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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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werthe Thätigkeit erlangt zu haben, nimmt keine Rücksicht auf das Verbot.
Natürlich wird er von der oldenburgischen Regierung des Dienstes entlassen, es
bleibt ihm aber eine Pension von 1200 Thalern. Er findet das ungerecht
und protestirt dagegen. Er kommt in Bremen an, kann sich aber wieder nicht
damit begnügen, den ihm ertheilten Auftrag gehorsam zu erfüllen, sondern
besteht darauf, über die Verwendung der deutschen Flotte der Bundesversamm¬
lung seine eignen Ansichten zu insinuiren, deren Haupttendenz ist, eine Corvette
in die Elbe, eine in die Weser zu legen, die übrigen Schiffe gemüthlich zur
Hälfte an Preußen, zur Hälfte an Oestreich zu schenken. Für dieses Project
wird er so heiß, daß er wieder seinen Posten verläßt und in den norddeutschen
Hauptstädten herumreist, um andre Stimmen dafür zu erwerben. Natürlich mi߬
lingt ihm dies überall und auch die Bundesversammlung wird mit ihm unzufrieden.
In Bremen hat er jede Art Noth, eine Schiffsbeschrcibung für die Versteige¬
rung zu erhalten. Er selbst versteht nichts vou Schiffen, die Techniker wollen diese
Beschreibung nicht machen; der Admiral Brommy verweigert die Uebersetzung
derselben ins, Französische und Englische, er verklagt den Admiral. Der
Bundestagsausschuß gibt ihm Unrecht. Er will die Marinerechnung in Bausch
und Bogen abmachen, der Bundestag antwortet ihm, er habe sich um nichts
zu bekümmern, als um den Verkauf,der Schiffe. Allgemeiner Haß wird ihm
zu Theil. Bei dem Gericht in Bremen muß er im öffentlichen Vorzimmer
unter Matrosen, Handwerksburschen und ihren Damen warten. Das thut
ihm, dem "Repräsentanten der höchsten Behörde Deutschlands," bitterlich weh.
Bei der Uebergabe der sechs Korvetten muß er sich zur Sicherung gegen per¬
sönliche Mißhandlungen unter den Schutz der englischen Flagge flüchten. Er
klagt sehr über das schlechte Benehmen der Menschen gegen ihn. "Die per¬
sönlichen Insolenzen, denen ich von allen Classen, selbst einer ministeriellen
Persönlichkeit, wegen dieses unpopulären Geschäfts ausgesetzt war, kannten
keine Grenze. Drei Tage war mir der Genuß warmer Speise versagt, weil
mich kein Restaurateur aufnehmen wollte. Am Abend, wo die letzten untern
Schiffsoffiziere, Zahlmeister u. tgi. entlassen worden waren und diesen Abschied
in einer nächtlichen Orgie, man kann denken mit welchen patriotischen Trink-
sprüchen feierten, überfielen mich vier dieser bis zur Bestialität betrunkenen
Seehelden an meinem in demselben Hotel befindlichen Schlafzimmer, versuchten
meine Thüre zu sprengen und versetzten mich in eine Lage der Nothwehr, daß
ich, entblößt von jeder andern Waffe, kein anderes Rettungsmittel in Aussicht
zu nehmen wußte, als mich mit einer eisernen Ofenhacke neben die Thür zu
stellen, mit dem Vorsatze, den ersten durch die gesprengte Thür Eintretenden
vor den Schädel zu schlagen. Zum Glück befreite mich der Wirth durch seine
Dazwischenkunft von diesen im unverkennbaren Zustand der Unzurechnungs-
lähigkeit sich befindenden Unholden. Welche Situation für einen so bejahrten


werthe Thätigkeit erlangt zu haben, nimmt keine Rücksicht auf das Verbot.
Natürlich wird er von der oldenburgischen Regierung des Dienstes entlassen, es
bleibt ihm aber eine Pension von 1200 Thalern. Er findet das ungerecht
und protestirt dagegen. Er kommt in Bremen an, kann sich aber wieder nicht
damit begnügen, den ihm ertheilten Auftrag gehorsam zu erfüllen, sondern
besteht darauf, über die Verwendung der deutschen Flotte der Bundesversamm¬
lung seine eignen Ansichten zu insinuiren, deren Haupttendenz ist, eine Corvette
in die Elbe, eine in die Weser zu legen, die übrigen Schiffe gemüthlich zur
Hälfte an Preußen, zur Hälfte an Oestreich zu schenken. Für dieses Project
wird er so heiß, daß er wieder seinen Posten verläßt und in den norddeutschen
Hauptstädten herumreist, um andre Stimmen dafür zu erwerben. Natürlich mi߬
lingt ihm dies überall und auch die Bundesversammlung wird mit ihm unzufrieden.
In Bremen hat er jede Art Noth, eine Schiffsbeschrcibung für die Versteige¬
rung zu erhalten. Er selbst versteht nichts vou Schiffen, die Techniker wollen diese
Beschreibung nicht machen; der Admiral Brommy verweigert die Uebersetzung
derselben ins, Französische und Englische, er verklagt den Admiral. Der
Bundestagsausschuß gibt ihm Unrecht. Er will die Marinerechnung in Bausch
und Bogen abmachen, der Bundestag antwortet ihm, er habe sich um nichts
zu bekümmern, als um den Verkauf,der Schiffe. Allgemeiner Haß wird ihm
zu Theil. Bei dem Gericht in Bremen muß er im öffentlichen Vorzimmer
unter Matrosen, Handwerksburschen und ihren Damen warten. Das thut
ihm, dem „Repräsentanten der höchsten Behörde Deutschlands," bitterlich weh.
Bei der Uebergabe der sechs Korvetten muß er sich zur Sicherung gegen per¬
sönliche Mißhandlungen unter den Schutz der englischen Flagge flüchten. Er
klagt sehr über das schlechte Benehmen der Menschen gegen ihn. „Die per¬
sönlichen Insolenzen, denen ich von allen Classen, selbst einer ministeriellen
Persönlichkeit, wegen dieses unpopulären Geschäfts ausgesetzt war, kannten
keine Grenze. Drei Tage war mir der Genuß warmer Speise versagt, weil
mich kein Restaurateur aufnehmen wollte. Am Abend, wo die letzten untern
Schiffsoffiziere, Zahlmeister u. tgi. entlassen worden waren und diesen Abschied
in einer nächtlichen Orgie, man kann denken mit welchen patriotischen Trink-
sprüchen feierten, überfielen mich vier dieser bis zur Bestialität betrunkenen
Seehelden an meinem in demselben Hotel befindlichen Schlafzimmer, versuchten
meine Thüre zu sprengen und versetzten mich in eine Lage der Nothwehr, daß
ich, entblößt von jeder andern Waffe, kein anderes Rettungsmittel in Aussicht
zu nehmen wußte, als mich mit einer eisernen Ofenhacke neben die Thür zu
stellen, mit dem Vorsatze, den ersten durch die gesprengte Thür Eintretenden
vor den Schädel zu schlagen. Zum Glück befreite mich der Wirth durch seine
Dazwischenkunft von diesen im unverkennbaren Zustand der Unzurechnungs-
lähigkeit sich befindenden Unholden. Welche Situation für einen so bejahrten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/254>, abgerufen am 17.06.2024.