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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band.

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König von,'Neapel keine englische hätte, wer wäre dann der stärkste in Neapel?
Und wahrhaftig ich ^bedarf einer fremden Armee nicht, um mich in Paris
aufrechtzuerhalten." Ein ander Mal heißt es: "Sie mögen machen was Sie
wollen, Sie werden sich in einer Stadt wie Neapel niemals durch die öffent¬
liche Meinung behaupten. Sorgen Sie lieber dafür, daß die Mörser in den
Forts und die Reserven bereit sind, um jede Volksbewegung rasch zu züchtigen.
Ich denke doch, Sie haben Kanonen in Ihrem Palast stehen und alle Vor¬
kehrungen getroffen." Alle Maßregeln, die auf die Unterstützung der neuen
Dynastie durch das Volk berechnet sind, finden bei Napoleon entschiedenen Tadel:
"Wozu," schreibt er an Joseph, "sollen 60,000 bewaffnete und organisirte Pro-
vinzialgarden nützen? Beim ersten Kriegserklaren auf dem Eontinent sind die
Mannschaften wenigstens neutral, und ihre Führer eröffnen Unterhandlungen
mit dem Feinde. Bei der Nachricht von einer an der Etsch oder am Jsonzo
verlorenen Schlacht werden sie sich gegen Sie wenden. Wozu brauchen Sie
dieselben aber, wenn ich Frieden habe oder Sieger bin? . . . Es macht mich
lachen, daß Sie glauben, diese 50,000 Mann würden ebensoviele Feinde der
Königin Caroline sein. Sie machen sich eine übertriebene Vorstellung von
dem Haß, den die Königin in Neapel hinterlassen hat. Sie kennen die
Menschen nicht. Es gibt nicht zwanzig Menschen, welche sie so hassen, wie
Sie meinen; eS gibt nicht zwanzig Personen, die sich von ihrem Lächeln, von
einer verbindlichen Redensart aus ihrem Munde bestechen lassen. Das erste
Gefühl des Hasses einer Nation ist Feindschaft gegen eine andere; Ihre 30,000
Mann sind ebensoviel Feinde der Franzosen.".....Wenn er durchaus
Neapolitaner als Nationalgarde haben wollte, so solle er i000 nehmen, aber
nicht mehr, "Familienväter, recht feig, recht alt, welche gut sind, das Haus
zu bewachen, wenn es heißt, daß Diebe kommen. Alles andere ist vom
Uebel." . - - Der Kaiser warnt seinen Bruder vor einem zu großen Vertrauen
in die neapolitanischen Truppen; ein einziger Ruf in Italien: "Jagt vie
Bourbonen über die Alpen! würde ihm seine ganze Armee entreißen. Er solle
lieber Franzosen, Schweizer, Corsen, deutsche Regimenter "alö ma eolilvcleration
xermlmiciuö" nehmen. Immer wiederholt sich die Mahnung: "mehr Strenge!
Kräftigere Maßregeln!" "Sie sind zu gut," heißt es in einem andern Briefe,
"vorzüglich für das Land, wo Sie sich befinden. Sie müssen entwaffnen, ver¬
Urtheilen lassen und depvrtiren- -- Bedenken Sie wohl, was ich Ihnen sage:
Die Zukunft Ihrer Regierung hängt von Ihrem Benehmen nach Ihrer Rück¬
kehr aus Calabrien ab. Verzeihen Sie nicht: lassen Sie mindestens 600
Aufrührer standrechtlich hinrichten; sie haben mir eine große Anzahl Soldaten
ermordet. Lassen Sie die Häuser von zwanzig der vornehmsten Dorsvorsteher
in Brand stecken, und vertheilen Sie ihre Besitzungen unter die Armee. Ent¬
waffnen Sie alle Einwohner und lassen Sie 5--6 große Dörfer von denen,


König von,'Neapel keine englische hätte, wer wäre dann der stärkste in Neapel?
Und wahrhaftig ich ^bedarf einer fremden Armee nicht, um mich in Paris
aufrechtzuerhalten." Ein ander Mal heißt es: „Sie mögen machen was Sie
wollen, Sie werden sich in einer Stadt wie Neapel niemals durch die öffent¬
liche Meinung behaupten. Sorgen Sie lieber dafür, daß die Mörser in den
Forts und die Reserven bereit sind, um jede Volksbewegung rasch zu züchtigen.
Ich denke doch, Sie haben Kanonen in Ihrem Palast stehen und alle Vor¬
kehrungen getroffen." Alle Maßregeln, die auf die Unterstützung der neuen
Dynastie durch das Volk berechnet sind, finden bei Napoleon entschiedenen Tadel:
„Wozu," schreibt er an Joseph, „sollen 60,000 bewaffnete und organisirte Pro-
vinzialgarden nützen? Beim ersten Kriegserklaren auf dem Eontinent sind die
Mannschaften wenigstens neutral, und ihre Führer eröffnen Unterhandlungen
mit dem Feinde. Bei der Nachricht von einer an der Etsch oder am Jsonzo
verlorenen Schlacht werden sie sich gegen Sie wenden. Wozu brauchen Sie
dieselben aber, wenn ich Frieden habe oder Sieger bin? . . . Es macht mich
lachen, daß Sie glauben, diese 50,000 Mann würden ebensoviele Feinde der
Königin Caroline sein. Sie machen sich eine übertriebene Vorstellung von
dem Haß, den die Königin in Neapel hinterlassen hat. Sie kennen die
Menschen nicht. Es gibt nicht zwanzig Menschen, welche sie so hassen, wie
Sie meinen; eS gibt nicht zwanzig Personen, die sich von ihrem Lächeln, von
einer verbindlichen Redensart aus ihrem Munde bestechen lassen. Das erste
Gefühl des Hasses einer Nation ist Feindschaft gegen eine andere; Ihre 30,000
Mann sind ebensoviel Feinde der Franzosen.".....Wenn er durchaus
Neapolitaner als Nationalgarde haben wollte, so solle er i000 nehmen, aber
nicht mehr, „Familienväter, recht feig, recht alt, welche gut sind, das Haus
zu bewachen, wenn es heißt, daß Diebe kommen. Alles andere ist vom
Uebel." . - - Der Kaiser warnt seinen Bruder vor einem zu großen Vertrauen
in die neapolitanischen Truppen; ein einziger Ruf in Italien: „Jagt vie
Bourbonen über die Alpen! würde ihm seine ganze Armee entreißen. Er solle
lieber Franzosen, Schweizer, Corsen, deutsche Regimenter „alö ma eolilvcleration
xermlmiciuö" nehmen. Immer wiederholt sich die Mahnung: „mehr Strenge!
Kräftigere Maßregeln!" „Sie sind zu gut," heißt es in einem andern Briefe,
„vorzüglich für das Land, wo Sie sich befinden. Sie müssen entwaffnen, ver¬
Urtheilen lassen und depvrtiren- — Bedenken Sie wohl, was ich Ihnen sage:
Die Zukunft Ihrer Regierung hängt von Ihrem Benehmen nach Ihrer Rück¬
kehr aus Calabrien ab. Verzeihen Sie nicht: lassen Sie mindestens 600
Aufrührer standrechtlich hinrichten; sie haben mir eine große Anzahl Soldaten
ermordet. Lassen Sie die Häuser von zwanzig der vornehmsten Dorsvorsteher
in Brand stecken, und vertheilen Sie ihre Besitzungen unter die Armee. Ent¬
waffnen Sie alle Einwohner und lassen Sie 5—6 große Dörfer von denen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_98851/62>, abgerufen am 17.06.2024.