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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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bau gab, sicherte er dieser Macht auch den Besitz Galiziens und Ostpreußens.
Oestreich sollte in Italien, Preußen durch die Abtretung Pommerns und irgend¬
einer andern Provinz, aus der man ein Königreich Franken bilden würde, ent¬
schädigt werden. Kurz, die Grenzen Rußlands sollten bis vor die Thore von
Berlin, Wien und Kvnstann'nopel geschoben werden. Bernadotte sprach sogar
davon, daß in Stelle des Kaisers von Oestreich der Kaiser von Rußland
die deutsche Krone auf sein Haupt setzen sollte. Gekrönt aber wurden die
Conferenzen von Abo durch den Familienvertrag, welcher Gegenstand
eines besondern und geheimen Artikels der Convention vom 30. August 1812
wurde. Bernadotte trachtete vor allem darnach, allen Gefahren zu begegnen,
welche seine junge Dynastie bedrohen konnten. Die Parteien in Schweden
waren noch nicht völlig unterdrückt und England sowol als Rußland konnten
leicht einmal wieder den entthronten König Gustav lV. oder seinen Sohn un¬
terstützen. Er sprach zu Alexander: "Ich bin nur ein Fürst des Bivouacs,
durch ein' glückliches Geschick auf die Stufen eines Thrones geworfen. Eine
Zeit wird kommen, wo, nachdem Europa zu seinen alten Verhältnissen zurück¬
gekehrt ist, eine Neactionsbewegung Schweden erfassen und verwirren kann.
Nur eins beruhigt mich. Ew. Majestät hat meine Allianz und meinen Degen
anzunehmen geruht und erklärt, daß Sie meine Feinde stets als Ihre eignen
ansehen werde. Ich werde Ihnen meinerseits vollkommen ergeben sein und
meinen Sohn in denselben Gesinnungen erziehen; Schweden wird stets Ihr
neuester Alliirter sein, seine Waffen, seine Huldigung und seine Gelübde wer¬
den Ihnen für immer gehören." Aus Grund dieser Erklärung wurde der Con¬
vention vom 30. ^August der folgende geheime Artikel beigefügt: "Indem die
beiden hohen contrahirenden Theile in gemeinsamem Einverständniß der gegen¬
wärtigen Allianz den Charakter und die Kraft eines Familienvertrages
geben wollen, verpflichten sie sich gegenseitig: im Falle irgendeine Macht die
Ruhe und die Sicherheit Schwedens und Rußlands stören sollte, zur Unter¬
drückung dieser feindlichen Pläne sich den Beistand zu leisten, welcher noth¬
wendig ist und niemals die Zahl von 12 bis 1ö,000 Mann überschreitet.
Dieser besondere und geheime Artikel soll dieselbe Kraft haben, als wenn er
wörtlich in die Additivnalconventivn aufgenommen wäre, und soll gleichzeitig
unterzeichnet werden."

Bernadotte hatte das Ziel seiner Wünsche erreicht. Kam eine neue Restau¬
ration der alten Dynastien, die seinige war durch Nußland gesichert. Als
Nachfolger und Sohn von dem königlichen Bruder Gustavs 111. adoptirt, durch
einen Familienvertrag dem Kaiser von Rußland, dem Herzoge des Haust's
Holstein alliirt, durch die Stimme des Volkes gewählt, fehlte ihm nichts in
den Augen des Absolutismus und der Demokratie. ' Mit diesem Familienver-
trcige endeten die zweijährigen Unterhandlungen Bernadottes. Die schwedische


bau gab, sicherte er dieser Macht auch den Besitz Galiziens und Ostpreußens.
Oestreich sollte in Italien, Preußen durch die Abtretung Pommerns und irgend¬
einer andern Provinz, aus der man ein Königreich Franken bilden würde, ent¬
schädigt werden. Kurz, die Grenzen Rußlands sollten bis vor die Thore von
Berlin, Wien und Kvnstann'nopel geschoben werden. Bernadotte sprach sogar
davon, daß in Stelle des Kaisers von Oestreich der Kaiser von Rußland
die deutsche Krone auf sein Haupt setzen sollte. Gekrönt aber wurden die
Conferenzen von Abo durch den Familienvertrag, welcher Gegenstand
eines besondern und geheimen Artikels der Convention vom 30. August 1812
wurde. Bernadotte trachtete vor allem darnach, allen Gefahren zu begegnen,
welche seine junge Dynastie bedrohen konnten. Die Parteien in Schweden
waren noch nicht völlig unterdrückt und England sowol als Rußland konnten
leicht einmal wieder den entthronten König Gustav lV. oder seinen Sohn un¬
terstützen. Er sprach zu Alexander: „Ich bin nur ein Fürst des Bivouacs,
durch ein' glückliches Geschick auf die Stufen eines Thrones geworfen. Eine
Zeit wird kommen, wo, nachdem Europa zu seinen alten Verhältnissen zurück¬
gekehrt ist, eine Neactionsbewegung Schweden erfassen und verwirren kann.
Nur eins beruhigt mich. Ew. Majestät hat meine Allianz und meinen Degen
anzunehmen geruht und erklärt, daß Sie meine Feinde stets als Ihre eignen
ansehen werde. Ich werde Ihnen meinerseits vollkommen ergeben sein und
meinen Sohn in denselben Gesinnungen erziehen; Schweden wird stets Ihr
neuester Alliirter sein, seine Waffen, seine Huldigung und seine Gelübde wer¬
den Ihnen für immer gehören." Aus Grund dieser Erklärung wurde der Con¬
vention vom 30. ^August der folgende geheime Artikel beigefügt: „Indem die
beiden hohen contrahirenden Theile in gemeinsamem Einverständniß der gegen¬
wärtigen Allianz den Charakter und die Kraft eines Familienvertrages
geben wollen, verpflichten sie sich gegenseitig: im Falle irgendeine Macht die
Ruhe und die Sicherheit Schwedens und Rußlands stören sollte, zur Unter¬
drückung dieser feindlichen Pläne sich den Beistand zu leisten, welcher noth¬
wendig ist und niemals die Zahl von 12 bis 1ö,000 Mann überschreitet.
Dieser besondere und geheime Artikel soll dieselbe Kraft haben, als wenn er
wörtlich in die Additivnalconventivn aufgenommen wäre, und soll gleichzeitig
unterzeichnet werden."

Bernadotte hatte das Ziel seiner Wünsche erreicht. Kam eine neue Restau¬
ration der alten Dynastien, die seinige war durch Nußland gesichert. Als
Nachfolger und Sohn von dem königlichen Bruder Gustavs 111. adoptirt, durch
einen Familienvertrag dem Kaiser von Rußland, dem Herzoge des Haust's
Holstein alliirt, durch die Stimme des Volkes gewählt, fehlte ihm nichts in
den Augen des Absolutismus und der Demokratie. ' Mit diesem Familienver-
trcige endeten die zweijährigen Unterhandlungen Bernadottes. Die schwedische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/362>, abgerufen am 11.05.2024.