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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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General Schlepnsch und dessen Fran Liebsten von Bremen nach Schlesien kom¬
men, und wohnte auf deren adligen Rittersttz Klein-Polewitz, anderthalb
Meilen von Liegnitz.

Des,Sonntags, da sich die Jungfrau einstellete, und nach verrichteten
Gottesdienst aus der Kirche in mein Hans kam, und vie heilige Communion
andächtig absolvirete, nahm ich Occasion, mich mit derselben über den Zustand
der Kirche in Brenien zu unterhalten, ihr auch, da sie mir ein paar Kapaunen
in die Küche geschickt hatte, zu danken, und ließ sie im Segen des Herrn
wieder von mir gehen. Ich hatte aber bei dem ersten Anblick der Jungfrau
nicht allein eine feine mir anständige Conduite in ihr verspüret, und eine schone
Conformität meines Gemüthes mit dem ihrigen empfunden, sondern es schien
auch mein aufwallendes Geblüte und bewegtes Herz mir ein Merkmal zusein,
daß der Geist der Liebe etwas sonderliches mit mir vorhaben müßte, indem
lebenslang keine solche brünstige Affektion auf irgend eine Jungfer gleich wie
auf diese getragen hatte.

Diese meine herzliche, jedoch keusche Liebe verbarg ich fest in dem Herzens¬
schranke, und ließ keine Seele nicht das Geringste davon erfahren. Die Jung¬
frau Mercers legte sich alle Abend mit mir zur Ruhe und stand des Morgens
in meinen Gedanken wieder mit mir auf. Etlichemal erwähnte ich von dieser
Jungfer gegen meine Haushälterin, die ein feines kluges Weib war, und die¬
selbe, ohne die Ursache meines Discourses zu merken, lobete mir die Jungfer
durch alle PrÄdicamenta gewaltig an; wie deßgleichen auch mein Glöckner
sie gar sehr rühmete. Ich quälete mich nun mit heimlichen Liebesgedanken eine
geraume Zeit, redete sie aber meinem Gemüthe zuletzt wiederum aus, denkend:
warum sollte denn dein Gemüthe sich vergeblich kränken über eine fremde
Jungfer, welche wieder aus dem Lande zieht, und dir doch nimmermehr zu
Theil werden kann.

Ein halb Jahr darnach, da mir die gute Jungfer Mercers aus dem Ge¬
dächtniß entfallen war, ließ sich die allbereit vergeßne Jungfer abermals bei
schöner Begrüßung durch des Herrn Baron SchlepuscheS Pagen anmelden,
und mir andeuten, daß sie gesinnet wäre, wiederum zu communiciren. sothane
Botschaft erneuerte meine alte Herzenswunde, und daher ich den Pagen weit¬
läufig das Eine und das Andere, der Jungfer wegen, befragte; konnte aber wenig
oder nichts von ihm erfahren. Ich ließ nun die Jungfrau Mercers durch meinen
Glöckner zum Mittagsmahl auf den Sonntag einladen; sie aber nahm diese
Jnvitation nicht an, vorwendend, daß sie gewohnet wäre, den Tag über zu
fasten, an welchem sie evmmunirirt hätte. So kam der Sonntag heran, und
nach der Kirchen die Jungfer Mercers, unwissend meiner Liebesgedanken. Ich
hielt ihr wieder wie vormals die Communion, und discurirle nach derselben
Endigung mit ihr von allerlei Materien, damit ich ihre Person in etwas ti-


General Schlepnsch und dessen Fran Liebsten von Bremen nach Schlesien kom¬
men, und wohnte auf deren adligen Rittersttz Klein-Polewitz, anderthalb
Meilen von Liegnitz.

Des,Sonntags, da sich die Jungfrau einstellete, und nach verrichteten
Gottesdienst aus der Kirche in mein Hans kam, und vie heilige Communion
andächtig absolvirete, nahm ich Occasion, mich mit derselben über den Zustand
der Kirche in Brenien zu unterhalten, ihr auch, da sie mir ein paar Kapaunen
in die Küche geschickt hatte, zu danken, und ließ sie im Segen des Herrn
wieder von mir gehen. Ich hatte aber bei dem ersten Anblick der Jungfrau
nicht allein eine feine mir anständige Conduite in ihr verspüret, und eine schone
Conformität meines Gemüthes mit dem ihrigen empfunden, sondern es schien
auch mein aufwallendes Geblüte und bewegtes Herz mir ein Merkmal zusein,
daß der Geist der Liebe etwas sonderliches mit mir vorhaben müßte, indem
lebenslang keine solche brünstige Affektion auf irgend eine Jungfer gleich wie
auf diese getragen hatte.

Diese meine herzliche, jedoch keusche Liebe verbarg ich fest in dem Herzens¬
schranke, und ließ keine Seele nicht das Geringste davon erfahren. Die Jung¬
frau Mercers legte sich alle Abend mit mir zur Ruhe und stand des Morgens
in meinen Gedanken wieder mit mir auf. Etlichemal erwähnte ich von dieser
Jungfer gegen meine Haushälterin, die ein feines kluges Weib war, und die¬
selbe, ohne die Ursache meines Discourses zu merken, lobete mir die Jungfer
durch alle PrÄdicamenta gewaltig an; wie deßgleichen auch mein Glöckner
sie gar sehr rühmete. Ich quälete mich nun mit heimlichen Liebesgedanken eine
geraume Zeit, redete sie aber meinem Gemüthe zuletzt wiederum aus, denkend:
warum sollte denn dein Gemüthe sich vergeblich kränken über eine fremde
Jungfer, welche wieder aus dem Lande zieht, und dir doch nimmermehr zu
Theil werden kann.

Ein halb Jahr darnach, da mir die gute Jungfer Mercers aus dem Ge¬
dächtniß entfallen war, ließ sich die allbereit vergeßne Jungfer abermals bei
schöner Begrüßung durch des Herrn Baron SchlepuscheS Pagen anmelden,
und mir andeuten, daß sie gesinnet wäre, wiederum zu communiciren. sothane
Botschaft erneuerte meine alte Herzenswunde, und daher ich den Pagen weit¬
läufig das Eine und das Andere, der Jungfer wegen, befragte; konnte aber wenig
oder nichts von ihm erfahren. Ich ließ nun die Jungfrau Mercers durch meinen
Glöckner zum Mittagsmahl auf den Sonntag einladen; sie aber nahm diese
Jnvitation nicht an, vorwendend, daß sie gewohnet wäre, den Tag über zu
fasten, an welchem sie evmmunirirt hätte. So kam der Sonntag heran, und
nach der Kirchen die Jungfer Mercers, unwissend meiner Liebesgedanken. Ich
hielt ihr wieder wie vormals die Communion, und discurirle nach derselben
Endigung mit ihr von allerlei Materien, damit ich ihre Person in etwas ti-


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[0352] General Schlepnsch und dessen Fran Liebsten von Bremen nach Schlesien kom¬ men, und wohnte auf deren adligen Rittersttz Klein-Polewitz, anderthalb Meilen von Liegnitz. Des,Sonntags, da sich die Jungfrau einstellete, und nach verrichteten Gottesdienst aus der Kirche in mein Hans kam, und vie heilige Communion andächtig absolvirete, nahm ich Occasion, mich mit derselben über den Zustand der Kirche in Brenien zu unterhalten, ihr auch, da sie mir ein paar Kapaunen in die Küche geschickt hatte, zu danken, und ließ sie im Segen des Herrn wieder von mir gehen. Ich hatte aber bei dem ersten Anblick der Jungfrau nicht allein eine feine mir anständige Conduite in ihr verspüret, und eine schone Conformität meines Gemüthes mit dem ihrigen empfunden, sondern es schien auch mein aufwallendes Geblüte und bewegtes Herz mir ein Merkmal zusein, daß der Geist der Liebe etwas sonderliches mit mir vorhaben müßte, indem lebenslang keine solche brünstige Affektion auf irgend eine Jungfer gleich wie auf diese getragen hatte. Diese meine herzliche, jedoch keusche Liebe verbarg ich fest in dem Herzens¬ schranke, und ließ keine Seele nicht das Geringste davon erfahren. Die Jung¬ frau Mercers legte sich alle Abend mit mir zur Ruhe und stand des Morgens in meinen Gedanken wieder mit mir auf. Etlichemal erwähnte ich von dieser Jungfer gegen meine Haushälterin, die ein feines kluges Weib war, und die¬ selbe, ohne die Ursache meines Discourses zu merken, lobete mir die Jungfer durch alle PrÄdicamenta gewaltig an; wie deßgleichen auch mein Glöckner sie gar sehr rühmete. Ich quälete mich nun mit heimlichen Liebesgedanken eine geraume Zeit, redete sie aber meinem Gemüthe zuletzt wiederum aus, denkend: warum sollte denn dein Gemüthe sich vergeblich kränken über eine fremde Jungfer, welche wieder aus dem Lande zieht, und dir doch nimmermehr zu Theil werden kann. Ein halb Jahr darnach, da mir die gute Jungfer Mercers aus dem Ge¬ dächtniß entfallen war, ließ sich die allbereit vergeßne Jungfer abermals bei schöner Begrüßung durch des Herrn Baron SchlepuscheS Pagen anmelden, und mir andeuten, daß sie gesinnet wäre, wiederum zu communiciren. sothane Botschaft erneuerte meine alte Herzenswunde, und daher ich den Pagen weit¬ läufig das Eine und das Andere, der Jungfer wegen, befragte; konnte aber wenig oder nichts von ihm erfahren. Ich ließ nun die Jungfrau Mercers durch meinen Glöckner zum Mittagsmahl auf den Sonntag einladen; sie aber nahm diese Jnvitation nicht an, vorwendend, daß sie gewohnet wäre, den Tag über zu fasten, an welchem sie evmmunirirt hätte. So kam der Sonntag heran, und nach der Kirchen die Jungfer Mercers, unwissend meiner Liebesgedanken. Ich hielt ihr wieder wie vormals die Communion, und discurirle nach derselben Endigung mit ihr von allerlei Materien, damit ich ihre Person in etwas ti-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/352>, abgerufen am 13.05.2024.