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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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briken angefertigt wird und unter dem Namen "künstliches Bittermandelöl oder
K88Sues Ah Wrbane" im Handel ist, wird allein noch zu allen Seifen,
Haarölen, Essenzen und Wassern genommen, welche den Geruch nach bittern
Mandeln haben -- es ist sogar besser und unschädlicher, wie das Bitter¬
mandelöl selbst, welches Blausäure enthalten kann, wird daher auch in der
Conditorei verwendet. Unleugbar ist die aus Pferdeställen und Kuhställen
abfließende Jauche durchaus kein Ding, welches ein nichtchemischer Sinn in
Verbindung mit Wohlgerüchen zu bringen geneigt wäre. Aber ein Haupt¬
stoff in dieser Flüssigkeit, der daraus ganz leicht gewonnen werden kann, die
Hippursäure, liefert durch Destillation einen neuen Stoff, das Nitrobenzyl,
welcher ebenfalls dem Bittermandelöl zum Verwechseln täuschend ähnlich ist.
Diese wohlfeileren Stoffe werden natürlich allgemein statt des kostbareren Vorbild¬
stoffes zu Parfümerien gebraucht. -- Niemand, der jemals schlechten Kartoffel¬
branntwein auf die Hand gegossen, zerrieben und den Geruch eingeathmet hat,
wird behaupten wollen, daß das Fuselöl Wohlgerüche zu erzeugen vermöge.
Und doch ist es so. Wird das Fuselöl, -- welches kein Oel, sondern ein
Aether, der Kartoffeläther, Amyläther oder das Amyloryd ist -- durch De¬
stillation Mit Schwefelsäure und essigsaurem Kali mit der Essigsäure verbun¬
den, so liefert es einen fruchtduftenden Aether, der mit Zusatz von Weingeist
das sogenannte Birnöl bildet, eine Essenz, welche den köstlichen Geruch reifer
Bergamottherbstbirnen im höchsten Grade entwickelt. Diese Essenz, vielfach im
Großen dargestellt, dient vorzüglich zur Bereitung jener Isruit-Orops, kleiner ge¬
würzter Kugelbvnbons von Gerstenzucker, welche jetzt so sehr beliebt und an
der Tagesordnung sind. Mit anderen Säuren in Verbindung gebracht, bildet
das Fuselöl die bekannten Essenzen: Apfelöl, Traubenöl, Congnacöl u. s. w.
die sich alle durch kräftigen und frappanten Wohlgeruch' auszeichnen. Eines
der schlagendsten dieser Beispiele -- welche noch sehr vermehrt werden könnten
-- liefert aber die Ambra. Dieser noch immer räthselhaste Stoff, der ein Er¬
zeugnis) der kranken Leber des Potfischeö sein soll, hat bekanntlich den anhal¬
tendsten und durchdringendsten Geruch von allen Riechstoffen, selbst Moschus
kaum ausgenommen, und ist schon aus diesem Grund der Parfümerie unent¬
behrlich, wie ISxI-ran ü'andre, Kau ys volvxae smbröe und ähnliche beliebte
Essenzen beweisen. Die chemische Forschung der Neuzeit hat aber ergeben, daß
ni dem getrockneten Kuhkoth sowol, wie sogar auch in den menschlichen Ex¬
krementen unter bestimmten Formen der Behandlung sich eine beträchtliche
Menge Ambra entwickelt und schon Einleitung zu deren Gewinnung ge¬
troffen. (Redwovd; Homberg). Wer will nun noch zu behaupten wagen,
unsre Wohlgerüche seien nur die "wirklichen, ätherischen Seelen der Pflanzen¬
welt!?" --

Die Gefahr jener falschen, hohlen Popularität der Wissenschaft'ist nicht ge-


briken angefertigt wird und unter dem Namen „künstliches Bittermandelöl oder
K88Sues Ah Wrbane" im Handel ist, wird allein noch zu allen Seifen,
Haarölen, Essenzen und Wassern genommen, welche den Geruch nach bittern
Mandeln haben — es ist sogar besser und unschädlicher, wie das Bitter¬
mandelöl selbst, welches Blausäure enthalten kann, wird daher auch in der
Conditorei verwendet. Unleugbar ist die aus Pferdeställen und Kuhställen
abfließende Jauche durchaus kein Ding, welches ein nichtchemischer Sinn in
Verbindung mit Wohlgerüchen zu bringen geneigt wäre. Aber ein Haupt¬
stoff in dieser Flüssigkeit, der daraus ganz leicht gewonnen werden kann, die
Hippursäure, liefert durch Destillation einen neuen Stoff, das Nitrobenzyl,
welcher ebenfalls dem Bittermandelöl zum Verwechseln täuschend ähnlich ist.
Diese wohlfeileren Stoffe werden natürlich allgemein statt des kostbareren Vorbild¬
stoffes zu Parfümerien gebraucht. — Niemand, der jemals schlechten Kartoffel¬
branntwein auf die Hand gegossen, zerrieben und den Geruch eingeathmet hat,
wird behaupten wollen, daß das Fuselöl Wohlgerüche zu erzeugen vermöge.
Und doch ist es so. Wird das Fuselöl, — welches kein Oel, sondern ein
Aether, der Kartoffeläther, Amyläther oder das Amyloryd ist — durch De¬
stillation Mit Schwefelsäure und essigsaurem Kali mit der Essigsäure verbun¬
den, so liefert es einen fruchtduftenden Aether, der mit Zusatz von Weingeist
das sogenannte Birnöl bildet, eine Essenz, welche den köstlichen Geruch reifer
Bergamottherbstbirnen im höchsten Grade entwickelt. Diese Essenz, vielfach im
Großen dargestellt, dient vorzüglich zur Bereitung jener Isruit-Orops, kleiner ge¬
würzter Kugelbvnbons von Gerstenzucker, welche jetzt so sehr beliebt und an
der Tagesordnung sind. Mit anderen Säuren in Verbindung gebracht, bildet
das Fuselöl die bekannten Essenzen: Apfelöl, Traubenöl, Congnacöl u. s. w.
die sich alle durch kräftigen und frappanten Wohlgeruch' auszeichnen. Eines
der schlagendsten dieser Beispiele — welche noch sehr vermehrt werden könnten
— liefert aber die Ambra. Dieser noch immer räthselhaste Stoff, der ein Er¬
zeugnis) der kranken Leber des Potfischeö sein soll, hat bekanntlich den anhal¬
tendsten und durchdringendsten Geruch von allen Riechstoffen, selbst Moschus
kaum ausgenommen, und ist schon aus diesem Grund der Parfümerie unent¬
behrlich, wie ISxI-ran ü'andre, Kau ys volvxae smbröe und ähnliche beliebte
Essenzen beweisen. Die chemische Forschung der Neuzeit hat aber ergeben, daß
ni dem getrockneten Kuhkoth sowol, wie sogar auch in den menschlichen Ex¬
krementen unter bestimmten Formen der Behandlung sich eine beträchtliche
Menge Ambra entwickelt und schon Einleitung zu deren Gewinnung ge¬
troffen. (Redwovd; Homberg). Wer will nun noch zu behaupten wagen,
unsre Wohlgerüche seien nur die „wirklichen, ätherischen Seelen der Pflanzen¬
welt!?" —

Die Gefahr jener falschen, hohlen Popularität der Wissenschaft'ist nicht ge-


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[0391] briken angefertigt wird und unter dem Namen „künstliches Bittermandelöl oder K88Sues Ah Wrbane" im Handel ist, wird allein noch zu allen Seifen, Haarölen, Essenzen und Wassern genommen, welche den Geruch nach bittern Mandeln haben — es ist sogar besser und unschädlicher, wie das Bitter¬ mandelöl selbst, welches Blausäure enthalten kann, wird daher auch in der Conditorei verwendet. Unleugbar ist die aus Pferdeställen und Kuhställen abfließende Jauche durchaus kein Ding, welches ein nichtchemischer Sinn in Verbindung mit Wohlgerüchen zu bringen geneigt wäre. Aber ein Haupt¬ stoff in dieser Flüssigkeit, der daraus ganz leicht gewonnen werden kann, die Hippursäure, liefert durch Destillation einen neuen Stoff, das Nitrobenzyl, welcher ebenfalls dem Bittermandelöl zum Verwechseln täuschend ähnlich ist. Diese wohlfeileren Stoffe werden natürlich allgemein statt des kostbareren Vorbild¬ stoffes zu Parfümerien gebraucht. — Niemand, der jemals schlechten Kartoffel¬ branntwein auf die Hand gegossen, zerrieben und den Geruch eingeathmet hat, wird behaupten wollen, daß das Fuselöl Wohlgerüche zu erzeugen vermöge. Und doch ist es so. Wird das Fuselöl, — welches kein Oel, sondern ein Aether, der Kartoffeläther, Amyläther oder das Amyloryd ist — durch De¬ stillation Mit Schwefelsäure und essigsaurem Kali mit der Essigsäure verbun¬ den, so liefert es einen fruchtduftenden Aether, der mit Zusatz von Weingeist das sogenannte Birnöl bildet, eine Essenz, welche den köstlichen Geruch reifer Bergamottherbstbirnen im höchsten Grade entwickelt. Diese Essenz, vielfach im Großen dargestellt, dient vorzüglich zur Bereitung jener Isruit-Orops, kleiner ge¬ würzter Kugelbvnbons von Gerstenzucker, welche jetzt so sehr beliebt und an der Tagesordnung sind. Mit anderen Säuren in Verbindung gebracht, bildet das Fuselöl die bekannten Essenzen: Apfelöl, Traubenöl, Congnacöl u. s. w. die sich alle durch kräftigen und frappanten Wohlgeruch' auszeichnen. Eines der schlagendsten dieser Beispiele — welche noch sehr vermehrt werden könnten — liefert aber die Ambra. Dieser noch immer räthselhaste Stoff, der ein Er¬ zeugnis) der kranken Leber des Potfischeö sein soll, hat bekanntlich den anhal¬ tendsten und durchdringendsten Geruch von allen Riechstoffen, selbst Moschus kaum ausgenommen, und ist schon aus diesem Grund der Parfümerie unent¬ behrlich, wie ISxI-ran ü'andre, Kau ys volvxae smbröe und ähnliche beliebte Essenzen beweisen. Die chemische Forschung der Neuzeit hat aber ergeben, daß ni dem getrockneten Kuhkoth sowol, wie sogar auch in den menschlichen Ex¬ krementen unter bestimmten Formen der Behandlung sich eine beträchtliche Menge Ambra entwickelt und schon Einleitung zu deren Gewinnung ge¬ troffen. (Redwovd; Homberg). Wer will nun noch zu behaupten wagen, unsre Wohlgerüche seien nur die „wirklichen, ätherischen Seelen der Pflanzen¬ welt!?" — Die Gefahr jener falschen, hohlen Popularität der Wissenschaft'ist nicht ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/391>, abgerufen am 26.05.2024.