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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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durcheinandergeworfen und weder Vollständigkeit noch übersichtliche Gruppirung
erreicht. Eine solche Sammlung von Büchertiteln hat nur dann einen Zweck,
wenn die Auswahl entweder nach einem bestimmten Princip geschieht, oder
wenn durch einige tur;e Notizen das Publicum darauf aufmerksam gemacht
wird, was es in den angeführten Büchern zu suchen hat. --

Die kleine Monographie über den zwar historischen, aber doch sagenhaften
Bischof von Passau ist sehr interessant. Der Verfasser hat zwar gefühlt,
daß aus den vereinzelten Forschungen, die er über diesen Gegenstand zusammen¬
gestellt hat, kein einheitliches Ganze hervorgegangen ist; aber das dürfte bei
einer der gelehrten Literatur angehörigen Monographie auch nicht nothwendig
sein. -- Piligrim wurde 97-1 zum Bischof von Passau befördert und verfolgte
mit großer Ausdauer, freilich zum Theil auch mit sehr unehrlichen Mitteln, den
Plan, ganz Ungarn seiner Diöcese einzuverleiben und es damit für die deutsche
Kirche zu erobern. Es ist durch seine Verfälschungen in die ungarische Kirchen¬
geschichte eine wunderbare Verwirrung gekommen, die der Verfasser durch sehr
gründliche Studien zu lösen gesucht hat. Nebenbei gehörte Piligrim auch zu
den Helden des Nibelungenliedes, und der Versasser sucht die darin verstreuten
Nachrichten so zu beuten, daß Piligrim die uralte, im deutschen Heidenthum
wurzelnde Sage von den Nibelungen, welche sich bis auf seine Zeit nur in der
mündlichen Ueberlieferung fortgepflanzt hatte, zum ersten Mal ausschreiben ließ
und so die Quelle für die spätere Dichtung feststellte. --

DaS vortreffliche, mit größter Sorgfalt ausgearbeitete Werk von Ols-
hausen über das Mississippithal haben wir schon früher angeführt. Die
gegenwärtige Lieferung enthält die Beschreibung des Staats Missouri. Da
wir bei einer früheren Gelegenheit auf die Sklavenverhältnisse dieses Staats
eingegangen sind, wollen wir auch mittheilen, was der Verfasser darüber berichtet.

In Missouri sind die Rechtsverhältnisse der Sklaven nicht, wie in mehren
andern Sklavenstaaten, durch ein eignes Gesetz -- einen sogenannten Black
Code -- geordnet, sondern es bestehen nur einzelne Gesetze, welche Vorschriften
über die Einfuhr und die Freilassung von Sklaven, über das Verfahren mit ent¬
flohenen Sklaven und sonstige polizeiliche Anordnungen enthalten. Auch finden
überall keine Bestimmungen darüber statt, auf welche Behandlung, Ernährung,
Bekleidung u. s. w. der Sklave Anspruch hat und wie lange höchstens seine
Arbeitszeit sein soll, welches alles z. B. in Louisiana sehr genau gesetzlich be¬
stimmt ist. Die einzige Vorschrift, welche in dieser Beziehung in den Gesetzen
von Missouri vorkommt, ist die, daß "jeder, der seinen eigenthümlichen oder ge¬
mietheten Sklave" grausam und unmenschlich peinigt, schlägt, verwundet over
sonst mißhandelt, auf den Beweis davon mit einer Gefängnißstrafe im County-
gefängniß bis zu einem Jahr, oder mit einer Geldstrafe bis zu -1000 Dollars
oder mit einer Gefängniß- und Geldstrafe zugleich bestraft werden soll." Wir


durcheinandergeworfen und weder Vollständigkeit noch übersichtliche Gruppirung
erreicht. Eine solche Sammlung von Büchertiteln hat nur dann einen Zweck,
wenn die Auswahl entweder nach einem bestimmten Princip geschieht, oder
wenn durch einige tur;e Notizen das Publicum darauf aufmerksam gemacht
wird, was es in den angeführten Büchern zu suchen hat. —

Die kleine Monographie über den zwar historischen, aber doch sagenhaften
Bischof von Passau ist sehr interessant. Der Verfasser hat zwar gefühlt,
daß aus den vereinzelten Forschungen, die er über diesen Gegenstand zusammen¬
gestellt hat, kein einheitliches Ganze hervorgegangen ist; aber das dürfte bei
einer der gelehrten Literatur angehörigen Monographie auch nicht nothwendig
sein. — Piligrim wurde 97-1 zum Bischof von Passau befördert und verfolgte
mit großer Ausdauer, freilich zum Theil auch mit sehr unehrlichen Mitteln, den
Plan, ganz Ungarn seiner Diöcese einzuverleiben und es damit für die deutsche
Kirche zu erobern. Es ist durch seine Verfälschungen in die ungarische Kirchen¬
geschichte eine wunderbare Verwirrung gekommen, die der Verfasser durch sehr
gründliche Studien zu lösen gesucht hat. Nebenbei gehörte Piligrim auch zu
den Helden des Nibelungenliedes, und der Versasser sucht die darin verstreuten
Nachrichten so zu beuten, daß Piligrim die uralte, im deutschen Heidenthum
wurzelnde Sage von den Nibelungen, welche sich bis auf seine Zeit nur in der
mündlichen Ueberlieferung fortgepflanzt hatte, zum ersten Mal ausschreiben ließ
und so die Quelle für die spätere Dichtung feststellte. —

DaS vortreffliche, mit größter Sorgfalt ausgearbeitete Werk von Ols-
hausen über das Mississippithal haben wir schon früher angeführt. Die
gegenwärtige Lieferung enthält die Beschreibung des Staats Missouri. Da
wir bei einer früheren Gelegenheit auf die Sklavenverhältnisse dieses Staats
eingegangen sind, wollen wir auch mittheilen, was der Verfasser darüber berichtet.

In Missouri sind die Rechtsverhältnisse der Sklaven nicht, wie in mehren
andern Sklavenstaaten, durch ein eignes Gesetz — einen sogenannten Black
Code — geordnet, sondern es bestehen nur einzelne Gesetze, welche Vorschriften
über die Einfuhr und die Freilassung von Sklaven, über das Verfahren mit ent¬
flohenen Sklaven und sonstige polizeiliche Anordnungen enthalten. Auch finden
überall keine Bestimmungen darüber statt, auf welche Behandlung, Ernährung,
Bekleidung u. s. w. der Sklave Anspruch hat und wie lange höchstens seine
Arbeitszeit sein soll, welches alles z. B. in Louisiana sehr genau gesetzlich be¬
stimmt ist. Die einzige Vorschrift, welche in dieser Beziehung in den Gesetzen
von Missouri vorkommt, ist die, daß „jeder, der seinen eigenthümlichen oder ge¬
mietheten Sklave» grausam und unmenschlich peinigt, schlägt, verwundet over
sonst mißhandelt, auf den Beweis davon mit einer Gefängnißstrafe im County-
gefängniß bis zu einem Jahr, oder mit einer Geldstrafe bis zu -1000 Dollars
oder mit einer Gefängniß- und Geldstrafe zugleich bestraft werden soll." Wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/104>, abgerufen am 09.06.2024.