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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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nachsprechen, je nach dem Eindruck, den die Predigt gemacht hat, mit größerer
oder geringerer Zerknirschung. Bei der, die ich hier ziemlich ausführlich mitge¬
theilt habe (denn sie dauern selten' über eine Viertelstunde) war die Zerknirschung
ziemlich groß. Nach dem Gebet gibt der Mönch noch den Segen, entfernt sich
durch die Bogengänge des Colosseums und die Verehrung der Stationen erfolgt
nun, worauf die Prozession wieder über die Via sacra nach dem Oratorium
zurückgeht. Hiebei wird ein ziemlich munteres Lied gesungen, dessen Refrain
lautet: Lvviva la, eroeo, cracs viva!

Man sieht, von welcher Art diese Beredtsamkeit ist. Sie will nicht belehren,
nicht zum Nachdenken anregen, sondern einen augenblicklichen lebhafte" Eindruck
hervorrufe". Dieser Zweck möchte bei Südländer" und zwar bei Menschen von
geringer Bildung "icht ungerechtfertigt sein, wenn diese Eindrücke sich nur nicht
durch ihre fortwährende Wiederholung abstumpften. Ans Leute niedern Standes
sind die Kapnziucrprcdigten fast ausschließlich berechnet, die schone Welt erbaut
sich bei den Jesuiten, und so ist in. diesem bewundernswürdig organisirte" System
für jedes geistliche Bedürfniß jedes Alters, Standes, Geschlechts und Bildungs¬
grades besonders gesorgt. Die Geistlichkeit ist unermüdlich und unerschöpflich
in Mittel", die Aufmerksamkeit des Volkes auf sein Seelenheil -- oder was sie
darunter versteht -- zu lenken und festzuhalten, alle Sinne nimmt sie für diese
Wirkungen in Anspruch. Kein Mittel läßt sie unbenutzt, ihre Lehren einzuprägen.
So z. B. findet man oft kurze Sprüche in Versen, die sich leicht behalten, an
die Mauern geschrieben oder auf gedruckten Zetteln an Kirchthüren angeschlagen.
Am häufigsten liest man gegenwärtig folgendes:


Iclllio mi uäisve, Idclio mi giuitivlioivi:
0 iiitliiuo o pgi'iicliiia "ii loeulivrü.
^iiuseo 1-ni.i.o tuorvllv I'vUn'mi!"!

Die doppelte Perspektive ans Himmel oder Hölle ist das beliebteste und
ohne Zweifel wirksamste Mittel, die sündigen Gemüther z" zerknirschen. Mitunter
klingen diese Erinnerungen komisch genug, z. B.


eilt' linia-i "oll-uUo si tun .
8o si pLixIn, ubi vllo 8"rü?

Aus einer ganzen Reihe von guten Vorsätzen, die nach einem Cyklus von
MissionSpredigten den Gläubigen in einem gedruckten Anschlag aus Herz gelegt
wurden, erinnere ich mich folgender Stellen:


1'LL(!i>ki M!Ü piu!
I'oviüimlo Uüti^gi it LUM' ni (iesü.
nono um Mi!
LKi sivzuö Is moclo, non "ivLuv Kesü.
nulli min >im!
Kulliimlu <!!>I>in!sU I'-iniiil^i! t!vsa. (!)
U. s. w.

nachsprechen, je nach dem Eindruck, den die Predigt gemacht hat, mit größerer
oder geringerer Zerknirschung. Bei der, die ich hier ziemlich ausführlich mitge¬
theilt habe (denn sie dauern selten' über eine Viertelstunde) war die Zerknirschung
ziemlich groß. Nach dem Gebet gibt der Mönch noch den Segen, entfernt sich
durch die Bogengänge des Colosseums und die Verehrung der Stationen erfolgt
nun, worauf die Prozession wieder über die Via sacra nach dem Oratorium
zurückgeht. Hiebei wird ein ziemlich munteres Lied gesungen, dessen Refrain
lautet: Lvviva la, eroeo, cracs viva!

Man sieht, von welcher Art diese Beredtsamkeit ist. Sie will nicht belehren,
nicht zum Nachdenken anregen, sondern einen augenblicklichen lebhafte» Eindruck
hervorrufe». Dieser Zweck möchte bei Südländer» und zwar bei Menschen von
geringer Bildung »icht ungerechtfertigt sein, wenn diese Eindrücke sich nur nicht
durch ihre fortwährende Wiederholung abstumpften. Ans Leute niedern Standes
sind die Kapnziucrprcdigten fast ausschließlich berechnet, die schone Welt erbaut
sich bei den Jesuiten, und so ist in. diesem bewundernswürdig organisirte» System
für jedes geistliche Bedürfniß jedes Alters, Standes, Geschlechts und Bildungs¬
grades besonders gesorgt. Die Geistlichkeit ist unermüdlich und unerschöpflich
in Mittel«, die Aufmerksamkeit des Volkes auf sein Seelenheil — oder was sie
darunter versteht — zu lenken und festzuhalten, alle Sinne nimmt sie für diese
Wirkungen in Anspruch. Kein Mittel läßt sie unbenutzt, ihre Lehren einzuprägen.
So z. B. findet man oft kurze Sprüche in Versen, die sich leicht behalten, an
die Mauern geschrieben oder auf gedruckten Zetteln an Kirchthüren angeschlagen.
Am häufigsten liest man gegenwärtig folgendes:


Iclllio mi uäisve, Idclio mi giuitivlioivi:
0 iiitliiuo o pgi'iicliiia »ii loeulivrü.
^iiuseo 1-ni.i.o tuorvllv I'vUn'mi!«!

Die doppelte Perspektive ans Himmel oder Hölle ist das beliebteste und
ohne Zweifel wirksamste Mittel, die sündigen Gemüther z» zerknirschen. Mitunter
klingen diese Erinnerungen komisch genug, z. B.


eilt' linia-i «oll-uUo si tun .
8o si pLixIn, ubi vllo 8»rü?

Aus einer ganzen Reihe von guten Vorsätzen, die nach einem Cyklus von
MissionSpredigten den Gläubigen in einem gedruckten Anschlag aus Herz gelegt
wurden, erinnere ich mich folgender Stellen:


1'LL(!i>ki M!Ü piu!
I'oviüimlo Uüti^gi it LUM' ni (iesü.
nono um Mi!
LKi sivzuö Is moclo, non «ivLuv Kesü.
nulli min >im!
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U. s. w.

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[0493] nachsprechen, je nach dem Eindruck, den die Predigt gemacht hat, mit größerer oder geringerer Zerknirschung. Bei der, die ich hier ziemlich ausführlich mitge¬ theilt habe (denn sie dauern selten' über eine Viertelstunde) war die Zerknirschung ziemlich groß. Nach dem Gebet gibt der Mönch noch den Segen, entfernt sich durch die Bogengänge des Colosseums und die Verehrung der Stationen erfolgt nun, worauf die Prozession wieder über die Via sacra nach dem Oratorium zurückgeht. Hiebei wird ein ziemlich munteres Lied gesungen, dessen Refrain lautet: Lvviva la, eroeo, cracs viva! Man sieht, von welcher Art diese Beredtsamkeit ist. Sie will nicht belehren, nicht zum Nachdenken anregen, sondern einen augenblicklichen lebhafte» Eindruck hervorrufe». Dieser Zweck möchte bei Südländer» und zwar bei Menschen von geringer Bildung »icht ungerechtfertigt sein, wenn diese Eindrücke sich nur nicht durch ihre fortwährende Wiederholung abstumpften. Ans Leute niedern Standes sind die Kapnziucrprcdigten fast ausschließlich berechnet, die schone Welt erbaut sich bei den Jesuiten, und so ist in. diesem bewundernswürdig organisirte» System für jedes geistliche Bedürfniß jedes Alters, Standes, Geschlechts und Bildungs¬ grades besonders gesorgt. Die Geistlichkeit ist unermüdlich und unerschöpflich in Mittel«, die Aufmerksamkeit des Volkes auf sein Seelenheil — oder was sie darunter versteht — zu lenken und festzuhalten, alle Sinne nimmt sie für diese Wirkungen in Anspruch. Kein Mittel läßt sie unbenutzt, ihre Lehren einzuprägen. So z. B. findet man oft kurze Sprüche in Versen, die sich leicht behalten, an die Mauern geschrieben oder auf gedruckten Zetteln an Kirchthüren angeschlagen. Am häufigsten liest man gegenwärtig folgendes: Iclllio mi uäisve, Idclio mi giuitivlioivi: 0 iiitliiuo o pgi'iicliiia »ii loeulivrü. ^iiuseo 1-ni.i.o tuorvllv I'vUn'mi!«! Die doppelte Perspektive ans Himmel oder Hölle ist das beliebteste und ohne Zweifel wirksamste Mittel, die sündigen Gemüther z» zerknirschen. Mitunter klingen diese Erinnerungen komisch genug, z. B. eilt' linia-i «oll-uUo si tun . 8o si pLixIn, ubi vllo 8»rü? Aus einer ganzen Reihe von guten Vorsätzen, die nach einem Cyklus von MissionSpredigten den Gläubigen in einem gedruckten Anschlag aus Herz gelegt wurden, erinnere ich mich folgender Stellen: 1'LL(!i>ki M!Ü piu! I'oviüimlo Uüti^gi it LUM' ni (iesü. nono um Mi! LKi sivzuö Is moclo, non «ivLuv Kesü. nulli min >im! Kulliimlu <!!>I>in!sU I'-iniiil^i! t!vsa. (!) U. s. w.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/493>, abgerufen am 16.06.2024.