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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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Man heizt wiederum am Bord. Ein Flaggenzeichen ruft die Passagiere,
welche ans Land gegangen sind, zurück. Bald darauf wird der Anker gelichtet.
Der Curs ist Süd. Am äußersten Horizont des klaren Himmels vor uns scheint
eine Wolke aufzusteige". Es ist der Monte Santo.


" ^ 4' ^
Der Monte Santo.

"Am Abend", hat der Capitän geäußert, "werden wir den Monte Santo
umsegeln." Um den Wind zu benutzen hat man am Vormast ein Segel bei¬
gesetzt. Die See ist etwas kraus geworden. Wir nahen der Region, welche bei
den Alten als fortwährend stürmisch verschrien war, dem wvgcnumdrängten Vor¬
gebirge Athos (Monte Santo.) Es war eine kolossale Idee, diesen gewaltigen Fels-
berg, der, schroff aus dem Meere aufsteigend, seinen Gipfel zu der Hohe unserer
Schneekoppe (er mißt S,016 Fuß) emporträgt, zum Profil des macedonischen 'Alex¬
anders ausarbeiten zu wollen. -- Nach 4 Stunden sind wir dem unmittelbar ins
Meer tauchenden Fuße des Berges ans Kanonenschußweite nahe gekommen. Der
Anblick ist überwältigend. Der mächtige Steamer scheint seine Dimensionen ver¬
loren zu haben und schwimmt gleich einer Nußschale an der himmeltragenden
Felscnmasse vorüber. Man kann deutlich die zahlreichen Klöster unterscheiden;
Se. Paul, Se. Anna, Se. Laura und Caracalla, zunächst der See, siud die bedeu¬
tendsten. Vom Ufer nach der Mittelregion des Hanges breitet sich ein Gürtel
grünster Vegetation; aber darüber hinaus ist alles kahl und öde. Wer mit schar¬
fem Auge da oben stände, welcher Gesichtskreis möchte sich ihm eröffnen! Er
möchte gleichzeitig die Küste Asiens erkennen und lief nach Macedonien hinein¬
schauen. -- In militärischer Hinsicht hat die Halbinsel, auf welcher der Monte Santo
gelegen ist, die Bedeutung, daß sie (gleich der Halbinsel Gallipoli) einen leicht zu
befestigeuden Terrainabschnitt bildet, und als solcher einerseits Zufluchtsort einer
vom Balkan aus südwärts geworfenen Armee, andererseits aber auch Basis des¬
selben Heeres zu neuen Offensivvperativnen werden kann. Es ist dies ein ähn¬
liches Verhältniß wie dasjenige, in welchem während des dänisch-holsteinischen
Krieges die Insel Alsen zu dem großen Ganzen des dortigen Kriegstheaters
stand. Der hier in Rede gestellte Abschnitt wäre um so stärker, als ihm eine
von der Natur geschaffene Vertheidignngslinie, nämlich die Seekette, welche sich
vom Busen von Orphano bis zum Hafen von Thessalonich (Selanik, Salonichi)
hinzieht, vorgelegen ist. DaS wäre eine Position, von der aus einem russischen
Vorgange über Sofia gegen Adrianopel würde Schach geboten werden können!
Ich behalte mir vor, mich, bei einer andern Gelegenheit, über solche Eventuali¬
tät, in Ihren Blättern ausführlicher vernehmen zu lassen. (Fortsetzung folgt.)




Man heizt wiederum am Bord. Ein Flaggenzeichen ruft die Passagiere,
welche ans Land gegangen sind, zurück. Bald darauf wird der Anker gelichtet.
Der Curs ist Süd. Am äußersten Horizont des klaren Himmels vor uns scheint
eine Wolke aufzusteige». Es ist der Monte Santo.


« ^ 4' ^
Der Monte Santo.

„Am Abend", hat der Capitän geäußert, „werden wir den Monte Santo
umsegeln." Um den Wind zu benutzen hat man am Vormast ein Segel bei¬
gesetzt. Die See ist etwas kraus geworden. Wir nahen der Region, welche bei
den Alten als fortwährend stürmisch verschrien war, dem wvgcnumdrängten Vor¬
gebirge Athos (Monte Santo.) Es war eine kolossale Idee, diesen gewaltigen Fels-
berg, der, schroff aus dem Meere aufsteigend, seinen Gipfel zu der Hohe unserer
Schneekoppe (er mißt S,016 Fuß) emporträgt, zum Profil des macedonischen 'Alex¬
anders ausarbeiten zu wollen. — Nach 4 Stunden sind wir dem unmittelbar ins
Meer tauchenden Fuße des Berges ans Kanonenschußweite nahe gekommen. Der
Anblick ist überwältigend. Der mächtige Steamer scheint seine Dimensionen ver¬
loren zu haben und schwimmt gleich einer Nußschale an der himmeltragenden
Felscnmasse vorüber. Man kann deutlich die zahlreichen Klöster unterscheiden;
Se. Paul, Se. Anna, Se. Laura und Caracalla, zunächst der See, siud die bedeu¬
tendsten. Vom Ufer nach der Mittelregion des Hanges breitet sich ein Gürtel
grünster Vegetation; aber darüber hinaus ist alles kahl und öde. Wer mit schar¬
fem Auge da oben stände, welcher Gesichtskreis möchte sich ihm eröffnen! Er
möchte gleichzeitig die Küste Asiens erkennen und lief nach Macedonien hinein¬
schauen. — In militärischer Hinsicht hat die Halbinsel, auf welcher der Monte Santo
gelegen ist, die Bedeutung, daß sie (gleich der Halbinsel Gallipoli) einen leicht zu
befestigeuden Terrainabschnitt bildet, und als solcher einerseits Zufluchtsort einer
vom Balkan aus südwärts geworfenen Armee, andererseits aber auch Basis des¬
selben Heeres zu neuen Offensivvperativnen werden kann. Es ist dies ein ähn¬
liches Verhältniß wie dasjenige, in welchem während des dänisch-holsteinischen
Krieges die Insel Alsen zu dem großen Ganzen des dortigen Kriegstheaters
stand. Der hier in Rede gestellte Abschnitt wäre um so stärker, als ihm eine
von der Natur geschaffene Vertheidignngslinie, nämlich die Seekette, welche sich
vom Busen von Orphano bis zum Hafen von Thessalonich (Selanik, Salonichi)
hinzieht, vorgelegen ist. DaS wäre eine Position, von der aus einem russischen
Vorgange über Sofia gegen Adrianopel würde Schach geboten werden können!
Ich behalte mir vor, mich, bei einer andern Gelegenheit, über solche Eventuali¬
tät, in Ihren Blättern ausführlicher vernehmen zu lassen. (Fortsetzung folgt.)




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[0294] Man heizt wiederum am Bord. Ein Flaggenzeichen ruft die Passagiere, welche ans Land gegangen sind, zurück. Bald darauf wird der Anker gelichtet. Der Curs ist Süd. Am äußersten Horizont des klaren Himmels vor uns scheint eine Wolke aufzusteige». Es ist der Monte Santo. « ^ 4' ^ Der Monte Santo. „Am Abend", hat der Capitän geäußert, „werden wir den Monte Santo umsegeln." Um den Wind zu benutzen hat man am Vormast ein Segel bei¬ gesetzt. Die See ist etwas kraus geworden. Wir nahen der Region, welche bei den Alten als fortwährend stürmisch verschrien war, dem wvgcnumdrängten Vor¬ gebirge Athos (Monte Santo.) Es war eine kolossale Idee, diesen gewaltigen Fels- berg, der, schroff aus dem Meere aufsteigend, seinen Gipfel zu der Hohe unserer Schneekoppe (er mißt S,016 Fuß) emporträgt, zum Profil des macedonischen 'Alex¬ anders ausarbeiten zu wollen. — Nach 4 Stunden sind wir dem unmittelbar ins Meer tauchenden Fuße des Berges ans Kanonenschußweite nahe gekommen. Der Anblick ist überwältigend. Der mächtige Steamer scheint seine Dimensionen ver¬ loren zu haben und schwimmt gleich einer Nußschale an der himmeltragenden Felscnmasse vorüber. Man kann deutlich die zahlreichen Klöster unterscheiden; Se. Paul, Se. Anna, Se. Laura und Caracalla, zunächst der See, siud die bedeu¬ tendsten. Vom Ufer nach der Mittelregion des Hanges breitet sich ein Gürtel grünster Vegetation; aber darüber hinaus ist alles kahl und öde. Wer mit schar¬ fem Auge da oben stände, welcher Gesichtskreis möchte sich ihm eröffnen! Er möchte gleichzeitig die Küste Asiens erkennen und lief nach Macedonien hinein¬ schauen. — In militärischer Hinsicht hat die Halbinsel, auf welcher der Monte Santo gelegen ist, die Bedeutung, daß sie (gleich der Halbinsel Gallipoli) einen leicht zu befestigeuden Terrainabschnitt bildet, und als solcher einerseits Zufluchtsort einer vom Balkan aus südwärts geworfenen Armee, andererseits aber auch Basis des¬ selben Heeres zu neuen Offensivvperativnen werden kann. Es ist dies ein ähn¬ liches Verhältniß wie dasjenige, in welchem während des dänisch-holsteinischen Krieges die Insel Alsen zu dem großen Ganzen des dortigen Kriegstheaters stand. Der hier in Rede gestellte Abschnitt wäre um so stärker, als ihm eine von der Natur geschaffene Vertheidignngslinie, nämlich die Seekette, welche sich vom Busen von Orphano bis zum Hafen von Thessalonich (Selanik, Salonichi) hinzieht, vorgelegen ist. DaS wäre eine Position, von der aus einem russischen Vorgange über Sofia gegen Adrianopel würde Schach geboten werden können! Ich behalte mir vor, mich, bei einer andern Gelegenheit, über solche Eventuali¬ tät, in Ihren Blättern ausführlicher vernehmen zu lassen. (Fortsetzung folgt.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/294>, abgerufen am 24.05.2024.