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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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haßte Speculant sein Haus mit Gold überziehe. Und dann ballt er die Faust
und ein giftiger Fluch gegen Paris fährt durch seine Zähne. -"Zweimal hat er in
der schwelgerischen Stadt eine Massacre gemacht, es würde ihm Wohlbehagen
noch ein drittes Mal in der Stadt zu fusiliren und dies Mal die Reichen,
welche ihm verdanken, daß sie Champagner trinken und ihre Mädchen be¬
zahlen. Das wilde Gefühl der römischen Legionäre, daß sie den Staat bilden
und Kaiser machen, lebt in seiner Brust, und die Aussicht, einst als Krüppel
mit zehn Sous Verpflegungsgeld in der Tasche durch die Straßen von Paris
zu schleichen, erfüllt ihn jeden Tag mit Zorn. Der Socialismus, welchen der
Kaiser von dem Steinpflaster seiner Städte weggefegt hat, ist jetzt unier den
Soldaten und Offizieren der niedern Grade mächtig geworden, ein grimmiger
Haß gegen alle Genichenben, gegen alle Civilisten, ein unruhiger, begehr¬
licher Sinn, der mit Mühe durch die strenge Disciplin gezügelt wird- Solch
ein Heer kann keinen Frieden ertragen und wenn der Tag kommt, wo die
Schlachten vor Sebastopol und der Alma ausgeschlagen sind, und die wilden,
rauflustigen Scharen wieder nach Frankreich zurückkehren, dann wird der Kaiser
in der Lage sein, neue Schlachtfelder für seine Soldaten suchen zu müssen,
und die Maxime, zu welcher sein Oheim getrieben wurde, das Kaiserreich ist
der Krieg, wird auch für ihn gelten. Und wo er den nächsten Kampfplatz
auch finde, in Italien oder am Rhein, er wird einen Krieg suchen müssen in
immer größeren Verhältnissen, einen Kampf, welcher sein Heer beschäftigt und
den Franzosen immer wieder imponirt.

So scheint auch er, der kühle, bedächtige, verschlossene Mann, der jetzt
unter einem Thronhimmel steht, weil er alles gewagt hat und das Ungeheure
gethan, um zu erreichen, was er für seine Bestimmung hielt, schon jetzt das
Opfer der Gewalten, denen er sich ergeben. -- Doch wie groß der Zwang ver
Verhältnisse sei, eines Mannes Kraft kann größer sein; wer lebt und kämpft,
der darf hoffen, und wer seinem Kampf zusieht, der soll ihn nicht ver-
urtheilen vor dem Ende. Wir in Deutschland haben in vicser Zeit keinen
Grund dem Kaiser von' Frankreich etwas Anderes zu wünschen als guten Er¬
folg. Wohl aber haben wir alle Ursache schon jetzt an sein Geschick zu
denken -- und später an das unsere.




haßte Speculant sein Haus mit Gold überziehe. Und dann ballt er die Faust
und ein giftiger Fluch gegen Paris fährt durch seine Zähne. -»Zweimal hat er in
der schwelgerischen Stadt eine Massacre gemacht, es würde ihm Wohlbehagen
noch ein drittes Mal in der Stadt zu fusiliren und dies Mal die Reichen,
welche ihm verdanken, daß sie Champagner trinken und ihre Mädchen be¬
zahlen. Das wilde Gefühl der römischen Legionäre, daß sie den Staat bilden
und Kaiser machen, lebt in seiner Brust, und die Aussicht, einst als Krüppel
mit zehn Sous Verpflegungsgeld in der Tasche durch die Straßen von Paris
zu schleichen, erfüllt ihn jeden Tag mit Zorn. Der Socialismus, welchen der
Kaiser von dem Steinpflaster seiner Städte weggefegt hat, ist jetzt unier den
Soldaten und Offizieren der niedern Grade mächtig geworden, ein grimmiger
Haß gegen alle Genichenben, gegen alle Civilisten, ein unruhiger, begehr¬
licher Sinn, der mit Mühe durch die strenge Disciplin gezügelt wird- Solch
ein Heer kann keinen Frieden ertragen und wenn der Tag kommt, wo die
Schlachten vor Sebastopol und der Alma ausgeschlagen sind, und die wilden,
rauflustigen Scharen wieder nach Frankreich zurückkehren, dann wird der Kaiser
in der Lage sein, neue Schlachtfelder für seine Soldaten suchen zu müssen,
und die Maxime, zu welcher sein Oheim getrieben wurde, das Kaiserreich ist
der Krieg, wird auch für ihn gelten. Und wo er den nächsten Kampfplatz
auch finde, in Italien oder am Rhein, er wird einen Krieg suchen müssen in
immer größeren Verhältnissen, einen Kampf, welcher sein Heer beschäftigt und
den Franzosen immer wieder imponirt.

So scheint auch er, der kühle, bedächtige, verschlossene Mann, der jetzt
unter einem Thronhimmel steht, weil er alles gewagt hat und das Ungeheure
gethan, um zu erreichen, was er für seine Bestimmung hielt, schon jetzt das
Opfer der Gewalten, denen er sich ergeben. — Doch wie groß der Zwang ver
Verhältnisse sei, eines Mannes Kraft kann größer sein; wer lebt und kämpft,
der darf hoffen, und wer seinem Kampf zusieht, der soll ihn nicht ver-
urtheilen vor dem Ende. Wir in Deutschland haben in vicser Zeit keinen
Grund dem Kaiser von' Frankreich etwas Anderes zu wünschen als guten Er¬
folg. Wohl aber haben wir alle Ursache schon jetzt an sein Geschick zu
denken — und später an das unsere.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/456>, abgerufen am 13.05.2024.