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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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die Bernadottes, vormaligen Sergeanten in Royal-Marine, damals Marschalls
von Frankreich und Prinzen von Pontecorvo. Mitte Juni-1810 trifft in Paris
ein einfacher schwedischer Lieutenant, Namens Mörner ein, der beauftragt ist, dem
schwedischen Gesandten Lagerbielke Depeschen zu überbringen. Jung, feurig,
Bewunderer Napoleons und seiner Waffengefährten, hat er die Idee, die Krone
Schwedens einem der Generale Napoleons anzubieten, überzeugt, dadurch sein
Land zu retten und die Zustimmung desselben zu erhalten. Er theilt den Plan
seinem Freunde Lapie, Offizier im topographischen Bureau zu Paris, mit, der
lebhaft auf denselben eingeht. Die beiden Freunde sprachen von Eugen
Beauharnais, Berthier, Massena, Davoust, Macdonald. Mvrner erklärte sich
schließlich für Bernadotte und Lapie widersprach nicht. Bernadotte war ein
Verwandter des Kaisers, unabhängig von Charakter, geliebt in Norddeutschland
wegen seiner Verwaltung Hannovers; den Schweden bekannt, deren Gefangene
er in Lübeck -1806 sehr gut behandelt hatte; er war sehr reich und hatte einen
elfjährigen Sohn: kurz er besaß alle wünschenswerthen Eigenschaften. Man
entschied sich für Bernadotte.' Sofort wendete sich Lapie an den General
Guilleminot, Morier an den schwedischen Generalconsul Signeul in Paris.
Man beschloß mit Umgehung des schwedischen Gesandten Lagerbielke
direct Bernadotte anzugehen. Am 23. Juni 1810 hatte Mörner seine erste
Unterredung mit dem Prinzen von Pontecorvo. Er trat als Organ einer
bereits bedeutenden Partei in Schweden auf, als Mitglied des Reichs¬
tages versicherte er, die Sympathien Kieser Versammlung würden die Wahl
Bernadottes leicht machen. Der Marschall antwortete zurückhaltend, erinnerte
sich jedoch schließlich der Weissagung der Mademoiselle Lenormand, er werde
eine Krone tragen, aber übers Meer fahren müssen, um sie zu empfangen.
Hierauf zog Mörner den schwedischen Gemal Wrede ins Geheimniß, welcher
den letzten Brief Karls XIII. dem Kaiser Napoleon überbracht hatte. Wrede,
welcher Stockholm vor dem Tode des Kronprinzen Karl August verlassen hatte,
fand es nicht unwahrscheinlich, daß die öffentliche Meinung in Stockholm so
sei, wie Mörner sie darstellte; er wußte, daß sie seit langer Zeit zu Frankreich
sich hinneige; er erinnerte sich, daß Napoleon alle Candidaten, von denen die
Rede gewesen, mit Gleichgiltigkeit aufgenommen habe und schloß daraus, daß
der Kaiser insgeheim die Wahl Bernadottes wünsche; er verehrte überdies
Frankreich und insbesondre den Marschall Bernadotte; alle diese Umstände
bestimmten ihn, den Vorschlag Mörners nicht zurückzuweisen und über denselben
offen mit Bernadotte zu sprechen. Er beschloß mit diesem, Mörner solle den
Plan schriftlich abfassen, damit der Marschall denselben dem Kaiser vorleg.en
könne. Napoleon erwiderte, man müsse die Entscheidung des schwedischen
Reichstages abwarten, auf den er in keiner Weise einwirken wolle, und
Bernadotte reiste auf sein Landgut La Grang.e, nachdem er jedoch zuvor zu


die Bernadottes, vormaligen Sergeanten in Royal-Marine, damals Marschalls
von Frankreich und Prinzen von Pontecorvo. Mitte Juni-1810 trifft in Paris
ein einfacher schwedischer Lieutenant, Namens Mörner ein, der beauftragt ist, dem
schwedischen Gesandten Lagerbielke Depeschen zu überbringen. Jung, feurig,
Bewunderer Napoleons und seiner Waffengefährten, hat er die Idee, die Krone
Schwedens einem der Generale Napoleons anzubieten, überzeugt, dadurch sein
Land zu retten und die Zustimmung desselben zu erhalten. Er theilt den Plan
seinem Freunde Lapie, Offizier im topographischen Bureau zu Paris, mit, der
lebhaft auf denselben eingeht. Die beiden Freunde sprachen von Eugen
Beauharnais, Berthier, Massena, Davoust, Macdonald. Mvrner erklärte sich
schließlich für Bernadotte und Lapie widersprach nicht. Bernadotte war ein
Verwandter des Kaisers, unabhängig von Charakter, geliebt in Norddeutschland
wegen seiner Verwaltung Hannovers; den Schweden bekannt, deren Gefangene
er in Lübeck -1806 sehr gut behandelt hatte; er war sehr reich und hatte einen
elfjährigen Sohn: kurz er besaß alle wünschenswerthen Eigenschaften. Man
entschied sich für Bernadotte.' Sofort wendete sich Lapie an den General
Guilleminot, Morier an den schwedischen Generalconsul Signeul in Paris.
Man beschloß mit Umgehung des schwedischen Gesandten Lagerbielke
direct Bernadotte anzugehen. Am 23. Juni 1810 hatte Mörner seine erste
Unterredung mit dem Prinzen von Pontecorvo. Er trat als Organ einer
bereits bedeutenden Partei in Schweden auf, als Mitglied des Reichs¬
tages versicherte er, die Sympathien Kieser Versammlung würden die Wahl
Bernadottes leicht machen. Der Marschall antwortete zurückhaltend, erinnerte
sich jedoch schließlich der Weissagung der Mademoiselle Lenormand, er werde
eine Krone tragen, aber übers Meer fahren müssen, um sie zu empfangen.
Hierauf zog Mörner den schwedischen Gemal Wrede ins Geheimniß, welcher
den letzten Brief Karls XIII. dem Kaiser Napoleon überbracht hatte. Wrede,
welcher Stockholm vor dem Tode des Kronprinzen Karl August verlassen hatte,
fand es nicht unwahrscheinlich, daß die öffentliche Meinung in Stockholm so
sei, wie Mörner sie darstellte; er wußte, daß sie seit langer Zeit zu Frankreich
sich hinneige; er erinnerte sich, daß Napoleon alle Candidaten, von denen die
Rede gewesen, mit Gleichgiltigkeit aufgenommen habe und schloß daraus, daß
der Kaiser insgeheim die Wahl Bernadottes wünsche; er verehrte überdies
Frankreich und insbesondre den Marschall Bernadotte; alle diese Umstände
bestimmten ihn, den Vorschlag Mörners nicht zurückzuweisen und über denselben
offen mit Bernadotte zu sprechen. Er beschloß mit diesem, Mörner solle den
Plan schriftlich abfassen, damit der Marschall denselben dem Kaiser vorleg.en
könne. Napoleon erwiderte, man müsse die Entscheidung des schwedischen
Reichstages abwarten, auf den er in keiner Weise einwirken wolle, und
Bernadotte reiste auf sein Landgut La Grang.e, nachdem er jedoch zuvor zu


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/142>, abgerufen am 17.06.2024.