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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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einzuflechten, welcher jedes Mal mit der donnernden Abstngnng des Liedes
"Heil dir im Siegerkranz" schloß, oder er ertemporirte an passenden Stellen
und sagte so, wenn er von der Charte von Polen sprechen sollte, worin sich
ein Loch befinde, statt dessen: "die Karte von Deutschland hat einen Riß be¬
kommen, aber es wird sich ein braver Mann finden, der ihn wieder zumacht,"
was ihm dann jedes Mal einen donnernden Applaus einbrachte. Trotz dieser
allerdings nichts kostender Ovationen gelang es aber nicht, bei der berliner
Bürgerschaft auf dem Wege der Collecte die Summe von 30,000 Thalern auf¬
zubringen, um der Garnison Mäntel davon machen zu lassen und der Magi¬
strat mußte zufrieden sein, als 6000 Thaler einkamen, wobei sich der Minister
Graf Schulenburg mit As Thalern beteiligte.

Was die berliner Presse anbelangt, so versuchte auch diese einen Anlauf
zu nehmen. "Der Freimüthige", "der Hausfreund", "der Staatsanzeiger", der
"Telegraph", ja selbst der "Beobachter an der Spree" zogen gegen die pariser
Blätter zu Felde, der Doctor Merkel, als Lette ein Unterthan Kaiser Alexan¬
ders, trat für diesen öffentlich in die Schranken und der Dichter Münster schrieb
einen Band Kriegslieder, welche die Soldaten zu muthigen Thaten begeistern
sollten.

Allerdings fielen mitten unter dieses Treiben als trübe Schattenbilder
bald darauf zwei Nachrichten, von denen die eine den Rückzug des Generals
Tauenzien, die andre den Tod des Prinzen Louis Ferdinand bei Saalfeld
meldete, doch bald verdrängten andre ans der Luft gegriffene und jedes
Positiven Grundes entbehrende Siegesnachrichten, die sich vom 13. bis 17. Oc-
tober unaufhörlich folgten, den trüben Eindruck, welchen namentlich der Tod
des populären Prinzen, von dessen Muthe man soviel hoffte, hervorgerufen
hatte. Bald hieß es, Fürst Hohenlohe habe bei Zeitz ein Corps unter Mar¬
schall Soult geschlagen und zerspr'engt, bald wollte man wissen, die Franzosen
würden zwischen zwei Feuer genommen und durch das hohenlohsche und eugensche
Corps aufgerieben werden. Da der Gouverneur von Berlin, Gras Schulen¬
burg, an seinem Hause in der Behrenstrasze Bulletins hatte anschlagen lassen,
welche die erstbczeichnete Nachricht bestätigten, so sah alles mit der gespann¬
testen Erwartung der Meldung von dem Gewinn einer Hauptschlacht entgegen,
man horchte, ob man nicht den Kanonendonner vernehmen könne, überall
Zeigte sich ein unruhiges Drängen und Treiben und besonders das Gouver¬
nementsgebäude war fortwährend belagert, um zu vernehmen, ob nicht eine
entscheidende Nachricht angelangt sei. Dieselbe kam allerdings, aber leider in
einem ganz ändern Sinne, wie die öffentliche Meinung dies vermuthet hatte.
Am 17. October früh traf der Rittmeister von Dorville als Courier ein und
brachte Depeschen, welche die Meldung von einer vollständigen Niederlage der
Preußischen Armee enthielten; einige Stunden darauf standen die staunenden


Grenzboten. IV. 18os. 33

einzuflechten, welcher jedes Mal mit der donnernden Abstngnng des Liedes
„Heil dir im Siegerkranz" schloß, oder er ertemporirte an passenden Stellen
und sagte so, wenn er von der Charte von Polen sprechen sollte, worin sich
ein Loch befinde, statt dessen: „die Karte von Deutschland hat einen Riß be¬
kommen, aber es wird sich ein braver Mann finden, der ihn wieder zumacht,"
was ihm dann jedes Mal einen donnernden Applaus einbrachte. Trotz dieser
allerdings nichts kostender Ovationen gelang es aber nicht, bei der berliner
Bürgerschaft auf dem Wege der Collecte die Summe von 30,000 Thalern auf¬
zubringen, um der Garnison Mäntel davon machen zu lassen und der Magi¬
strat mußte zufrieden sein, als 6000 Thaler einkamen, wobei sich der Minister
Graf Schulenburg mit As Thalern beteiligte.

Was die berliner Presse anbelangt, so versuchte auch diese einen Anlauf
zu nehmen. „Der Freimüthige", „der Hausfreund", „der Staatsanzeiger", der
„Telegraph", ja selbst der „Beobachter an der Spree" zogen gegen die pariser
Blätter zu Felde, der Doctor Merkel, als Lette ein Unterthan Kaiser Alexan¬
ders, trat für diesen öffentlich in die Schranken und der Dichter Münster schrieb
einen Band Kriegslieder, welche die Soldaten zu muthigen Thaten begeistern
sollten.

Allerdings fielen mitten unter dieses Treiben als trübe Schattenbilder
bald darauf zwei Nachrichten, von denen die eine den Rückzug des Generals
Tauenzien, die andre den Tod des Prinzen Louis Ferdinand bei Saalfeld
meldete, doch bald verdrängten andre ans der Luft gegriffene und jedes
Positiven Grundes entbehrende Siegesnachrichten, die sich vom 13. bis 17. Oc-
tober unaufhörlich folgten, den trüben Eindruck, welchen namentlich der Tod
des populären Prinzen, von dessen Muthe man soviel hoffte, hervorgerufen
hatte. Bald hieß es, Fürst Hohenlohe habe bei Zeitz ein Corps unter Mar¬
schall Soult geschlagen und zerspr'engt, bald wollte man wissen, die Franzosen
würden zwischen zwei Feuer genommen und durch das hohenlohsche und eugensche
Corps aufgerieben werden. Da der Gouverneur von Berlin, Gras Schulen¬
burg, an seinem Hause in der Behrenstrasze Bulletins hatte anschlagen lassen,
welche die erstbczeichnete Nachricht bestätigten, so sah alles mit der gespann¬
testen Erwartung der Meldung von dem Gewinn einer Hauptschlacht entgegen,
man horchte, ob man nicht den Kanonendonner vernehmen könne, überall
Zeigte sich ein unruhiges Drängen und Treiben und besonders das Gouver¬
nementsgebäude war fortwährend belagert, um zu vernehmen, ob nicht eine
entscheidende Nachricht angelangt sei. Dieselbe kam allerdings, aber leider in
einem ganz ändern Sinne, wie die öffentliche Meinung dies vermuthet hatte.
Am 17. October früh traf der Rittmeister von Dorville als Courier ein und
brachte Depeschen, welche die Meldung von einer vollständigen Niederlage der
Preußischen Armee enthielten; einige Stunden darauf standen die staunenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/265>, abgerufen am 23.05.2024.