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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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er am 9. August schreibt: "Ich meinerseits bin zufrieden, es fehlt mir
nur an Gelegenheit, einen Kampf mitzumachen; der Krieger muß die Lorbeeren
im Sturme nehmen, oder auf dem Felde der Ehre sterben." Die Briefe sind
reich an den zärtlichsten und wärmsten Aeußerungen der Freundschaft und Zu¬
neigung für Joseph und die übrigen Familienmitglieder, und ihr Ton ist vor¬
wiegend gemüthlich und selbst naiv, wie-Napoleon einmal an seinen Bruder
schreibt: "Du sprichst niemals von den Kindern, die Du machen mußt; es
scheint mir, daß Du in Bezug auf diesen Artikel sehr saumselig bist. Mach
uns doch einen kleinen Neffen; zum Teufel, Du mußt wol einmal anfangen.
Julie wird eine gute Mutter sein, und sie würde sonst des größten Lebensglücks
beraubt sein, welches darin besteht, Kinder zu stillen und groß zu ziehen."
Einmal schreibt er an seinen Bruder: "In welche Ereignisse auch das Schicksal
Dich versetzen mag, Du weißt, daß Du keinen bessern Freund haben kannst,
der Dir theurer sein könnte und aufrichtiger Dein Glück wünschte. Das
Leben ist ein leichter Traum, welcher verfliegt. Wenn Du abreisest und glaubst,
es könnte auf einige Zeit sein, so schicke mir Dein Porträt; wir haben soviele
Jahre zusammen und so eng verbunden gelebt, daß unsre Herzen sich ver¬
schmolzen haben, und Du'weißt besser als irgend jemand, wie gänzlich das
meinige Dir gehört. Ich empfinde, indem ich diese Zeilen niederschreibe, eine
Rührung wie ich sie nur selten in meinem Leben gefühlt habe ..." Bonaparte
hatte damals ein zärtliches Verhältniß mit seiner Schwägerin, Desiree Eugenie
Clary, der jüngeren Schwester der Madame Joseph Bonaparte, und der späteren
Königin von Schweden. Die Leidenschaft scheint bei beiden nicht sehr groß
gewesen zu sein, und jedenfalls bei ihm noch wärmer als bei ihr, denn er be¬
klagt sich sehr häusig über ihr gleichgiltiges Schweigen, so oft er sie grüßen
läßt. Nach seiner Ernennung zum Mitglied des Wohlfahrtsausschusses kommt
er mit größerer Bestimmtheit auf seine Heiratspläne zurück: "Wenn ich hier
bleibe," schreibt er, "ist es nicht unmöglich, daß ich die Thorheit begehe, mich
zu verheiraten. Ich möchte Deine Meinung darüber hören. Es wäre viel¬
leicht gut, darüber mit Eugeniens Bruder zu sprechen; laß mich das Ergebniß
wissen, und alles ist abgemacht." Das Verhältniß löste sich allmälig uno drei
Jahre später verheiratete sich Desiree, begleitet von Napoleons Glückwünschen,
mit Bernadotte.

Interessant sind die Züge, welche Bonaparte von dem damaligen Leben
w Paris gibt, welches sich damals eben von dem Alp der Schreckensherrschaft
befreit fühlte und zu neuem Leben erwacht war. Man suchte nachzuholen, was
man versäumt hatte, und alles bewegte sich im rauschenden Taumel. Ueber
die Zustände in der Hauptstadt äußerte damals Napoleon (18. Juli): "Der
Lurus, die Vergnügungen und die Künste nehmen einen erstaunlichen Auf¬
schwung .....Die elegantesten Wagen zeigen sich wieder. . . alles findet sich


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er am 9. August schreibt: „Ich meinerseits bin zufrieden, es fehlt mir
nur an Gelegenheit, einen Kampf mitzumachen; der Krieger muß die Lorbeeren
im Sturme nehmen, oder auf dem Felde der Ehre sterben." Die Briefe sind
reich an den zärtlichsten und wärmsten Aeußerungen der Freundschaft und Zu¬
neigung für Joseph und die übrigen Familienmitglieder, und ihr Ton ist vor¬
wiegend gemüthlich und selbst naiv, wie-Napoleon einmal an seinen Bruder
schreibt: „Du sprichst niemals von den Kindern, die Du machen mußt; es
scheint mir, daß Du in Bezug auf diesen Artikel sehr saumselig bist. Mach
uns doch einen kleinen Neffen; zum Teufel, Du mußt wol einmal anfangen.
Julie wird eine gute Mutter sein, und sie würde sonst des größten Lebensglücks
beraubt sein, welches darin besteht, Kinder zu stillen und groß zu ziehen."
Einmal schreibt er an seinen Bruder: „In welche Ereignisse auch das Schicksal
Dich versetzen mag, Du weißt, daß Du keinen bessern Freund haben kannst,
der Dir theurer sein könnte und aufrichtiger Dein Glück wünschte. Das
Leben ist ein leichter Traum, welcher verfliegt. Wenn Du abreisest und glaubst,
es könnte auf einige Zeit sein, so schicke mir Dein Porträt; wir haben soviele
Jahre zusammen und so eng verbunden gelebt, daß unsre Herzen sich ver¬
schmolzen haben, und Du'weißt besser als irgend jemand, wie gänzlich das
meinige Dir gehört. Ich empfinde, indem ich diese Zeilen niederschreibe, eine
Rührung wie ich sie nur selten in meinem Leben gefühlt habe ..." Bonaparte
hatte damals ein zärtliches Verhältniß mit seiner Schwägerin, Desiree Eugenie
Clary, der jüngeren Schwester der Madame Joseph Bonaparte, und der späteren
Königin von Schweden. Die Leidenschaft scheint bei beiden nicht sehr groß
gewesen zu sein, und jedenfalls bei ihm noch wärmer als bei ihr, denn er be¬
klagt sich sehr häusig über ihr gleichgiltiges Schweigen, so oft er sie grüßen
läßt. Nach seiner Ernennung zum Mitglied des Wohlfahrtsausschusses kommt
er mit größerer Bestimmtheit auf seine Heiratspläne zurück: „Wenn ich hier
bleibe," schreibt er, „ist es nicht unmöglich, daß ich die Thorheit begehe, mich
zu verheiraten. Ich möchte Deine Meinung darüber hören. Es wäre viel¬
leicht gut, darüber mit Eugeniens Bruder zu sprechen; laß mich das Ergebniß
wissen, und alles ist abgemacht." Das Verhältniß löste sich allmälig uno drei
Jahre später verheiratete sich Desiree, begleitet von Napoleons Glückwünschen,
mit Bernadotte.

Interessant sind die Züge, welche Bonaparte von dem damaligen Leben
w Paris gibt, welches sich damals eben von dem Alp der Schreckensherrschaft
befreit fühlte und zu neuem Leben erwacht war. Man suchte nachzuholen, was
man versäumt hatte, und alles bewegte sich im rauschenden Taumel. Ueber
die Zustände in der Hauptstadt äußerte damals Napoleon (18. Juli): „Der
Lurus, die Vergnügungen und die Künste nehmen einen erstaunlichen Auf¬
schwung .....Die elegantesten Wagen zeigen sich wieder. . . alles findet sich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/51>, abgerufen am 17.06.2024.