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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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Schwiegersohn, Albrecht von Oestreich, in auswärtige Händel unrettbar ver¬
strickt, das Reich einer fremden Politik dienstbar machen wollten und der natio¬
nalen Partei, die bisher in der Stärkung der Reichsgewalt ihre Aufgabe
gefunden hatte, dadurch, daß der Kaiser selbst sich dem Reiche entfremdete, jeder
Boden unter den Füßen fortgezogen wurde.

Bis in diese traurigen Zeiten, in denen die Idee des Reichs gänzlich
verblich und das Interesse für die habsburgischen Erdtaube allein maßgebend
wurde, finden wir die Burggrafen im unermüdlichen Kampfe für das Reichs¬
interesse. Und diesem treuen Ausharren verdankten sie die Marken. Solange
es noch möglich war, sür die gesammte Nation zu wirken, ließ sich Friedrich VI.
auch durch den Besitz der Kur nicht verleiten, für die Begründung einer eig¬
nen, vom Reiche möglichst unabhängigen Landesherrlichkeit zu sorgen; obgleich
die Zustände der Marken seine dauernde Anwesenheit höchst wünschenswerth
erscheinen ließen, entzog er sich doch nie dem Dienste des Reiches, sondern blieb
in den ersten hoffnungsreichen Jahren Kaiser Sigismunds die kräftigste Stütze,
der erprobteste Rathgeber desselben; dadurch, daß die Hohenzollern zu gleicher
Zeit an der Spree und am Main Besitzungen hatten, lernten sie "die Interessen
beider Gebiete in dem höhern des Reiches zusammenfassen," während "die märki¬
schen Stände auch nach dem Frankenlande und was dort ihrem Fürsten ge¬
schah, sehen mußten."

Wir verzichten darauf, andere Glanzpunkte des Werkes, zu denen nament¬
lich die Darstellung der märkischen Verhältnisse von den Zeiten deutscher
Kolonisation bis zum Untergange der Bauernfreiheit und dem wüsten Treiben
der märkischen Ritterschaft gehört, besonders hervorzuheben, wie lehrreich und
anziehend diese Untersuchungen auch sind. Schon das Angeführte wird genügen,
von dem bedeutenden Gehalt des Werkes einen Begriff zu geben; wir fügen
nur noch einige Bemerkungen über die Komposition desselben und die Dar¬
stellungsweise hinzu.

Die Komposition war mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft. Da
die Beziehungen der Burggrafen zum Reich deutlich gemacht werden sollten,
war ein genaueres Eingehen auf die Reichsverhältnisfe unvermeidlich; es
mußte sogar für solche Zeiten, wo die Burggrafen ihrer Minderjährigkeit
wegen in die Reichsgeschäfte nicht eingreifen konnten, der Zusammenhang
der Reichsgeschichte den Lesern gegenwärtig erhalten werden. Dadurch er¬
hielt die Darstellung einen unverhältnißmäßig breiten und mannigfaltigen
Hintergrund, und es galt, dieses reichhaltige Material von doch nur secun-
därer Wichtigkeit in der Art künstlerisch zu gruppiren, daß die Gestalten der
Burggrafen sich überall leicht bemerklich und wirkungsvoll hervorhoben und
auf ihre Person das Interesse des Lesers concentrirten. Es scheint uns, daß
dem Verfasser die Lösung dieser schwierigen Ausgabe vorzüglich gelungen ist;


Schwiegersohn, Albrecht von Oestreich, in auswärtige Händel unrettbar ver¬
strickt, das Reich einer fremden Politik dienstbar machen wollten und der natio¬
nalen Partei, die bisher in der Stärkung der Reichsgewalt ihre Aufgabe
gefunden hatte, dadurch, daß der Kaiser selbst sich dem Reiche entfremdete, jeder
Boden unter den Füßen fortgezogen wurde.

Bis in diese traurigen Zeiten, in denen die Idee des Reichs gänzlich
verblich und das Interesse für die habsburgischen Erdtaube allein maßgebend
wurde, finden wir die Burggrafen im unermüdlichen Kampfe für das Reichs¬
interesse. Und diesem treuen Ausharren verdankten sie die Marken. Solange
es noch möglich war, sür die gesammte Nation zu wirken, ließ sich Friedrich VI.
auch durch den Besitz der Kur nicht verleiten, für die Begründung einer eig¬
nen, vom Reiche möglichst unabhängigen Landesherrlichkeit zu sorgen; obgleich
die Zustände der Marken seine dauernde Anwesenheit höchst wünschenswerth
erscheinen ließen, entzog er sich doch nie dem Dienste des Reiches, sondern blieb
in den ersten hoffnungsreichen Jahren Kaiser Sigismunds die kräftigste Stütze,
der erprobteste Rathgeber desselben; dadurch, daß die Hohenzollern zu gleicher
Zeit an der Spree und am Main Besitzungen hatten, lernten sie „die Interessen
beider Gebiete in dem höhern des Reiches zusammenfassen," während „die märki¬
schen Stände auch nach dem Frankenlande und was dort ihrem Fürsten ge¬
schah, sehen mußten."

Wir verzichten darauf, andere Glanzpunkte des Werkes, zu denen nament¬
lich die Darstellung der märkischen Verhältnisse von den Zeiten deutscher
Kolonisation bis zum Untergange der Bauernfreiheit und dem wüsten Treiben
der märkischen Ritterschaft gehört, besonders hervorzuheben, wie lehrreich und
anziehend diese Untersuchungen auch sind. Schon das Angeführte wird genügen,
von dem bedeutenden Gehalt des Werkes einen Begriff zu geben; wir fügen
nur noch einige Bemerkungen über die Komposition desselben und die Dar¬
stellungsweise hinzu.

Die Komposition war mit bedeutenden Schwierigkeiten verknüpft. Da
die Beziehungen der Burggrafen zum Reich deutlich gemacht werden sollten,
war ein genaueres Eingehen auf die Reichsverhältnisfe unvermeidlich; es
mußte sogar für solche Zeiten, wo die Burggrafen ihrer Minderjährigkeit
wegen in die Reichsgeschäfte nicht eingreifen konnten, der Zusammenhang
der Reichsgeschichte den Lesern gegenwärtig erhalten werden. Dadurch er¬
hielt die Darstellung einen unverhältnißmäßig breiten und mannigfaltigen
Hintergrund, und es galt, dieses reichhaltige Material von doch nur secun-
därer Wichtigkeit in der Art künstlerisch zu gruppiren, daß die Gestalten der
Burggrafen sich überall leicht bemerklich und wirkungsvoll hervorhoben und
auf ihre Person das Interesse des Lesers concentrirten. Es scheint uns, daß
dem Verfasser die Lösung dieser schwierigen Ausgabe vorzüglich gelungen ist;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/416>, abgerufen am 06.06.2024.