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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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vertiren möchte. Ich Hütte ober durch sothanem Discurs sonderlich gern erfah¬
ren, ob sie von Adel wäre, und in Schlesien zu verbleiben Lust trüge; konnte
aber solches vor diesesmal unmöglich erforschen. Hierauf erhob sich die Jung¬
fer wieder aus meiner Behausung; und weil sie vermeinte, ich hatte eine
Liebste, recommandirte sie sich derselben. Ich gab ihr aber sogleich meinen
ehelosen Stand zu verstehen, und daß ich keine Liebste nicht hätte. Bei diesem
Discurse war sowohl der Glöckner, als auch meine Haushälterin anwesend ge¬
wesen und hatten ebenso wie ich allerseits aus der Jungfer Conduite großes
Contentement geschöpft, jedoch ohne Ergründung meines Jntents.

Jetzund ging wieder mein Kummer an. Die Sache reiflich überlegend
hin und her, konnte ich doch noch keine Mittel ersinnen, dadurch daS Geschlecht
und Beschaffenheit der Jungfer Mercers, welche ich stets vor eine adelige Per¬
son ansahe, zu erfahren, indem ich nicht für rathsam fand, mich gegen jemanden
zu erpectoriren. Unterdessen begegnete mir eines Tages Herr Tobias Pirner,
Pfarrer zu Nickelstadt, ein frommer, ehrlicher und aufrichtiger Mann, wiewohl
lutherischer Religion. Weil ich nun wußte, daß die Frau General Schlepuschin,
deren Ehemann kürzlich gestorben, und in die Kirche zu Liegnitz prächtig be¬
graben war, sonntäglich sammt der Jungfer Mercers nach Nickelstadt in die
lutherische Kirche zum Gottesdienst gingen, so bat ich diesen Herr Pirner un-
vermerkier Weise meinethalben dem Geschlecht und der übrigen Condition der
Jungfer Mercers nachzufragen. Er vbligirte sich hierzu, und versprach
auf die andere Woche Relation davon. Herr Pirner hielt diese Obligation
treulich, und referirte mir nach einer Woche in optima lvrma,, was er von der
Frau Generalin vernommen hatte. Die Jungfer Mercers war die Tochter
Herrn Balthaser MercerS, gewesenen Parlamentsassessors zu Edinburg in
Schottland, welcher von König Carolo I. zu Engelland vielmals in wichtigen
Commissionen verwendet, einst auch bei einer Sendung nach Hamburg dortselbst
mit einer goldenen Ehrenmedaille gezieret worden war. Ihre Mutter, auch
Elisabeth genannt, war adligen Geschlechts gewesen, eine geborne von Kennewy
"us Schottland. Als sich 16ii die gefährlichen Troublen zu Engelland
hcrfürthäten, mußte sich ihr Herr Vater, wie auch sein Bruder, der königliche
Hofprediger Robertus MercerS, weil sie Favoriten des enthaupteten Königs ge¬
wesen waren, aus Furcht vor dem Cromwell und seiner Parthei mit der ganzen
Familie aus dem Königreich begeben, und zog mit den Seinigen nach Bremen,
woselbst er von eigenen Mitteln, die ziemlich groß waren, bis an sein seliges
Ende, 1630 lebte, drei Söhne und drei Töchter seiner Wittwe, einer frommen,
gottseliger Matron, hinterlassend. Die Söhne waren in die Welt gegangen.
Einer davon nach Indien, Einer nach den Canarien Inseln, und von den
Töchtern hatte sich die älteste in London an einen Schwestersohn Cromwells,
des adligen Geschlechts Cleipold, und die jüngste zu Wcmfried in Hessen an


Grenzboten. IV. 18os- j z

vertiren möchte. Ich Hütte ober durch sothanem Discurs sonderlich gern erfah¬
ren, ob sie von Adel wäre, und in Schlesien zu verbleiben Lust trüge; konnte
aber solches vor diesesmal unmöglich erforschen. Hierauf erhob sich die Jung¬
fer wieder aus meiner Behausung; und weil sie vermeinte, ich hatte eine
Liebste, recommandirte sie sich derselben. Ich gab ihr aber sogleich meinen
ehelosen Stand zu verstehen, und daß ich keine Liebste nicht hätte. Bei diesem
Discurse war sowohl der Glöckner, als auch meine Haushälterin anwesend ge¬
wesen und hatten ebenso wie ich allerseits aus der Jungfer Conduite großes
Contentement geschöpft, jedoch ohne Ergründung meines Jntents.

Jetzund ging wieder mein Kummer an. Die Sache reiflich überlegend
hin und her, konnte ich doch noch keine Mittel ersinnen, dadurch daS Geschlecht
und Beschaffenheit der Jungfer Mercers, welche ich stets vor eine adelige Per¬
son ansahe, zu erfahren, indem ich nicht für rathsam fand, mich gegen jemanden
zu erpectoriren. Unterdessen begegnete mir eines Tages Herr Tobias Pirner,
Pfarrer zu Nickelstadt, ein frommer, ehrlicher und aufrichtiger Mann, wiewohl
lutherischer Religion. Weil ich nun wußte, daß die Frau General Schlepuschin,
deren Ehemann kürzlich gestorben, und in die Kirche zu Liegnitz prächtig be¬
graben war, sonntäglich sammt der Jungfer Mercers nach Nickelstadt in die
lutherische Kirche zum Gottesdienst gingen, so bat ich diesen Herr Pirner un-
vermerkier Weise meinethalben dem Geschlecht und der übrigen Condition der
Jungfer Mercers nachzufragen. Er vbligirte sich hierzu, und versprach
auf die andere Woche Relation davon. Herr Pirner hielt diese Obligation
treulich, und referirte mir nach einer Woche in optima lvrma,, was er von der
Frau Generalin vernommen hatte. Die Jungfer Mercers war die Tochter
Herrn Balthaser MercerS, gewesenen Parlamentsassessors zu Edinburg in
Schottland, welcher von König Carolo I. zu Engelland vielmals in wichtigen
Commissionen verwendet, einst auch bei einer Sendung nach Hamburg dortselbst
mit einer goldenen Ehrenmedaille gezieret worden war. Ihre Mutter, auch
Elisabeth genannt, war adligen Geschlechts gewesen, eine geborne von Kennewy
"us Schottland. Als sich 16ii die gefährlichen Troublen zu Engelland
hcrfürthäten, mußte sich ihr Herr Vater, wie auch sein Bruder, der königliche
Hofprediger Robertus MercerS, weil sie Favoriten des enthaupteten Königs ge¬
wesen waren, aus Furcht vor dem Cromwell und seiner Parthei mit der ganzen
Familie aus dem Königreich begeben, und zog mit den Seinigen nach Bremen,
woselbst er von eigenen Mitteln, die ziemlich groß waren, bis an sein seliges
Ende, 1630 lebte, drei Söhne und drei Töchter seiner Wittwe, einer frommen,
gottseliger Matron, hinterlassend. Die Söhne waren in die Welt gegangen.
Einer davon nach Indien, Einer nach den Canarien Inseln, und von den
Töchtern hatte sich die älteste in London an einen Schwestersohn Cromwells,
des adligen Geschlechts Cleipold, und die jüngste zu Wcmfried in Hessen an


Grenzboten. IV. 18os- j z
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[0353] vertiren möchte. Ich Hütte ober durch sothanem Discurs sonderlich gern erfah¬ ren, ob sie von Adel wäre, und in Schlesien zu verbleiben Lust trüge; konnte aber solches vor diesesmal unmöglich erforschen. Hierauf erhob sich die Jung¬ fer wieder aus meiner Behausung; und weil sie vermeinte, ich hatte eine Liebste, recommandirte sie sich derselben. Ich gab ihr aber sogleich meinen ehelosen Stand zu verstehen, und daß ich keine Liebste nicht hätte. Bei diesem Discurse war sowohl der Glöckner, als auch meine Haushälterin anwesend ge¬ wesen und hatten ebenso wie ich allerseits aus der Jungfer Conduite großes Contentement geschöpft, jedoch ohne Ergründung meines Jntents. Jetzund ging wieder mein Kummer an. Die Sache reiflich überlegend hin und her, konnte ich doch noch keine Mittel ersinnen, dadurch daS Geschlecht und Beschaffenheit der Jungfer Mercers, welche ich stets vor eine adelige Per¬ son ansahe, zu erfahren, indem ich nicht für rathsam fand, mich gegen jemanden zu erpectoriren. Unterdessen begegnete mir eines Tages Herr Tobias Pirner, Pfarrer zu Nickelstadt, ein frommer, ehrlicher und aufrichtiger Mann, wiewohl lutherischer Religion. Weil ich nun wußte, daß die Frau General Schlepuschin, deren Ehemann kürzlich gestorben, und in die Kirche zu Liegnitz prächtig be¬ graben war, sonntäglich sammt der Jungfer Mercers nach Nickelstadt in die lutherische Kirche zum Gottesdienst gingen, so bat ich diesen Herr Pirner un- vermerkier Weise meinethalben dem Geschlecht und der übrigen Condition der Jungfer Mercers nachzufragen. Er vbligirte sich hierzu, und versprach auf die andere Woche Relation davon. Herr Pirner hielt diese Obligation treulich, und referirte mir nach einer Woche in optima lvrma,, was er von der Frau Generalin vernommen hatte. Die Jungfer Mercers war die Tochter Herrn Balthaser MercerS, gewesenen Parlamentsassessors zu Edinburg in Schottland, welcher von König Carolo I. zu Engelland vielmals in wichtigen Commissionen verwendet, einst auch bei einer Sendung nach Hamburg dortselbst mit einer goldenen Ehrenmedaille gezieret worden war. Ihre Mutter, auch Elisabeth genannt, war adligen Geschlechts gewesen, eine geborne von Kennewy "us Schottland. Als sich 16ii die gefährlichen Troublen zu Engelland hcrfürthäten, mußte sich ihr Herr Vater, wie auch sein Bruder, der königliche Hofprediger Robertus MercerS, weil sie Favoriten des enthaupteten Königs ge¬ wesen waren, aus Furcht vor dem Cromwell und seiner Parthei mit der ganzen Familie aus dem Königreich begeben, und zog mit den Seinigen nach Bremen, woselbst er von eigenen Mitteln, die ziemlich groß waren, bis an sein seliges Ende, 1630 lebte, drei Söhne und drei Töchter seiner Wittwe, einer frommen, gottseliger Matron, hinterlassend. Die Söhne waren in die Welt gegangen. Einer davon nach Indien, Einer nach den Canarien Inseln, und von den Töchtern hatte sich die älteste in London an einen Schwestersohn Cromwells, des adligen Geschlechts Cleipold, und die jüngste zu Wcmfried in Hessen an Grenzboten. IV. 18os- j z

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/353>, abgerufen am 28.05.2024.