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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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an eine Vermehrung der Heringe durch Negierungreglements als ausführbar
vorgeschwebt haben, da aus derselben Gesetzesfabrik die Bestimmung hervor¬
gegangen ist, daß während der Wintermonate an den holländischen Küsten
nicht mit Netzen gefischt werden durs, während die Belgier immerzu fischen und
infolge dessen die ehemals so blühenden holländischen Seedörfer der traurigsten
Armuth verfallen sind.

Jedoch sehen.wir uns den Hauptzweck des Gesetzes an, welcher auf fol¬
gender nationalökonomischen These basirt, wie sie noch 1830 von einem Ver¬
theidiger des Gesetzes von 1818 also ausgedrückt ward: "Es kann keinem
vernünftigen Zweifel unterliegen, daß jede Regierung nicht allein das Recht,
sondern auch die Pflicht hat, zu wachen, daß die Producte des Landes, wenn
dieselben in engem Verbände mit der allgemeinen Wohlfahrt stehen, ihren
altM Ruhm bewahren."

Es ist das eine Scheinwahrheit, die freilich in den Regierungs- und
Beamtenkreisen noch viele Gläubige hat, wie wir nächstens aus einer Anzahl
norddeutscher Reglements nachweisen wollen, aber dennoch weder mit dem Be¬
griffe des vernünftigen, nationalökonomischen Staates, noch mit den Eigen¬
thumsrechten der Bürger vereinbar und auf die Dauer und alle Folgen gegen¬
einander abgewogen stets schädlich ist.

Zur Wahrung des "alten Ruhmes des holländischen Herings" ward ein
Heer von Reglements geschaffen, aus dem wir folgende der lehrreichsten und
wichtigsten mittheilen.

Zuerst ward ein Oberaussichtscollegium, welches von den Fischern gewählt
ward, errichtet, welches weiter nichts that, als die Polizei zu spielen und
Denunciationen in Empfang zu nehmen; jeder bedarf zur Ausübung des Hering¬
fangs der Erlaubniß der Behörde, eine reiche Quelle der Chicanen, Begünstigungen
und Ungerechtigkeiten; die Fangwerkzeuge sind bis ins Detail vorgeschrieben,
ein treffliches ' Mittel, um die Erfindung von Verbesserungen zu hindern;
Niederländer dürfen nicht an fremder Fischerei, Fremde nicht an der nieder¬
ländischen theilnehmen, vortrefflich zur Erhaltung des alten Schlendrians in
der Ausrüstung der Schiffe und dem Fangen des Fisches, sowie zur Verhütung
des Auffindens neuer Fangstellen und Absatzwege und endlich eine Provocation
von Repressalien. Aber es kommt noch besser! In den Artikeln 13. bis 19.
und 3ü. wird der Hering in drei Classen getheilt. Erstens der eigentliche so¬
genannte "Pekelhering"-- (beiläufig: pvköl heißt die Salzlauge über eingemachten
Sachen und dieses Wort, nicht Jean von Beukelz, ist der Vater des deutschen
Wortes "einpökeln", was also falsch geschrieben wird) -- welcher auf der
Höhe von Hithland und Edinburg und an den Küsten von England gefangen
wird; der zweite ist der sogenannte frische Hering, welcher in den Strichen
östlich von Uarmouth gefangen wird, und der dritte der sogenannte Pan-


an eine Vermehrung der Heringe durch Negierungreglements als ausführbar
vorgeschwebt haben, da aus derselben Gesetzesfabrik die Bestimmung hervor¬
gegangen ist, daß während der Wintermonate an den holländischen Küsten
nicht mit Netzen gefischt werden durs, während die Belgier immerzu fischen und
infolge dessen die ehemals so blühenden holländischen Seedörfer der traurigsten
Armuth verfallen sind.

Jedoch sehen.wir uns den Hauptzweck des Gesetzes an, welcher auf fol¬
gender nationalökonomischen These basirt, wie sie noch 1830 von einem Ver¬
theidiger des Gesetzes von 1818 also ausgedrückt ward: „Es kann keinem
vernünftigen Zweifel unterliegen, daß jede Regierung nicht allein das Recht,
sondern auch die Pflicht hat, zu wachen, daß die Producte des Landes, wenn
dieselben in engem Verbände mit der allgemeinen Wohlfahrt stehen, ihren
altM Ruhm bewahren."

Es ist das eine Scheinwahrheit, die freilich in den Regierungs- und
Beamtenkreisen noch viele Gläubige hat, wie wir nächstens aus einer Anzahl
norddeutscher Reglements nachweisen wollen, aber dennoch weder mit dem Be¬
griffe des vernünftigen, nationalökonomischen Staates, noch mit den Eigen¬
thumsrechten der Bürger vereinbar und auf die Dauer und alle Folgen gegen¬
einander abgewogen stets schädlich ist.

Zur Wahrung des „alten Ruhmes des holländischen Herings" ward ein
Heer von Reglements geschaffen, aus dem wir folgende der lehrreichsten und
wichtigsten mittheilen.

Zuerst ward ein Oberaussichtscollegium, welches von den Fischern gewählt
ward, errichtet, welches weiter nichts that, als die Polizei zu spielen und
Denunciationen in Empfang zu nehmen; jeder bedarf zur Ausübung des Hering¬
fangs der Erlaubniß der Behörde, eine reiche Quelle der Chicanen, Begünstigungen
und Ungerechtigkeiten; die Fangwerkzeuge sind bis ins Detail vorgeschrieben,
ein treffliches ' Mittel, um die Erfindung von Verbesserungen zu hindern;
Niederländer dürfen nicht an fremder Fischerei, Fremde nicht an der nieder¬
ländischen theilnehmen, vortrefflich zur Erhaltung des alten Schlendrians in
der Ausrüstung der Schiffe und dem Fangen des Fisches, sowie zur Verhütung
des Auffindens neuer Fangstellen und Absatzwege und endlich eine Provocation
von Repressalien. Aber es kommt noch besser! In den Artikeln 13. bis 19.
und 3ü. wird der Hering in drei Classen getheilt. Erstens der eigentliche so¬
genannte „Pekelhering"— (beiläufig: pvköl heißt die Salzlauge über eingemachten
Sachen und dieses Wort, nicht Jean von Beukelz, ist der Vater des deutschen
Wortes „einpökeln", was also falsch geschrieben wird) — welcher auf der
Höhe von Hithland und Edinburg und an den Küsten von England gefangen
wird; der zweite ist der sogenannte frische Hering, welcher in den Strichen
östlich von Uarmouth gefangen wird, und der dritte der sogenannte Pan-


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[0384] an eine Vermehrung der Heringe durch Negierungreglements als ausführbar vorgeschwebt haben, da aus derselben Gesetzesfabrik die Bestimmung hervor¬ gegangen ist, daß während der Wintermonate an den holländischen Küsten nicht mit Netzen gefischt werden durs, während die Belgier immerzu fischen und infolge dessen die ehemals so blühenden holländischen Seedörfer der traurigsten Armuth verfallen sind. Jedoch sehen.wir uns den Hauptzweck des Gesetzes an, welcher auf fol¬ gender nationalökonomischen These basirt, wie sie noch 1830 von einem Ver¬ theidiger des Gesetzes von 1818 also ausgedrückt ward: „Es kann keinem vernünftigen Zweifel unterliegen, daß jede Regierung nicht allein das Recht, sondern auch die Pflicht hat, zu wachen, daß die Producte des Landes, wenn dieselben in engem Verbände mit der allgemeinen Wohlfahrt stehen, ihren altM Ruhm bewahren." Es ist das eine Scheinwahrheit, die freilich in den Regierungs- und Beamtenkreisen noch viele Gläubige hat, wie wir nächstens aus einer Anzahl norddeutscher Reglements nachweisen wollen, aber dennoch weder mit dem Be¬ griffe des vernünftigen, nationalökonomischen Staates, noch mit den Eigen¬ thumsrechten der Bürger vereinbar und auf die Dauer und alle Folgen gegen¬ einander abgewogen stets schädlich ist. Zur Wahrung des „alten Ruhmes des holländischen Herings" ward ein Heer von Reglements geschaffen, aus dem wir folgende der lehrreichsten und wichtigsten mittheilen. Zuerst ward ein Oberaussichtscollegium, welches von den Fischern gewählt ward, errichtet, welches weiter nichts that, als die Polizei zu spielen und Denunciationen in Empfang zu nehmen; jeder bedarf zur Ausübung des Hering¬ fangs der Erlaubniß der Behörde, eine reiche Quelle der Chicanen, Begünstigungen und Ungerechtigkeiten; die Fangwerkzeuge sind bis ins Detail vorgeschrieben, ein treffliches ' Mittel, um die Erfindung von Verbesserungen zu hindern; Niederländer dürfen nicht an fremder Fischerei, Fremde nicht an der nieder¬ ländischen theilnehmen, vortrefflich zur Erhaltung des alten Schlendrians in der Ausrüstung der Schiffe und dem Fangen des Fisches, sowie zur Verhütung des Auffindens neuer Fangstellen und Absatzwege und endlich eine Provocation von Repressalien. Aber es kommt noch besser! In den Artikeln 13. bis 19. und 3ü. wird der Hering in drei Classen getheilt. Erstens der eigentliche so¬ genannte „Pekelhering"— (beiläufig: pvköl heißt die Salzlauge über eingemachten Sachen und dieses Wort, nicht Jean von Beukelz, ist der Vater des deutschen Wortes „einpökeln", was also falsch geschrieben wird) — welcher auf der Höhe von Hithland und Edinburg und an den Küsten von England gefangen wird; der zweite ist der sogenannte frische Hering, welcher in den Strichen östlich von Uarmouth gefangen wird, und der dritte der sogenannte Pan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/384>, abgerufen am 17.06.2024.