Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

einen Rain zu einem Wässerlein und Wäldlein; die grossen Gesellen hieben
Stangen ab, machten eine Hütte, ein Theil rupfte die Gänse, deren hatten sie
zwei; andere rüsteten Rüben im Topf, thaten Kopf und Füße, item die Därme
Harem; andere machten zwei hölzerne Spieße und fingen an zu braten; --und
als das Fleisch ein wenig roth war, huben wir es am Spieß ab und aßens;
also auch die Rüben. In der Nacht hörten wir etwas schnattern; da war
neben uns ein Weier, den hatte man am Tag abgelassen, und sprangen die
Fische auf der Mauer, da nahmen wir Fische so viel als wir in einem Hemde
an einem Stecken tragen konnten, und zogen davon, bis in ein Dorf, da
gaben wir einem Bauer Fische, daß er uns die andern in Bier kochte. -- Als
wir nun wieder gen Dresden gekommen, da schickten der Schulmeister und unsre
Bacchanten etliche Buben von uns aus, wir sollten um Gans auslugen; da
wurden wir eins, ich sollte Gans werffen, sie aber sollten sie nehmen und hin¬
wegtragen. Nachdem wir nun einen Haufen Gänse gefunden, und sie uns er¬
sehen haben, sind sie aufgeflogen, da hab ich einen kleinen Knüttel gehabt,
und diesen unter sie geworfen in die Luft, hab eine getroffen, daß sie herab
gefallen; als aber meine Gesellen den Gänsehirten ersehen haben, trauten sie
sich nicht hinzuzulaufen, obgleich sie doch dem Hirten wol hätten vorlauffen
können. Da ließen sich die andern Gänse wieder nieder, standen um die Gans,
gagaiten, als sprächen sie ihr zu; sie stand auch wieder auf, und ging mit
den andern davon. Ich war über meine Gesellen übel zufrieden, daß sie
ihrer Zusage nicht genug gethan hatten; aber sie hielten sich demnach
besser, denn wir brachten zwei Gänse davon, die verzehrten die Bacchanten
mit dem Schulmeister zum Abschied, und zogen darvon auf Nürnberg zu.
Bald darnach zogen wir wieder davon auf Ulm zu; da nahm Paulus noch
einen Buben mit, der hieß Hildebrand Kalbermatter eines Pfaffen Sohn, war
auch noch jung, dem gab man Tuch wie man solches im Lande macht zu einem
Röcklein. Als wir nach Ulm kamen hieß mich Paulus mit dem Tuch umher
gehen, den Macherlohn dazu zu heischen; dadurch bekam ich viel Geld, denn
ich war des Gotteslohns und Bettlers wohl gewohnt; denn dazu hatten mich
die Bacchanten fortwährend gebraucht, gar nicht zu der Schule gezogen, auch
nicht einmal lesen gelehrt. Während ich selten in die Schule ging, und wann
man in die Schule gehen sollte, mit dem Tuch umging, hab ich grossen Hunger
gelitten, denn alles was ich überkam, bracht ich den Bacchanten; ich hätte
nicht einen Bissen gegessen, denn ich fürchtete das Streichen. Paulus hatte
einen andern Bacchanten zu sich genommen, Namens Achatius, von Mainz ge¬
bürtig, denen mußt ich und mein Gesell Hildebrand präsentiren; aber mein
Gesell fraß schier alles selbst, dem gingen die Bacchanten auf der Gasse nach,
daß sie ihn essend fänden, oder sie hießen ihm den Mund mit Wasser aus¬
schwenken und in eine Schüssel mit Wasser spritzen, damit sie sähen, ob er


einen Rain zu einem Wässerlein und Wäldlein; die grossen Gesellen hieben
Stangen ab, machten eine Hütte, ein Theil rupfte die Gänse, deren hatten sie
zwei; andere rüsteten Rüben im Topf, thaten Kopf und Füße, item die Därme
Harem; andere machten zwei hölzerne Spieße und fingen an zu braten; —und
als das Fleisch ein wenig roth war, huben wir es am Spieß ab und aßens;
also auch die Rüben. In der Nacht hörten wir etwas schnattern; da war
neben uns ein Weier, den hatte man am Tag abgelassen, und sprangen die
Fische auf der Mauer, da nahmen wir Fische so viel als wir in einem Hemde
an einem Stecken tragen konnten, und zogen davon, bis in ein Dorf, da
gaben wir einem Bauer Fische, daß er uns die andern in Bier kochte. — Als
wir nun wieder gen Dresden gekommen, da schickten der Schulmeister und unsre
Bacchanten etliche Buben von uns aus, wir sollten um Gans auslugen; da
wurden wir eins, ich sollte Gans werffen, sie aber sollten sie nehmen und hin¬
wegtragen. Nachdem wir nun einen Haufen Gänse gefunden, und sie uns er¬
sehen haben, sind sie aufgeflogen, da hab ich einen kleinen Knüttel gehabt,
und diesen unter sie geworfen in die Luft, hab eine getroffen, daß sie herab
gefallen; als aber meine Gesellen den Gänsehirten ersehen haben, trauten sie
sich nicht hinzuzulaufen, obgleich sie doch dem Hirten wol hätten vorlauffen
können. Da ließen sich die andern Gänse wieder nieder, standen um die Gans,
gagaiten, als sprächen sie ihr zu; sie stand auch wieder auf, und ging mit
den andern davon. Ich war über meine Gesellen übel zufrieden, daß sie
ihrer Zusage nicht genug gethan hatten; aber sie hielten sich demnach
besser, denn wir brachten zwei Gänse davon, die verzehrten die Bacchanten
mit dem Schulmeister zum Abschied, und zogen darvon auf Nürnberg zu.
Bald darnach zogen wir wieder davon auf Ulm zu; da nahm Paulus noch
einen Buben mit, der hieß Hildebrand Kalbermatter eines Pfaffen Sohn, war
auch noch jung, dem gab man Tuch wie man solches im Lande macht zu einem
Röcklein. Als wir nach Ulm kamen hieß mich Paulus mit dem Tuch umher
gehen, den Macherlohn dazu zu heischen; dadurch bekam ich viel Geld, denn
ich war des Gotteslohns und Bettlers wohl gewohnt; denn dazu hatten mich
die Bacchanten fortwährend gebraucht, gar nicht zu der Schule gezogen, auch
nicht einmal lesen gelehrt. Während ich selten in die Schule ging, und wann
man in die Schule gehen sollte, mit dem Tuch umging, hab ich grossen Hunger
gelitten, denn alles was ich überkam, bracht ich den Bacchanten; ich hätte
nicht einen Bissen gegessen, denn ich fürchtete das Streichen. Paulus hatte
einen andern Bacchanten zu sich genommen, Namens Achatius, von Mainz ge¬
bürtig, denen mußt ich und mein Gesell Hildebrand präsentiren; aber mein
Gesell fraß schier alles selbst, dem gingen die Bacchanten auf der Gasse nach,
daß sie ihn essend fänden, oder sie hießen ihm den Mund mit Wasser aus¬
schwenken und in eine Schüssel mit Wasser spritzen, damit sie sähen, ob er


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0436" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/100890"/>
            <p xml:id="ID_1292" prev="#ID_1291" next="#ID_1293"> einen Rain zu einem Wässerlein und Wäldlein; die grossen Gesellen hieben<lb/>
Stangen ab, machten eine Hütte, ein Theil rupfte die Gänse, deren hatten sie<lb/>
zwei; andere rüsteten Rüben im Topf, thaten Kopf und Füße, item die Därme<lb/>
Harem; andere machten zwei hölzerne Spieße und fingen an zu braten; &#x2014;und<lb/>
als das Fleisch ein wenig roth war, huben wir es am Spieß ab und aßens;<lb/>
also auch die Rüben.  In der Nacht hörten wir etwas schnattern; da war<lb/>
neben uns ein Weier, den hatte man am Tag abgelassen, und sprangen die<lb/>
Fische auf der Mauer, da nahmen wir Fische so viel als wir in einem Hemde<lb/>
an einem Stecken tragen konnten, und zogen davon, bis in ein Dorf, da<lb/>
gaben wir einem Bauer Fische, daß er uns die andern in Bier kochte. &#x2014; Als<lb/>
wir nun wieder gen Dresden gekommen, da schickten der Schulmeister und unsre<lb/>
Bacchanten etliche Buben von uns aus, wir sollten um Gans auslugen; da<lb/>
wurden wir eins, ich sollte Gans werffen, sie aber sollten sie nehmen und hin¬<lb/>
wegtragen.  Nachdem wir nun einen Haufen Gänse gefunden, und sie uns er¬<lb/>
sehen haben, sind sie aufgeflogen, da hab ich einen kleinen Knüttel gehabt,<lb/>
und diesen unter sie geworfen in die Luft, hab eine getroffen, daß sie herab<lb/>
gefallen; als aber meine Gesellen den Gänsehirten ersehen haben, trauten sie<lb/>
sich nicht hinzuzulaufen, obgleich sie doch dem Hirten wol hätten vorlauffen<lb/>
können.  Da ließen sich die andern Gänse wieder nieder, standen um die Gans,<lb/>
gagaiten, als sprächen sie ihr zu; sie stand auch wieder auf, und ging mit<lb/>
den andern davon.  Ich war über meine Gesellen übel zufrieden, daß sie<lb/>
ihrer Zusage nicht genug gethan hatten; aber sie hielten sich demnach<lb/>
besser, denn wir brachten zwei Gänse davon, die verzehrten die Bacchanten<lb/>
mit dem Schulmeister zum Abschied, und zogen darvon auf Nürnberg zu.<lb/>
Bald darnach zogen wir wieder davon auf Ulm zu; da nahm Paulus noch<lb/>
einen Buben mit, der hieß Hildebrand Kalbermatter eines Pfaffen Sohn, war<lb/>
auch noch jung, dem gab man Tuch wie man solches im Lande macht zu einem<lb/>
Röcklein.  Als wir nach Ulm kamen hieß mich Paulus mit dem Tuch umher<lb/>
gehen, den Macherlohn dazu zu heischen; dadurch bekam ich viel Geld, denn<lb/>
ich war des Gotteslohns und Bettlers wohl gewohnt; denn dazu hatten mich<lb/>
die Bacchanten fortwährend gebraucht, gar nicht zu der Schule gezogen, auch<lb/>
nicht einmal lesen gelehrt.  Während ich selten in die Schule ging, und wann<lb/>
man in die Schule gehen sollte, mit dem Tuch umging, hab ich grossen Hunger<lb/>
gelitten, denn alles was ich überkam, bracht ich den Bacchanten; ich hätte<lb/>
nicht einen Bissen gegessen, denn ich fürchtete das Streichen.  Paulus hatte<lb/>
einen andern Bacchanten zu sich genommen, Namens Achatius, von Mainz ge¬<lb/>
bürtig, denen mußt ich und mein Gesell Hildebrand präsentiren; aber mein<lb/>
Gesell fraß schier alles selbst, dem gingen die Bacchanten auf der Gasse nach,<lb/>
daß sie ihn essend fänden, oder sie hießen ihm den Mund mit Wasser aus¬<lb/>
schwenken und in eine Schüssel mit Wasser spritzen, damit sie sähen, ob er</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0436] einen Rain zu einem Wässerlein und Wäldlein; die grossen Gesellen hieben Stangen ab, machten eine Hütte, ein Theil rupfte die Gänse, deren hatten sie zwei; andere rüsteten Rüben im Topf, thaten Kopf und Füße, item die Därme Harem; andere machten zwei hölzerne Spieße und fingen an zu braten; —und als das Fleisch ein wenig roth war, huben wir es am Spieß ab und aßens; also auch die Rüben. In der Nacht hörten wir etwas schnattern; da war neben uns ein Weier, den hatte man am Tag abgelassen, und sprangen die Fische auf der Mauer, da nahmen wir Fische so viel als wir in einem Hemde an einem Stecken tragen konnten, und zogen davon, bis in ein Dorf, da gaben wir einem Bauer Fische, daß er uns die andern in Bier kochte. — Als wir nun wieder gen Dresden gekommen, da schickten der Schulmeister und unsre Bacchanten etliche Buben von uns aus, wir sollten um Gans auslugen; da wurden wir eins, ich sollte Gans werffen, sie aber sollten sie nehmen und hin¬ wegtragen. Nachdem wir nun einen Haufen Gänse gefunden, und sie uns er¬ sehen haben, sind sie aufgeflogen, da hab ich einen kleinen Knüttel gehabt, und diesen unter sie geworfen in die Luft, hab eine getroffen, daß sie herab gefallen; als aber meine Gesellen den Gänsehirten ersehen haben, trauten sie sich nicht hinzuzulaufen, obgleich sie doch dem Hirten wol hätten vorlauffen können. Da ließen sich die andern Gänse wieder nieder, standen um die Gans, gagaiten, als sprächen sie ihr zu; sie stand auch wieder auf, und ging mit den andern davon. Ich war über meine Gesellen übel zufrieden, daß sie ihrer Zusage nicht genug gethan hatten; aber sie hielten sich demnach besser, denn wir brachten zwei Gänse davon, die verzehrten die Bacchanten mit dem Schulmeister zum Abschied, und zogen darvon auf Nürnberg zu. Bald darnach zogen wir wieder davon auf Ulm zu; da nahm Paulus noch einen Buben mit, der hieß Hildebrand Kalbermatter eines Pfaffen Sohn, war auch noch jung, dem gab man Tuch wie man solches im Lande macht zu einem Röcklein. Als wir nach Ulm kamen hieß mich Paulus mit dem Tuch umher gehen, den Macherlohn dazu zu heischen; dadurch bekam ich viel Geld, denn ich war des Gotteslohns und Bettlers wohl gewohnt; denn dazu hatten mich die Bacchanten fortwährend gebraucht, gar nicht zu der Schule gezogen, auch nicht einmal lesen gelehrt. Während ich selten in die Schule ging, und wann man in die Schule gehen sollte, mit dem Tuch umging, hab ich grossen Hunger gelitten, denn alles was ich überkam, bracht ich den Bacchanten; ich hätte nicht einen Bissen gegessen, denn ich fürchtete das Streichen. Paulus hatte einen andern Bacchanten zu sich genommen, Namens Achatius, von Mainz ge¬ bürtig, denen mußt ich und mein Gesell Hildebrand präsentiren; aber mein Gesell fraß schier alles selbst, dem gingen die Bacchanten auf der Gasse nach, daß sie ihn essend fänden, oder sie hießen ihm den Mund mit Wasser aus¬ schwenken und in eine Schüssel mit Wasser spritzen, damit sie sähen, ob er

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/436
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/436>, abgerufen am 17.06.2024.