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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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erzählt, und wenn der Inhalt nicht bedeutend ist, so tritt der Dichter auch
nicht anspruchsvoll aus.--


Achilles. Drama von Emil Palleske. Zum ersten Male aufgeführt auf der
Großherzoglich Oldenburgischen Hosbühne den 11. November 48i7. Göt-
tingen, Georg H. Wigand. ---

Das Stück ist durchaus verfehlt und Herr Palleske, der durch seinen König
Monmouth in einem andern Genre sich den Beifall des Publicums erworben,
hätte es gar nicht zum Druck geben sollen. Der Stoff ist die Aufspürung deö
in weibliche Kleider gesteckten Achilles, aber der Dichter hat die Ueberlieferung
vollständig abgeändert, gewiß nicht zum Vortheil der^adel. Die Art undWeise,
wie sich die Göttin Thetis als Haussrarv geberdet und wie sie den Sterblichen
Grobheiten sagt, ist so ungewöhnlich, daß man zuweilen in Zweifel geräth,
ob der Dichter nicht Spaß macht. Wir führen das Fragment" aus einem
Gespräch mit Patroklus an, der ihr einmal nicht augenblicklich gehorchen will:


Beim Zeus, den Du vergebens anrufst,

Willst Du mir trotzen, wüster Sterblicher?
'

Und muß ich, stets beklagen, daß icheinst,

Als Gattin einem Sterblichen verlobt,

In dieses hirnbetcinbende Gewühl

Von trotzgen Männern, blutig rauhen Thaten

Von Neid und Haß und rasenden Begierden

Aus des Olympus stillen Höhen stieg,

Wohin das wilde irdische Gebrause
- Wie eine liebliche Musik nur klingt.

Kaum gönnen Götter euch das nackte Leben,

So reißt ihr schon, auf das Geschenk nicht wartend,
' Das Feuer euch mit eines Halbgotts Händen

Gewaltsam aus dem Himmel u. s. w.

Dann fährt sie fort:


Das schwor ich euch beim furchtbar" Blitz des Zeus,

Daß nie Achill, solang mir Wort im Munde,

Gedanken in der Seele keimen, nie

Mein Sohn dies grauenhafte Spiel des Todes

Mitspielen soll, so wahr ich Göttin heiße!


Bekanntlich hat die gute Göttin falsch geschworen, was für eine Person
ihres Standes doch immer sehr fatal sein muß. --


Catilina. Drama in fünf Auszügen von Ferdin and Kürnberger. Hamburg,
Hoffmann. u. Campe. --

Das Drama hat zwei Vorzüge, die zunächst in die Augen springen und
die man erwähnen muß, weil sie bei den heutigen Dramatikern zur Seltenheit


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erzählt, und wenn der Inhalt nicht bedeutend ist, so tritt der Dichter auch
nicht anspruchsvoll aus.—


Achilles. Drama von Emil Palleske. Zum ersten Male aufgeführt auf der
Großherzoglich Oldenburgischen Hosbühne den 11. November 48i7. Göt-
tingen, Georg H. Wigand. -—

Das Stück ist durchaus verfehlt und Herr Palleske, der durch seinen König
Monmouth in einem andern Genre sich den Beifall des Publicums erworben,
hätte es gar nicht zum Druck geben sollen. Der Stoff ist die Aufspürung deö
in weibliche Kleider gesteckten Achilles, aber der Dichter hat die Ueberlieferung
vollständig abgeändert, gewiß nicht zum Vortheil der^adel. Die Art undWeise,
wie sich die Göttin Thetis als Haussrarv geberdet und wie sie den Sterblichen
Grobheiten sagt, ist so ungewöhnlich, daß man zuweilen in Zweifel geräth,
ob der Dichter nicht Spaß macht. Wir führen das Fragment" aus einem
Gespräch mit Patroklus an, der ihr einmal nicht augenblicklich gehorchen will:


Beim Zeus, den Du vergebens anrufst,

Willst Du mir trotzen, wüster Sterblicher?
'

Und muß ich, stets beklagen, daß icheinst,

Als Gattin einem Sterblichen verlobt,

In dieses hirnbetcinbende Gewühl

Von trotzgen Männern, blutig rauhen Thaten

Von Neid und Haß und rasenden Begierden

Aus des Olympus stillen Höhen stieg,

Wohin das wilde irdische Gebrause
- Wie eine liebliche Musik nur klingt.

Kaum gönnen Götter euch das nackte Leben,

So reißt ihr schon, auf das Geschenk nicht wartend,
' Das Feuer euch mit eines Halbgotts Händen

Gewaltsam aus dem Himmel u. s. w.

Dann fährt sie fort:


Das schwor ich euch beim furchtbar» Blitz des Zeus,

Daß nie Achill, solang mir Wort im Munde,

Gedanken in der Seele keimen, nie

Mein Sohn dies grauenhafte Spiel des Todes

Mitspielen soll, so wahr ich Göttin heiße!


Bekanntlich hat die gute Göttin falsch geschworen, was für eine Person
ihres Standes doch immer sehr fatal sein muß. —


Catilina. Drama in fünf Auszügen von Ferdin and Kürnberger. Hamburg,
Hoffmann. u. Campe. —

Das Drama hat zwei Vorzüge, die zunächst in die Augen springen und
die man erwähnen muß, weil sie bei den heutigen Dramatikern zur Seltenheit


Grenzboten. I. -I86ö. 62
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/497>, abgerufen am 17.06.2024.