Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

eine so verworrene Menge von Gesetzen beschränkt, daß man ihnen bei weitem
zuviel Ehre anthun würde, wollte man sie als eine ordentliche Zunftverfassung be¬
zeichnen. Im Freihandel weit über die kühnsten Wünsche der Zeit hinaus, in
der Gewerbefreiheit sehr hinter den billigsten Anforderungen der Zeit zurück, daß
man keinem einzelnen der vergangenen Geschlechter die schimpfliche Urheberschaft
dieser Zünfte und Binnenzölle aufbürden sollte, vervollständigt Mecklenburg nnr
das carritirte Bild einer Volkswirthschaft ohne Princip und Herkunft, wenn
es mit seinen Finanzen noch immer unwandelbar die Stufe des sechzehnten Jahr¬
hunderts innehält.

Die Wurzeln des öffentliche" Stcuerwesens sind in Mecklenburg natürlich die
nämlichen wie überall anderswo unter der Herrschaft des deutschen Staatsrechts.
Lange Zeit genügten die Ueberschüsse des Krongnts, um die noch wenig kostbaren
und zusammengesetzten Bedürfnisse des Staatshaushalts zu befriedigen. Als aber
der persönliche Dienst der Vasallen aufhörte, und die stehenden Heere eine poli¬
tische Landplage Europas wurden, mußten neue Hilfsquellen für den gesteigerten
Bedarf.der Statskafse aufgefunden werde". Es kam dazu, daß die ehemals be¬
scheidenen Kosten der fürstlichen Hofhaltung im Verhältniß zu den Ausgaben
des Staats nicht geringer, sonder" beträchtlicher geworden waren. Nun hatte
der Fürst besonders zwei Mittel, von ausländische" Subsidien und ähnlichen Noth¬
ankern abzusehen, um in den gefährlichen Untiefen seiner Finanzverwaltung feste"
Stand zu behalte". Er konnte seine Eigenen oder Hörigen, die Eingesessenen
des Domaniums, nach völliger Willkür schätzen und besteuern; aber da ihre
Zahl beschränkt war, so fand die Ausbeutung dieser armen Leute bald eine nn-
übersteigbare Schranke. Er konnte dann zweitens sich an die getreuen Stände
des Reichs mit der Bitte wenden, ihn in seiner Ebbe wieder ein wenig flott
zu machen. Der mecklenburgischen Dynastie ist es nicht so wohl ergangen wie
den oldenburgischen Herzogen und Grafen, welche mit keinerlei Ständen im
Staate zu thun hatten, in Sparsamkeit über die schlimmen Zeiten ständischer Un¬
ruhen hinwegkamen und nachher nach Herzenslust Steuern ausschreibe" dursten.
Die mecklenburger Herzoge versuchte" zu Anfang des achtzehnte" Jahrhunderts
unter russische"! Beistand, die Stände vermittelst eines gelinden Zwanges will¬
fähriger zu machen, als von jeher und allerorten ihre Natur war. Aber das hei¬
lige römische Reich hatte damals noch einen Sckirmherrn des gemeine" Rechts,
der denn auch seine kaiserliche Macht zu Gunsten der populären Sache einsetzte,
und in dem landesgrnndgesetzlichen Erbverglcich von das Steuerbewilligungs¬
recht in bester Form bekräftigen und neu herstellen ließ. Indem es ausgemacht
wurde, daß gewiss" Steuern stets bewilligt werden sollten, wurde damit der fürst¬
liche Anspruch zugleich aus das Ertägliche wirksam genug begrenzt.

So fallen denn nur noch die Bewohner der großherzoglichen Domänen,
da sie weder entgegenstehende Rechte uoch eine ordentliche Vertretung haben, der,


eine so verworrene Menge von Gesetzen beschränkt, daß man ihnen bei weitem
zuviel Ehre anthun würde, wollte man sie als eine ordentliche Zunftverfassung be¬
zeichnen. Im Freihandel weit über die kühnsten Wünsche der Zeit hinaus, in
der Gewerbefreiheit sehr hinter den billigsten Anforderungen der Zeit zurück, daß
man keinem einzelnen der vergangenen Geschlechter die schimpfliche Urheberschaft
dieser Zünfte und Binnenzölle aufbürden sollte, vervollständigt Mecklenburg nnr
das carritirte Bild einer Volkswirthschaft ohne Princip und Herkunft, wenn
es mit seinen Finanzen noch immer unwandelbar die Stufe des sechzehnten Jahr¬
hunderts innehält.

Die Wurzeln des öffentliche» Stcuerwesens sind in Mecklenburg natürlich die
nämlichen wie überall anderswo unter der Herrschaft des deutschen Staatsrechts.
Lange Zeit genügten die Ueberschüsse des Krongnts, um die noch wenig kostbaren
und zusammengesetzten Bedürfnisse des Staatshaushalts zu befriedigen. Als aber
der persönliche Dienst der Vasallen aufhörte, und die stehenden Heere eine poli¬
tische Landplage Europas wurden, mußten neue Hilfsquellen für den gesteigerten
Bedarf.der Statskafse aufgefunden werde». Es kam dazu, daß die ehemals be¬
scheidenen Kosten der fürstlichen Hofhaltung im Verhältniß zu den Ausgaben
des Staats nicht geringer, sonder» beträchtlicher geworden waren. Nun hatte
der Fürst besonders zwei Mittel, von ausländische» Subsidien und ähnlichen Noth¬
ankern abzusehen, um in den gefährlichen Untiefen seiner Finanzverwaltung feste»
Stand zu behalte». Er konnte seine Eigenen oder Hörigen, die Eingesessenen
des Domaniums, nach völliger Willkür schätzen und besteuern; aber da ihre
Zahl beschränkt war, so fand die Ausbeutung dieser armen Leute bald eine nn-
übersteigbare Schranke. Er konnte dann zweitens sich an die getreuen Stände
des Reichs mit der Bitte wenden, ihn in seiner Ebbe wieder ein wenig flott
zu machen. Der mecklenburgischen Dynastie ist es nicht so wohl ergangen wie
den oldenburgischen Herzogen und Grafen, welche mit keinerlei Ständen im
Staate zu thun hatten, in Sparsamkeit über die schlimmen Zeiten ständischer Un¬
ruhen hinwegkamen und nachher nach Herzenslust Steuern ausschreibe» dursten.
Die mecklenburger Herzoge versuchte» zu Anfang des achtzehnte» Jahrhunderts
unter russische»! Beistand, die Stände vermittelst eines gelinden Zwanges will¬
fähriger zu machen, als von jeher und allerorten ihre Natur war. Aber das hei¬
lige römische Reich hatte damals noch einen Sckirmherrn des gemeine» Rechts,
der denn auch seine kaiserliche Macht zu Gunsten der populären Sache einsetzte,
und in dem landesgrnndgesetzlichen Erbverglcich von das Steuerbewilligungs¬
recht in bester Form bekräftigen und neu herstellen ließ. Indem es ausgemacht
wurde, daß gewiss» Steuern stets bewilligt werden sollten, wurde damit der fürst¬
liche Anspruch zugleich aus das Ertägliche wirksam genug begrenzt.

So fallen denn nur noch die Bewohner der großherzoglichen Domänen,
da sie weder entgegenstehende Rechte uoch eine ordentliche Vertretung haben, der,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0061" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/97307"/>
          <p xml:id="ID_132" prev="#ID_131"> eine so verworrene Menge von Gesetzen beschränkt, daß man ihnen bei weitem<lb/>
zuviel Ehre anthun würde, wollte man sie als eine ordentliche Zunftverfassung be¬<lb/>
zeichnen. Im Freihandel weit über die kühnsten Wünsche der Zeit hinaus, in<lb/>
der Gewerbefreiheit sehr hinter den billigsten Anforderungen der Zeit zurück, daß<lb/>
man keinem einzelnen der vergangenen Geschlechter die schimpfliche Urheberschaft<lb/>
dieser Zünfte und Binnenzölle aufbürden sollte, vervollständigt Mecklenburg nnr<lb/>
das carritirte Bild einer Volkswirthschaft ohne Princip und Herkunft, wenn<lb/>
es mit seinen Finanzen noch immer unwandelbar die Stufe des sechzehnten Jahr¬<lb/>
hunderts innehält.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_133"> Die Wurzeln des öffentliche» Stcuerwesens sind in Mecklenburg natürlich die<lb/>
nämlichen wie überall anderswo unter der Herrschaft des deutschen Staatsrechts.<lb/>
Lange Zeit genügten die Ueberschüsse des Krongnts, um die noch wenig kostbaren<lb/>
und zusammengesetzten Bedürfnisse des Staatshaushalts zu befriedigen. Als aber<lb/>
der persönliche Dienst der Vasallen aufhörte, und die stehenden Heere eine poli¬<lb/>
tische Landplage Europas wurden, mußten neue Hilfsquellen für den gesteigerten<lb/>
Bedarf.der Statskafse aufgefunden werde». Es kam dazu, daß die ehemals be¬<lb/>
scheidenen Kosten der fürstlichen Hofhaltung im Verhältniß zu den Ausgaben<lb/>
des Staats nicht geringer, sonder» beträchtlicher geworden waren. Nun hatte<lb/>
der Fürst besonders zwei Mittel, von ausländische» Subsidien und ähnlichen Noth¬<lb/>
ankern abzusehen, um in den gefährlichen Untiefen seiner Finanzverwaltung feste»<lb/>
Stand zu behalte». Er konnte seine Eigenen oder Hörigen, die Eingesessenen<lb/>
des Domaniums, nach völliger Willkür schätzen und besteuern; aber da ihre<lb/>
Zahl beschränkt war, so fand die Ausbeutung dieser armen Leute bald eine nn-<lb/>
übersteigbare Schranke. Er konnte dann zweitens sich an die getreuen Stände<lb/>
des Reichs mit der Bitte wenden, ihn in seiner Ebbe wieder ein wenig flott<lb/>
zu machen. Der mecklenburgischen Dynastie ist es nicht so wohl ergangen wie<lb/>
den oldenburgischen Herzogen und Grafen, welche mit keinerlei Ständen im<lb/>
Staate zu thun hatten, in Sparsamkeit über die schlimmen Zeiten ständischer Un¬<lb/>
ruhen hinwegkamen und nachher nach Herzenslust Steuern ausschreibe» dursten.<lb/>
Die mecklenburger Herzoge versuchte» zu Anfang des achtzehnte» Jahrhunderts<lb/>
unter russische»! Beistand, die Stände vermittelst eines gelinden Zwanges will¬<lb/>
fähriger zu machen, als von jeher und allerorten ihre Natur war. Aber das hei¬<lb/>
lige römische Reich hatte damals noch einen Sckirmherrn des gemeine» Rechts,<lb/>
der denn auch seine kaiserliche Macht zu Gunsten der populären Sache einsetzte,<lb/>
und in dem landesgrnndgesetzlichen Erbverglcich von das Steuerbewilligungs¬<lb/>
recht in bester Form bekräftigen und neu herstellen ließ. Indem es ausgemacht<lb/>
wurde, daß gewiss» Steuern stets bewilligt werden sollten, wurde damit der fürst¬<lb/>
liche Anspruch zugleich aus das Ertägliche wirksam genug begrenzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_134" next="#ID_135"> So fallen denn nur noch die Bewohner der großherzoglichen Domänen,<lb/>
da sie weder entgegenstehende Rechte uoch eine ordentliche Vertretung haben, der,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0061] eine so verworrene Menge von Gesetzen beschränkt, daß man ihnen bei weitem zuviel Ehre anthun würde, wollte man sie als eine ordentliche Zunftverfassung be¬ zeichnen. Im Freihandel weit über die kühnsten Wünsche der Zeit hinaus, in der Gewerbefreiheit sehr hinter den billigsten Anforderungen der Zeit zurück, daß man keinem einzelnen der vergangenen Geschlechter die schimpfliche Urheberschaft dieser Zünfte und Binnenzölle aufbürden sollte, vervollständigt Mecklenburg nnr das carritirte Bild einer Volkswirthschaft ohne Princip und Herkunft, wenn es mit seinen Finanzen noch immer unwandelbar die Stufe des sechzehnten Jahr¬ hunderts innehält. Die Wurzeln des öffentliche» Stcuerwesens sind in Mecklenburg natürlich die nämlichen wie überall anderswo unter der Herrschaft des deutschen Staatsrechts. Lange Zeit genügten die Ueberschüsse des Krongnts, um die noch wenig kostbaren und zusammengesetzten Bedürfnisse des Staatshaushalts zu befriedigen. Als aber der persönliche Dienst der Vasallen aufhörte, und die stehenden Heere eine poli¬ tische Landplage Europas wurden, mußten neue Hilfsquellen für den gesteigerten Bedarf.der Statskafse aufgefunden werde». Es kam dazu, daß die ehemals be¬ scheidenen Kosten der fürstlichen Hofhaltung im Verhältniß zu den Ausgaben des Staats nicht geringer, sonder» beträchtlicher geworden waren. Nun hatte der Fürst besonders zwei Mittel, von ausländische» Subsidien und ähnlichen Noth¬ ankern abzusehen, um in den gefährlichen Untiefen seiner Finanzverwaltung feste» Stand zu behalte». Er konnte seine Eigenen oder Hörigen, die Eingesessenen des Domaniums, nach völliger Willkür schätzen und besteuern; aber da ihre Zahl beschränkt war, so fand die Ausbeutung dieser armen Leute bald eine nn- übersteigbare Schranke. Er konnte dann zweitens sich an die getreuen Stände des Reichs mit der Bitte wenden, ihn in seiner Ebbe wieder ein wenig flott zu machen. Der mecklenburgischen Dynastie ist es nicht so wohl ergangen wie den oldenburgischen Herzogen und Grafen, welche mit keinerlei Ständen im Staate zu thun hatten, in Sparsamkeit über die schlimmen Zeiten ständischer Un¬ ruhen hinwegkamen und nachher nach Herzenslust Steuern ausschreibe» dursten. Die mecklenburger Herzoge versuchte» zu Anfang des achtzehnte» Jahrhunderts unter russische»! Beistand, die Stände vermittelst eines gelinden Zwanges will¬ fähriger zu machen, als von jeher und allerorten ihre Natur war. Aber das hei¬ lige römische Reich hatte damals noch einen Sckirmherrn des gemeine» Rechts, der denn auch seine kaiserliche Macht zu Gunsten der populären Sache einsetzte, und in dem landesgrnndgesetzlichen Erbverglcich von das Steuerbewilligungs¬ recht in bester Form bekräftigen und neu herstellen ließ. Indem es ausgemacht wurde, daß gewiss» Steuern stets bewilligt werden sollten, wurde damit der fürst¬ liche Anspruch zugleich aus das Ertägliche wirksam genug begrenzt. So fallen denn nur noch die Bewohner der großherzoglichen Domänen, da sie weder entgegenstehende Rechte uoch eine ordentliche Vertretung haben, der,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/61
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/61>, abgerufen am 24.05.2024.