
wir nichts specifisch Russisches, sondern jene Mischung von Dumas und George
Sand, die sich in der ganzen modernen Romantik geltcndmacht. Selbst der
Inhalt dieser Episode, die Geschichte der herzlosen Kokette Wera, hat eine
ausfallende Aehnlichkeit mit einer Episode in den „Mohikanern von Paris"; sie
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[0420] Ländliche Skizzen aus Franken. Von H. Nordheim. Weimar, Kühn. — Kleine Dorfgeschichten, in der durch Auerbach festgestellten Weise, im ganzen gut erzählt und von einem sittlichen Inhalt. — Chrysalion. Ein Märchen aus Thüringen. Von Amalie von Clausberg. Weimar, Kühn. — Kein eigentliches Märchen von volksthümlich phantastischem Inhalt, son¬ dern eine ans Allegorische streifende humanitäre Erfindung, sehr zart und duftig, aber etwas zu farblos. — Dur und Moll. Von August Corrodi. Se. Gallen, Tschudi. — Ein Buch ohne Titel. Von August Corrodi. Se. Gallen, Tschudi. — Kleine anspruchslose Geschichten in der Weise Andersens mit viel Gemüth und einigem Humor erzählt, die ihren bescheidenen Platz in der Literatur wol ausfüllen mögen. — I^es pelenns russos ä 5crus«loin. ?ar Ums. als IZsgrvls-LpLrsnsIi^. Z 1'om. I^ipnig, liiessling K Komp. -I8si. — Die Verfasserin erklärt in der Vorrede, die französische Sprache und Ge¬ sinnung sei ihr eigentlich fremd, und sie müsse daher um Nachsicht bitten, denn sie sei mit voller Seele Russin. Wir können dieser Versicherung nicht ganz Glauben schenken, denn wie russisch auch die Stoffe aussehen, die sie behandelt, die Form, in der sie dieselben auffaßt, ist doch durchaus französisch, und man erkennt, daß sie sich früh daran gewöhnt hat, in der Weise der französischen Romantiker zu denken und zu empfinden, wenn auch einzelne fremdartige Ein¬ flüsse, z. B. die Hegelsche Philosophie, soweit dieselbe mit einer Dame und noch dazu mit einer Russin in Verbindung gedacht werden kann, sich darin einge¬ mischt haben. Selbst die Art und Weise, wie sie die nationalen Gewohnheiten der frommen Pilgerschaften auffaßt, erinnert sehr stark an Chateaubriand und Lamartine. Diese Reflexionen der höheren Frömmigkeit hätten wir gern ver¬ mißt. Es ist manches darin recht fein und zart ausgedrückt, aber der Reich¬ thum der Gedanken ist nicht groß; auf keinen Fall entspricht er der Zahl der Worte. Dagegen ist die Liebesepisode mit großer Wärme und Innigkeit, sogar mit einigem Talent zum Charakterisieren dargestellt; aber auch in dieser sehen wir nichts specifisch Russisches, sondern jene Mischung von Dumas und George Sand, die sich in der ganzen modernen Romantik geltcndmacht. Selbst der Inhalt dieser Episode, die Geschichte der herzlosen Kokette Wera, hat eine ausfallende Aehnlichkeit mit einer Episode in den „Mohikanern von Paris"; sie ist aber viel ansprechender und bedeutender dargestellt. Wenn die Verfasserin

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_96706/420>, abgerufen am 27.05.2024.