Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

seiner inneren Gemüthswelt lebende Friedrich Wilhelm III. Unter diesen beiden so
verschiedenen Charakteren konnte selbstredend keine Sympathie stattfinden und
beide standen sich daher auch sehr kalt gegenüber. Prinz Louis wollte den
Krieg gegen Frankreich, weil sich für ihn dabei die Aussicht eröffnete, Ruhm
zu erwerben; die Idee, Napoleon zu besiegen, verfolgte ihn Tag und Nacht
und um den König aus seiner friedlichen Stellung herauszudrängen, ging er
zuletzt, als alle anderen Mittel nichts fruchteten, zu persönlichen Angriffen
über, indem er Friedrich Wilhelm III. durch Persiflagen,Sarkasmen und bei¬
ßenden Witz verfolgte, hierbei auf die empfängliche Königin einzuwirken suchte
und in seinen Angriffen zuletzt so weit ging, daß er den König deö Mangels
an persönlichem Muth ganz offen beschuldigte. So zeigte ihm z. B. einstens
ein Büstenhändler den Gott, Mars und den König. Prinz Louis betrachtete
beide Gegenstände eine Zeitlang und antwortete dann: "Ja, ja, der erste ist
der Gott Marsch und der letzte der Gott Halt." Auf diese Weise wurde
Friedrich Wilhelm, an seinem persönlichen Ehrgefühl angegriffen, unter Zuthun
des Prinzen Louis zu einer Zeit, aus der von ihm eingenommenen Neutralität
herausgedrängt, wo alle Verhältnisse sich auf das ungünstigste für einen Krieg
gegen Frankreich aussprachen, der, ein Jahr früher im Verein mit Oestreich
und Rußland begonnen, vielleicht zu ganz anderen Resultaten geführt hätte..
In Berlin, wo man noch mitten in den Traditionen lebte, welche der Ruhm
Friedrichs des> Großen dem Volke als Erbschaft hinterlassen hatte, zweifelte
die- Masse der Bevölkerung keineswegs an einem stegreichen Ausgang des
Feldzuges, mit Ausnahme der kleinen für ein französisches Bündniß ein¬
genommenen Partei, die man aber jetzt verfolgte und mit gehässigen Augen an¬
sah, sowie mit Ausnahme weniger Patrioten, welche die Köpfe schüttelten und
tief betrauerten, daß dieser so plötzliche Bruch mit Frankreich, wenn er nun
einmal von politischen Gründen geboten wurde, nicht schon ein Jahr früher
erfolgt sei, wo bereits dieselben Motive hierzu vorlagen und wo Preußen unter
ganz andern, ihm günstigen Umständen hätte austreten können.

Während so in den öffentlichen Localen Berlins mit einer Wuth politi-
sire wurde, die oft die sich bekämpfenden Parteien verleitete, selbst bis zu
Faustschlägen überzugehen, äußerte sich die Stimmung des Publicums nicht
minder laut im Theater; dort waren "Wallensteins Lager" und der "politische
Zinngießer" an der Tagesordnung -- das erste Stück deshalb, weil es die
Gelegenheit darbot, das damals bekannte Kriegslied:


Die Trommel ruft, die Fahne weht :c.

zu singen und das zweite, weil in demselben Unzelmann in grünem Schlaf¬
rock und in der Nachtmütze als politischer Zinngießer Gelegenheit fand, die
Zuhörer den Zeitverhältnissen gemäß zu haranguiren; denn entweder benutzte er
seine Rolle dazu, um in .dieselbe einen Ausruf an den Patriotismus der Nation


seiner inneren Gemüthswelt lebende Friedrich Wilhelm III. Unter diesen beiden so
verschiedenen Charakteren konnte selbstredend keine Sympathie stattfinden und
beide standen sich daher auch sehr kalt gegenüber. Prinz Louis wollte den
Krieg gegen Frankreich, weil sich für ihn dabei die Aussicht eröffnete, Ruhm
zu erwerben; die Idee, Napoleon zu besiegen, verfolgte ihn Tag und Nacht
und um den König aus seiner friedlichen Stellung herauszudrängen, ging er
zuletzt, als alle anderen Mittel nichts fruchteten, zu persönlichen Angriffen
über, indem er Friedrich Wilhelm III. durch Persiflagen,Sarkasmen und bei¬
ßenden Witz verfolgte, hierbei auf die empfängliche Königin einzuwirken suchte
und in seinen Angriffen zuletzt so weit ging, daß er den König deö Mangels
an persönlichem Muth ganz offen beschuldigte. So zeigte ihm z. B. einstens
ein Büstenhändler den Gott, Mars und den König. Prinz Louis betrachtete
beide Gegenstände eine Zeitlang und antwortete dann: „Ja, ja, der erste ist
der Gott Marsch und der letzte der Gott Halt." Auf diese Weise wurde
Friedrich Wilhelm, an seinem persönlichen Ehrgefühl angegriffen, unter Zuthun
des Prinzen Louis zu einer Zeit, aus der von ihm eingenommenen Neutralität
herausgedrängt, wo alle Verhältnisse sich auf das ungünstigste für einen Krieg
gegen Frankreich aussprachen, der, ein Jahr früher im Verein mit Oestreich
und Rußland begonnen, vielleicht zu ganz anderen Resultaten geführt hätte..
In Berlin, wo man noch mitten in den Traditionen lebte, welche der Ruhm
Friedrichs des> Großen dem Volke als Erbschaft hinterlassen hatte, zweifelte
die- Masse der Bevölkerung keineswegs an einem stegreichen Ausgang des
Feldzuges, mit Ausnahme der kleinen für ein französisches Bündniß ein¬
genommenen Partei, die man aber jetzt verfolgte und mit gehässigen Augen an¬
sah, sowie mit Ausnahme weniger Patrioten, welche die Köpfe schüttelten und
tief betrauerten, daß dieser so plötzliche Bruch mit Frankreich, wenn er nun
einmal von politischen Gründen geboten wurde, nicht schon ein Jahr früher
erfolgt sei, wo bereits dieselben Motive hierzu vorlagen und wo Preußen unter
ganz andern, ihm günstigen Umständen hätte austreten können.

Während so in den öffentlichen Localen Berlins mit einer Wuth politi-
sire wurde, die oft die sich bekämpfenden Parteien verleitete, selbst bis zu
Faustschlägen überzugehen, äußerte sich die Stimmung des Publicums nicht
minder laut im Theater; dort waren „Wallensteins Lager" und der „politische
Zinngießer" an der Tagesordnung — das erste Stück deshalb, weil es die
Gelegenheit darbot, das damals bekannte Kriegslied:


Die Trommel ruft, die Fahne weht :c.

zu singen und das zweite, weil in demselben Unzelmann in grünem Schlaf¬
rock und in der Nachtmütze als politischer Zinngießer Gelegenheit fand, die
Zuhörer den Zeitverhältnissen gemäß zu haranguiren; denn entweder benutzte er
seine Rolle dazu, um in .dieselbe einen Ausruf an den Patriotismus der Nation


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0264" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100718"/>
          <p xml:id="ID_739" prev="#ID_738"> seiner inneren Gemüthswelt lebende Friedrich Wilhelm III. Unter diesen beiden so<lb/>
verschiedenen Charakteren konnte selbstredend keine Sympathie stattfinden und<lb/>
beide standen sich daher auch sehr kalt gegenüber. Prinz Louis wollte den<lb/>
Krieg gegen Frankreich, weil sich für ihn dabei die Aussicht eröffnete, Ruhm<lb/>
zu erwerben; die Idee, Napoleon zu besiegen, verfolgte ihn Tag und Nacht<lb/>
und um den König aus seiner friedlichen Stellung herauszudrängen, ging er<lb/>
zuletzt, als alle anderen Mittel nichts fruchteten, zu persönlichen Angriffen<lb/>
über, indem er Friedrich Wilhelm III. durch Persiflagen,Sarkasmen und bei¬<lb/>
ßenden Witz verfolgte, hierbei auf die empfängliche Königin einzuwirken suchte<lb/>
und in seinen Angriffen zuletzt so weit ging, daß er den König deö Mangels<lb/>
an persönlichem Muth ganz offen beschuldigte. So zeigte ihm z. B. einstens<lb/>
ein Büstenhändler den Gott, Mars und den König. Prinz Louis betrachtete<lb/>
beide Gegenstände eine Zeitlang und antwortete dann: &#x201E;Ja, ja, der erste ist<lb/>
der Gott Marsch und der letzte der Gott Halt." Auf diese Weise wurde<lb/>
Friedrich Wilhelm, an seinem persönlichen Ehrgefühl angegriffen, unter Zuthun<lb/>
des Prinzen Louis zu einer Zeit, aus der von ihm eingenommenen Neutralität<lb/>
herausgedrängt, wo alle Verhältnisse sich auf das ungünstigste für einen Krieg<lb/>
gegen Frankreich aussprachen, der, ein Jahr früher im Verein mit Oestreich<lb/>
und Rußland begonnen, vielleicht zu ganz anderen Resultaten geführt hätte..<lb/>
In Berlin, wo man noch mitten in den Traditionen lebte, welche der Ruhm<lb/>
Friedrichs des&gt; Großen dem Volke als Erbschaft hinterlassen hatte, zweifelte<lb/>
die- Masse der Bevölkerung keineswegs an einem stegreichen Ausgang des<lb/>
Feldzuges, mit Ausnahme der kleinen für ein französisches Bündniß ein¬<lb/>
genommenen Partei, die man aber jetzt verfolgte und mit gehässigen Augen an¬<lb/>
sah, sowie mit Ausnahme weniger Patrioten, welche die Köpfe schüttelten und<lb/>
tief betrauerten, daß dieser so plötzliche Bruch mit Frankreich, wenn er nun<lb/>
einmal von politischen Gründen geboten wurde, nicht schon ein Jahr früher<lb/>
erfolgt sei, wo bereits dieselben Motive hierzu vorlagen und wo Preußen unter<lb/>
ganz andern, ihm günstigen Umständen hätte austreten können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_740" next="#ID_741"> Während so in den öffentlichen Localen Berlins mit einer Wuth politi-<lb/>
sire wurde, die oft die sich bekämpfenden Parteien verleitete, selbst bis zu<lb/>
Faustschlägen überzugehen, äußerte sich die Stimmung des Publicums nicht<lb/>
minder laut im Theater; dort waren &#x201E;Wallensteins Lager" und der &#x201E;politische<lb/>
Zinngießer" an der Tagesordnung &#x2014; das erste Stück deshalb, weil es die<lb/>
Gelegenheit darbot, das damals bekannte Kriegslied:</p><lb/>
          <quote> Die Trommel ruft, die Fahne weht :c.</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_741" prev="#ID_740" next="#ID_742"> zu singen und das zweite, weil in demselben Unzelmann in grünem Schlaf¬<lb/>
rock und in der Nachtmütze als politischer Zinngießer Gelegenheit fand, die<lb/>
Zuhörer den Zeitverhältnissen gemäß zu haranguiren; denn entweder benutzte er<lb/>
seine Rolle dazu, um in .dieselbe einen Ausruf an den Patriotismus der Nation</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0264] seiner inneren Gemüthswelt lebende Friedrich Wilhelm III. Unter diesen beiden so verschiedenen Charakteren konnte selbstredend keine Sympathie stattfinden und beide standen sich daher auch sehr kalt gegenüber. Prinz Louis wollte den Krieg gegen Frankreich, weil sich für ihn dabei die Aussicht eröffnete, Ruhm zu erwerben; die Idee, Napoleon zu besiegen, verfolgte ihn Tag und Nacht und um den König aus seiner friedlichen Stellung herauszudrängen, ging er zuletzt, als alle anderen Mittel nichts fruchteten, zu persönlichen Angriffen über, indem er Friedrich Wilhelm III. durch Persiflagen,Sarkasmen und bei¬ ßenden Witz verfolgte, hierbei auf die empfängliche Königin einzuwirken suchte und in seinen Angriffen zuletzt so weit ging, daß er den König deö Mangels an persönlichem Muth ganz offen beschuldigte. So zeigte ihm z. B. einstens ein Büstenhändler den Gott, Mars und den König. Prinz Louis betrachtete beide Gegenstände eine Zeitlang und antwortete dann: „Ja, ja, der erste ist der Gott Marsch und der letzte der Gott Halt." Auf diese Weise wurde Friedrich Wilhelm, an seinem persönlichen Ehrgefühl angegriffen, unter Zuthun des Prinzen Louis zu einer Zeit, aus der von ihm eingenommenen Neutralität herausgedrängt, wo alle Verhältnisse sich auf das ungünstigste für einen Krieg gegen Frankreich aussprachen, der, ein Jahr früher im Verein mit Oestreich und Rußland begonnen, vielleicht zu ganz anderen Resultaten geführt hätte.. In Berlin, wo man noch mitten in den Traditionen lebte, welche der Ruhm Friedrichs des> Großen dem Volke als Erbschaft hinterlassen hatte, zweifelte die- Masse der Bevölkerung keineswegs an einem stegreichen Ausgang des Feldzuges, mit Ausnahme der kleinen für ein französisches Bündniß ein¬ genommenen Partei, die man aber jetzt verfolgte und mit gehässigen Augen an¬ sah, sowie mit Ausnahme weniger Patrioten, welche die Köpfe schüttelten und tief betrauerten, daß dieser so plötzliche Bruch mit Frankreich, wenn er nun einmal von politischen Gründen geboten wurde, nicht schon ein Jahr früher erfolgt sei, wo bereits dieselben Motive hierzu vorlagen und wo Preußen unter ganz andern, ihm günstigen Umständen hätte austreten können. Während so in den öffentlichen Localen Berlins mit einer Wuth politi- sire wurde, die oft die sich bekämpfenden Parteien verleitete, selbst bis zu Faustschlägen überzugehen, äußerte sich die Stimmung des Publicums nicht minder laut im Theater; dort waren „Wallensteins Lager" und der „politische Zinngießer" an der Tagesordnung — das erste Stück deshalb, weil es die Gelegenheit darbot, das damals bekannte Kriegslied: Die Trommel ruft, die Fahne weht :c. zu singen und das zweite, weil in demselben Unzelmann in grünem Schlaf¬ rock und in der Nachtmütze als politischer Zinngießer Gelegenheit fand, die Zuhörer den Zeitverhältnissen gemäß zu haranguiren; denn entweder benutzte er seine Rolle dazu, um in .dieselbe einen Ausruf an den Patriotismus der Nation

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/264
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/264>, abgerufen am 13.05.2024.