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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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öffentlichen Besteuerung ohne Einschränkung anheim. Sie finden darin einen anS-
hilflichen Schutz, daß das Interesse der Regierung selbst verbietet, sie über das
Maß ihrer Kräfte hinaus anzuspannen. Die ständischen Bewilligungen sind seit
1733 allemal nur zögernd, widerwillig und karg erfolgt, so daß der politische Fort¬
schritt in seinem Nerv gelähmt blieb, und die Staatsgewalt auf der einen Seite
ebenso mittelalterlich beschränkt, wie auf der andern dem zügellosesten Absolutis¬
mus überlassen wurde. Eine peinliche Abhängigkeit von den Ständen war seit¬
dem das Kreuz jeder mecklenburgischen Regierung. Und von was für Ständen!
Die Blüte des Krautjuukcrthums, der leibhafte Zopf in der Gestalt von einigen
Dutzend achtungswerther Bürgermeister und Rathsverwandter, wie aus den ehr¬
würdigen Städten Schilda, Schöppenstedt und Krähwinkel 'zusammengelesen;
Stände von soviel Bildung und Verstand, daß ihnen selbst der Crbvergleich von
1733 wie eine elende papierne Verfassung der Neuzeit vorkommt, welche durch
den gottgesegneten Zustand der früheren Jahrhunderte, so rasch und vollständig
wie möglich ersetzt werden müsse.

Das Stenermesen Mecklenburgs zerfällt in drei Abschnitte, die directen Ab¬
gaben als den weitaus erheblichsten Theil, die Landzölle und die Elbzölle.
Diese letzteren werden in Dönitz und Boitzenburg erhoben, und brachten an
roher Einnahme nach dem Haushaltsplan von 1830/31 483,820 Thlr. auf.. Neben
ihnen sind die Zölle der Elbe, Havel und Stör kaum erwähnenswert!), da sie
nur 3600 Thlr. ergeben. Auch jene anderen werden hoffentlich bald den ge¬
machten Auforderungen der Schiffahrt und des Handels erliegen, und der wich¬
tigste" Stromader Deutschlands ihre natürliche Freiheit zurückerstatten. Die
Landzölle sind heute noch dieselben, wie im Anfang des dreißigjährigen Kriegs, da
sie laut des obengenannten Erbvergleichs nicht vermehrt werden dürfen. Die Zoll-
stätten liegen meistens mitten im Lande an den Thoren der Städte. Schwerin
zählt 27 Hauptämter mit 33 Nebenämtern; Strelitz im ganzen 38. Jede Zoll-
stätte hat ihren eigenen Tarif, auf deren jedem der Stand von zwei Jahrhun¬
derte" ruht, während die Grundsätze natürlich fehlen. Die unterschiedlichen Zoll-
freihcitcu der Gutsbesitzer, Pächter, Kirchen und Salzfahrer, sowie einzelner
begünstigter Städte hier aufzuzählen ist unser.Raum zu kostbar. Der Ertrag
sämmtlicher Laudzollämter ist in jenem Haushaltsplan auf 32,630 Thlr. berechnet,
während der mecklenburgische Transitzoll der Berlin-Hamburger Bahn "jährlich
70,000 Thlr. roh einbringen soll.

Das System der directen Steuern Mecklenburgs ist interessanter für den
Alterthnmsfrennd als barocke Reliquie, denn als Gegenstand des Studiums für
den Historiker. Der Politiker mag wenig mehr aus ihm erfahren, als wie man
eine Bevölkerung unter allen Umständen nicht zu besteuern hat. Indem wir
den Etat von 1830/31 zu Grunde legen, der freilich in den Umsturz der kon¬
stitutionellen Verfassung mit verwickelt morde" ist, wollen wir die verschiedenen


öffentlichen Besteuerung ohne Einschränkung anheim. Sie finden darin einen anS-
hilflichen Schutz, daß das Interesse der Regierung selbst verbietet, sie über das
Maß ihrer Kräfte hinaus anzuspannen. Die ständischen Bewilligungen sind seit
1733 allemal nur zögernd, widerwillig und karg erfolgt, so daß der politische Fort¬
schritt in seinem Nerv gelähmt blieb, und die Staatsgewalt auf der einen Seite
ebenso mittelalterlich beschränkt, wie auf der andern dem zügellosesten Absolutis¬
mus überlassen wurde. Eine peinliche Abhängigkeit von den Ständen war seit¬
dem das Kreuz jeder mecklenburgischen Regierung. Und von was für Ständen!
Die Blüte des Krautjuukcrthums, der leibhafte Zopf in der Gestalt von einigen
Dutzend achtungswerther Bürgermeister und Rathsverwandter, wie aus den ehr¬
würdigen Städten Schilda, Schöppenstedt und Krähwinkel 'zusammengelesen;
Stände von soviel Bildung und Verstand, daß ihnen selbst der Crbvergleich von
1733 wie eine elende papierne Verfassung der Neuzeit vorkommt, welche durch
den gottgesegneten Zustand der früheren Jahrhunderte, so rasch und vollständig
wie möglich ersetzt werden müsse.

Das Stenermesen Mecklenburgs zerfällt in drei Abschnitte, die directen Ab¬
gaben als den weitaus erheblichsten Theil, die Landzölle und die Elbzölle.
Diese letzteren werden in Dönitz und Boitzenburg erhoben, und brachten an
roher Einnahme nach dem Haushaltsplan von 1830/31 483,820 Thlr. auf.. Neben
ihnen sind die Zölle der Elbe, Havel und Stör kaum erwähnenswert!), da sie
nur 3600 Thlr. ergeben. Auch jene anderen werden hoffentlich bald den ge¬
machten Auforderungen der Schiffahrt und des Handels erliegen, und der wich¬
tigste» Stromader Deutschlands ihre natürliche Freiheit zurückerstatten. Die
Landzölle sind heute noch dieselben, wie im Anfang des dreißigjährigen Kriegs, da
sie laut des obengenannten Erbvergleichs nicht vermehrt werden dürfen. Die Zoll-
stätten liegen meistens mitten im Lande an den Thoren der Städte. Schwerin
zählt 27 Hauptämter mit 33 Nebenämtern; Strelitz im ganzen 38. Jede Zoll-
stätte hat ihren eigenen Tarif, auf deren jedem der Stand von zwei Jahrhun¬
derte» ruht, während die Grundsätze natürlich fehlen. Die unterschiedlichen Zoll-
freihcitcu der Gutsbesitzer, Pächter, Kirchen und Salzfahrer, sowie einzelner
begünstigter Städte hier aufzuzählen ist unser.Raum zu kostbar. Der Ertrag
sämmtlicher Laudzollämter ist in jenem Haushaltsplan auf 32,630 Thlr. berechnet,
während der mecklenburgische Transitzoll der Berlin-Hamburger Bahn "jährlich
70,000 Thlr. roh einbringen soll.

Das System der directen Steuern Mecklenburgs ist interessanter für den
Alterthnmsfrennd als barocke Reliquie, denn als Gegenstand des Studiums für
den Historiker. Der Politiker mag wenig mehr aus ihm erfahren, als wie man
eine Bevölkerung unter allen Umständen nicht zu besteuern hat. Indem wir
den Etat von 1830/31 zu Grunde legen, der freilich in den Umsturz der kon¬
stitutionellen Verfassung mit verwickelt morde» ist, wollen wir die verschiedenen


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[0062] öffentlichen Besteuerung ohne Einschränkung anheim. Sie finden darin einen anS- hilflichen Schutz, daß das Interesse der Regierung selbst verbietet, sie über das Maß ihrer Kräfte hinaus anzuspannen. Die ständischen Bewilligungen sind seit 1733 allemal nur zögernd, widerwillig und karg erfolgt, so daß der politische Fort¬ schritt in seinem Nerv gelähmt blieb, und die Staatsgewalt auf der einen Seite ebenso mittelalterlich beschränkt, wie auf der andern dem zügellosesten Absolutis¬ mus überlassen wurde. Eine peinliche Abhängigkeit von den Ständen war seit¬ dem das Kreuz jeder mecklenburgischen Regierung. Und von was für Ständen! Die Blüte des Krautjuukcrthums, der leibhafte Zopf in der Gestalt von einigen Dutzend achtungswerther Bürgermeister und Rathsverwandter, wie aus den ehr¬ würdigen Städten Schilda, Schöppenstedt und Krähwinkel 'zusammengelesen; Stände von soviel Bildung und Verstand, daß ihnen selbst der Crbvergleich von 1733 wie eine elende papierne Verfassung der Neuzeit vorkommt, welche durch den gottgesegneten Zustand der früheren Jahrhunderte, so rasch und vollständig wie möglich ersetzt werden müsse. Das Stenermesen Mecklenburgs zerfällt in drei Abschnitte, die directen Ab¬ gaben als den weitaus erheblichsten Theil, die Landzölle und die Elbzölle. Diese letzteren werden in Dönitz und Boitzenburg erhoben, und brachten an roher Einnahme nach dem Haushaltsplan von 1830/31 483,820 Thlr. auf.. Neben ihnen sind die Zölle der Elbe, Havel und Stör kaum erwähnenswert!), da sie nur 3600 Thlr. ergeben. Auch jene anderen werden hoffentlich bald den ge¬ machten Auforderungen der Schiffahrt und des Handels erliegen, und der wich¬ tigste» Stromader Deutschlands ihre natürliche Freiheit zurückerstatten. Die Landzölle sind heute noch dieselben, wie im Anfang des dreißigjährigen Kriegs, da sie laut des obengenannten Erbvergleichs nicht vermehrt werden dürfen. Die Zoll- stätten liegen meistens mitten im Lande an den Thoren der Städte. Schwerin zählt 27 Hauptämter mit 33 Nebenämtern; Strelitz im ganzen 38. Jede Zoll- stätte hat ihren eigenen Tarif, auf deren jedem der Stand von zwei Jahrhun¬ derte» ruht, während die Grundsätze natürlich fehlen. Die unterschiedlichen Zoll- freihcitcu der Gutsbesitzer, Pächter, Kirchen und Salzfahrer, sowie einzelner begünstigter Städte hier aufzuzählen ist unser.Raum zu kostbar. Der Ertrag sämmtlicher Laudzollämter ist in jenem Haushaltsplan auf 32,630 Thlr. berechnet, während der mecklenburgische Transitzoll der Berlin-Hamburger Bahn "jährlich 70,000 Thlr. roh einbringen soll. Das System der directen Steuern Mecklenburgs ist interessanter für den Alterthnmsfrennd als barocke Reliquie, denn als Gegenstand des Studiums für den Historiker. Der Politiker mag wenig mehr aus ihm erfahren, als wie man eine Bevölkerung unter allen Umständen nicht zu besteuern hat. Indem wir den Etat von 1830/31 zu Grunde legen, der freilich in den Umsturz der kon¬ stitutionellen Verfassung mit verwickelt morde» ist, wollen wir die verschiedenen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/62>, abgerufen am 16.06.2024.