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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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zu haben; aber der wichtigste Theil seiner Aufgabe wird dann die Auswahl
sein. Schon die verhältnismäßige Ausführlichkeit, mit der die Einleitung be¬
handelt ist, erregt uns einige Bedenken. -- Ein zweiter Umstand ist der Ton
des Buchs. Der Verfasser scheint uns nicht so vollständig, als es' zu wünschen
wäre, die Rhetorik vermieden zu haben, die bei einem kleinen Werk wohl an¬
gebracht ist, die aber bei einer umfangreichen historischen Darstellung auf das
äußerste ermüdet. Man hat Schillers historische Versuche sehr getadelt; aber
die Form seiner Darstellung hat doch mehr Einfluß auf die spätern Geschicht¬
schreiber ausgeübt, als im Interesse der Geschichte zu wünschen wäre. Je ein¬
facher und durchsichtiger der Stil ist, desto klarer werden auch diejenigen Motive
hervortreten, die einen lebendigen Antheil zu erregen geeignet sind; die Wärme,
mit der das Buch ausgenommen werden soll, darf nicht von dem Schriftsteller
ausgedrückt werden.

In der nächsten Lieferung soll auch die Vorrede mitgetheilt werden, in
welcher der Verfasser sich ausführlicher über seine Methode ausspricht. Bis
dahin müssen wir also unser Urtheil zurückhalten, um nicht dem Verfasser Ab¬
sichten und Zwecke unterzulegen, die er nicht gehabt hat. Vorläufig können
wir nur den lebhaftesten Wunsch aussprechen, daß das Werk ein recht glückliches
Gedeihen haben möge; denn verfehlte Versuche sind in dieser Gattung nicht
blos unnütz, sie sind gradezu schädlich für die spätere Geschichtschreibung. --

Das diplomatische Handbuch macht keinen Anspruch auf einen selbst¬
ständigen Werth; es begnügt sich damit, aus den größern Sammlungen, die
wegen ihres ungeheuren Umfangs dem Volke nicht zugänglich sind, diejenigen
Urkunden, auszuwählen, die noch eine bestimmte Beziehung zur Gegenwart
haben, und mit denen das Publicum genauer bekannt sein muß, wenn es
überhaupt über historische Zustände ein Urtheil fällen will.

Das Werk soll in zwei Bände zerfallen, jeder Band zu zwei Abtheilungen,
das ganze Werk zu dem äußerst billigen Preis von i Thaler 20 Groschen.
Die erste Abtheilung, die uns vorliegt, enthält den westphälischen Frieden,
den Frieden von Ryswik, Utrecht, Nystädt, Paris, Hubertöburg, und die
Verträge, die sich auf die Theilung Polens beziehen. Die zweite Abtheilung
soll die Friedensschlüsse vom Ausbruch der französischen Revolution bis zur
Restauration enthalten. In den zweiten Band sollen die Actenstücke aufgenom-
men werden über die inneren Verhältnisse Deutschlands seit Auflösung des
deutschen Reichs; ferner die Verträge, die sich auf die Türkei, Griechenland,
Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Holland, Schweiz, Dänemark und
Schweden beziehen.

Die kurzen historischen Einleitungen sind für den Zweck allgemeiner Orien-
tirung ausreichend; dagegen hätten wir bei der Angabe der historischen Literatur
eine größere Sorgfalt gewünscht; es sind die verschiedensten Büchertitel bunt


zu haben; aber der wichtigste Theil seiner Aufgabe wird dann die Auswahl
sein. Schon die verhältnismäßige Ausführlichkeit, mit der die Einleitung be¬
handelt ist, erregt uns einige Bedenken. — Ein zweiter Umstand ist der Ton
des Buchs. Der Verfasser scheint uns nicht so vollständig, als es' zu wünschen
wäre, die Rhetorik vermieden zu haben, die bei einem kleinen Werk wohl an¬
gebracht ist, die aber bei einer umfangreichen historischen Darstellung auf das
äußerste ermüdet. Man hat Schillers historische Versuche sehr getadelt; aber
die Form seiner Darstellung hat doch mehr Einfluß auf die spätern Geschicht¬
schreiber ausgeübt, als im Interesse der Geschichte zu wünschen wäre. Je ein¬
facher und durchsichtiger der Stil ist, desto klarer werden auch diejenigen Motive
hervortreten, die einen lebendigen Antheil zu erregen geeignet sind; die Wärme,
mit der das Buch ausgenommen werden soll, darf nicht von dem Schriftsteller
ausgedrückt werden.

In der nächsten Lieferung soll auch die Vorrede mitgetheilt werden, in
welcher der Verfasser sich ausführlicher über seine Methode ausspricht. Bis
dahin müssen wir also unser Urtheil zurückhalten, um nicht dem Verfasser Ab¬
sichten und Zwecke unterzulegen, die er nicht gehabt hat. Vorläufig können
wir nur den lebhaftesten Wunsch aussprechen, daß das Werk ein recht glückliches
Gedeihen haben möge; denn verfehlte Versuche sind in dieser Gattung nicht
blos unnütz, sie sind gradezu schädlich für die spätere Geschichtschreibung. —

Das diplomatische Handbuch macht keinen Anspruch auf einen selbst¬
ständigen Werth; es begnügt sich damit, aus den größern Sammlungen, die
wegen ihres ungeheuren Umfangs dem Volke nicht zugänglich sind, diejenigen
Urkunden, auszuwählen, die noch eine bestimmte Beziehung zur Gegenwart
haben, und mit denen das Publicum genauer bekannt sein muß, wenn es
überhaupt über historische Zustände ein Urtheil fällen will.

Das Werk soll in zwei Bände zerfallen, jeder Band zu zwei Abtheilungen,
das ganze Werk zu dem äußerst billigen Preis von i Thaler 20 Groschen.
Die erste Abtheilung, die uns vorliegt, enthält den westphälischen Frieden,
den Frieden von Ryswik, Utrecht, Nystädt, Paris, Hubertöburg, und die
Verträge, die sich auf die Theilung Polens beziehen. Die zweite Abtheilung
soll die Friedensschlüsse vom Ausbruch der französischen Revolution bis zur
Restauration enthalten. In den zweiten Band sollen die Actenstücke aufgenom-
men werden über die inneren Verhältnisse Deutschlands seit Auflösung des
deutschen Reichs; ferner die Verträge, die sich auf die Türkei, Griechenland,
Italien, Spanien, Portugal, Belgien, Holland, Schweiz, Dänemark und
Schweden beziehen.

Die kurzen historischen Einleitungen sind für den Zweck allgemeiner Orien-
tirung ausreichend; dagegen hätten wir bei der Angabe der historischen Literatur
eine größere Sorgfalt gewünscht; es sind die verschiedensten Büchertitel bunt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/103>, abgerufen am 09.06.2024.