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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band.

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nach welcher sich die Umgestaltung hinbewegt. Denn sie ist durchaus noch keine
vollendete und ob dieselbe im Laufe dieses Krieges zum Abschluß kommt, wird
davon abhängen, ob ein bedeutender Kopf während seines Verlaufes an die
Spitze irgendeiner Armee berufen werden wird, oder nicht. Ich kann aber, um für
den obigen Zweck festzustellen, wie die "alte Taktik" gewesen ist, nichts Besseres
thun, als wenn ich die meisterhafte Charakteristik hier hinsetze, die der preußische
General Karl von Clausewitz in seinem hinterlassenen Werke "Vom Kriege",
von der Gefechtskunst seiner Zeit gegeben hat. Clausewitz sagt: "Was thut
man jetzt gewöhnlich in einer Schlacht? Man stellt sich in Massen, neben- und
hintereinander geordnet ruhig hin, entwickelt verhältnißmäßig nur einen ge¬
ringen Theil des Ganzen und läßt sich diesen in einem stundenlangen Feuer¬
gefecht ausringen, welches durch einzelne kleine Stöße von Sturmschritt,
Bajonett- und Cavalerieanfall hin und wieder unterbrochen und etwas hin-
und hergeschoben wird. Hat dieser eine Theil sein kriegerisches Feuer auf
diese Weise nach und nach ausgeströmt und es bleiben nichts als die Schlacken
übrig, so wird er zurückgezogen und von einem anderen ersetzt. Auf diese
Weise brennt die Schlacht, mit gemäßigtem Element, wie nasses Pulver, lang¬
sam ab und wenn der Schleier der Nacht Ruhe gebietet, weil niemand mehr
sehen kann und sich niemand dem blinden Zufall Preis geben will, so wird
geschätzt, was dem einen und dem andern übrig bleiben mag an Massen, die
noch brauchbar genannt werden können d. h. die noch nicht ganz wie aus¬
gebrannte Vulkane in sich zusammengefallen sind; es wird geschätzt, was man
an Raum gewonnen und verloren hat, und wie es mit der Sicherheit des
Rückens steht; es ziehen sich diese Resultate mit den einzelnen Eindrücken von
Muth und Feigheit, Klugheit und Dummheit, die man bei sich und seinem
Gegner wahrgenommen hat, in einen einzigen Haupteindruck zusammen, aus
welchem dann der Entschluß entspringt,.das Schlachtfeld zu räumen, oder das
Gefecht am andern Morgen zu erneuern."

Wie schön und klar diese Auseinandersetzung über das Wesen und den
Gang der Schlachten in der napoleonischen Epoche immerhin auch sein mag,
wird dennoch nichtsdestoweniger das nachstehende Citat aus dem bekannten
Werke "über den Nationalkrieg" von Mieroslawski von den Lesern als eine
willkommene Ergänzung betrachtet werden. Der genannte Verfasser läßt sich
über denselben Gegenstand etwa folgendermaßen vernehmen: "Da bei der
napoleonischen Gefechtsanlage die Eigenschaft des Bodens als eine Haupt-
function hervortritt, so lassen sich für die heutige (will sagen napoleonische)
Schlachtleitung g, priori nicht jene geometrischen Formen im voraus bestimmen,
die z. B. die Taktik der Alten, Friedrichs des Großen und Guiberts charak-
terisiren. In den napoleonischen Schlachten entwickeln sich die
Massen selten zum Gliederfeuer. Das Feuer dieser Art wird meist


nach welcher sich die Umgestaltung hinbewegt. Denn sie ist durchaus noch keine
vollendete und ob dieselbe im Laufe dieses Krieges zum Abschluß kommt, wird
davon abhängen, ob ein bedeutender Kopf während seines Verlaufes an die
Spitze irgendeiner Armee berufen werden wird, oder nicht. Ich kann aber, um für
den obigen Zweck festzustellen, wie die „alte Taktik" gewesen ist, nichts Besseres
thun, als wenn ich die meisterhafte Charakteristik hier hinsetze, die der preußische
General Karl von Clausewitz in seinem hinterlassenen Werke „Vom Kriege",
von der Gefechtskunst seiner Zeit gegeben hat. Clausewitz sagt: „Was thut
man jetzt gewöhnlich in einer Schlacht? Man stellt sich in Massen, neben- und
hintereinander geordnet ruhig hin, entwickelt verhältnißmäßig nur einen ge¬
ringen Theil des Ganzen und läßt sich diesen in einem stundenlangen Feuer¬
gefecht ausringen, welches durch einzelne kleine Stöße von Sturmschritt,
Bajonett- und Cavalerieanfall hin und wieder unterbrochen und etwas hin-
und hergeschoben wird. Hat dieser eine Theil sein kriegerisches Feuer auf
diese Weise nach und nach ausgeströmt und es bleiben nichts als die Schlacken
übrig, so wird er zurückgezogen und von einem anderen ersetzt. Auf diese
Weise brennt die Schlacht, mit gemäßigtem Element, wie nasses Pulver, lang¬
sam ab und wenn der Schleier der Nacht Ruhe gebietet, weil niemand mehr
sehen kann und sich niemand dem blinden Zufall Preis geben will, so wird
geschätzt, was dem einen und dem andern übrig bleiben mag an Massen, die
noch brauchbar genannt werden können d. h. die noch nicht ganz wie aus¬
gebrannte Vulkane in sich zusammengefallen sind; es wird geschätzt, was man
an Raum gewonnen und verloren hat, und wie es mit der Sicherheit des
Rückens steht; es ziehen sich diese Resultate mit den einzelnen Eindrücken von
Muth und Feigheit, Klugheit und Dummheit, die man bei sich und seinem
Gegner wahrgenommen hat, in einen einzigen Haupteindruck zusammen, aus
welchem dann der Entschluß entspringt,.das Schlachtfeld zu räumen, oder das
Gefecht am andern Morgen zu erneuern."

Wie schön und klar diese Auseinandersetzung über das Wesen und den
Gang der Schlachten in der napoleonischen Epoche immerhin auch sein mag,
wird dennoch nichtsdestoweniger das nachstehende Citat aus dem bekannten
Werke „über den Nationalkrieg" von Mieroslawski von den Lesern als eine
willkommene Ergänzung betrachtet werden. Der genannte Verfasser läßt sich
über denselben Gegenstand etwa folgendermaßen vernehmen: „Da bei der
napoleonischen Gefechtsanlage die Eigenschaft des Bodens als eine Haupt-
function hervortritt, so lassen sich für die heutige (will sagen napoleonische)
Schlachtleitung g, priori nicht jene geometrischen Formen im voraus bestimmen,
die z. B. die Taktik der Alten, Friedrichs des Großen und Guiberts charak-
terisiren. In den napoleonischen Schlachten entwickeln sich die
Massen selten zum Gliederfeuer. Das Feuer dieser Art wird meist


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_100453/76>, abgerufen am 11.05.2024.