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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Aufmerken auf die Fragen des Lehrers, sowie an ein besonnenes, deutliches
und bestimmtes Antworten zu gewöhnen. Was dieses Urtheil über die allge¬
meine Lehrmethode anlangt, so können wir nichl umhin, den Scharfsinn in der
Auffassung der Mängel ebenso, wie das Zutreffen der gemachten Wahr¬
nehmungen anzuerkennen und es möchte wol keinem Zweifel unterliegen, daß
es ganz und gar nicht überflüssig erscheint, diese von He.rrn von Raumer in
Betreff der auf inländischen Gymnasien angenommenen Unterrichtsmethode
hervorgehobenen Punkte, der angelegentlicher Beachtung zu empfehlen.

Das in Rede stehende Gutachten breitet sich demnächst weiter aus über
die in den einzelnen Fächern des Wissens kundgegebenen Leistungen. Es
haben, vom Sprachensiudium abgesehen, die dargelegten Kenntnisse in der
Mathematik noch am meisten befriedigt. In Ansehung des Geschichtsunterrichts
hat es erforderlich geschienen, darauf hinzuweisen, daß den Schülern -- bei
weitem mehr als geschehen -- gestattet werde, in zusammenhängender Rede¬
weise sich auszusprechen; man muß in der That diese Bemerkung als richtig
anerkennen. Von Wichtigkeit erscheint es zu erfahren, wie der Unterrichts¬
und Cultusminister den Geist des Geschichtsunterrichts aufgefaßt wissen will.
Seiner Auffassung gemäß soll es wesentlich darauf ankommen, das Bewußt¬
sein der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Vaterlande und zu einer
bestimmten christlichen Confession zu beleben und zu, stärken. Wenn
außerdem als die eigentliche Aufgabe des Unterrichts in Geschichte und Religion
das enge Anschließen an die concrete "Lebensbestimmtheit" aller Schüler be¬
zeichnet wird, so müssen wir daraus verzichten, mit einer solchen Andeutung
einen klaren Begriff zu verbinden. Das Studium der Geschichte, das Studium
der griechischen und römischen Classiker, das auf den Gymnasien betrieben wird,
sei es in Verbindung mit grammatischen Erörterungen, sei es bei Gelegenheit
des cursorischen Lesens, schließt aber eine" noch höheren Werth in sich, als er
sich aus der Erlangung des Bewußtseins über die Zugehörigkeit zum preußischen
Staatsverbande und zur evangelischen und katholischen Confession (denn weder
Dissidenten noch Juden, welche doch eben auch auf Gymnasien ihre wissen¬
schaftliche Ausbildung begründen, möchte der ministerielle Beurtheiler im Sinne
gehabt haben) abstrahiren läßt. Dieser höhere Werth, welcher dem Studium
der Geschichte und speciell der alten Klassiker beizumessen ist, besteht vornehm¬
lich in der Erkennung der Bedeutung, die der thätigen Betheiligung jedes
Staatsbürgers an der Ausbildung der vaterländischen Institutionen, an der
Förderung der Cultur und der Volkswohlfahrt beigelegt werden muß, in der
Erweckung einer Vaterlandsliebe, die sich auf die Liebe zur Freiheit, auf das
Streben, der Humanität nach Kräften Geltung zu verschaffen, basirt und die
bereit ist, ohne Zagen das persönliche Wohl zum Opfer zu bringen, wenn
es gilt der Willkür entgegenzutreten, sie möge von Außen her versuchen


Aufmerken auf die Fragen des Lehrers, sowie an ein besonnenes, deutliches
und bestimmtes Antworten zu gewöhnen. Was dieses Urtheil über die allge¬
meine Lehrmethode anlangt, so können wir nichl umhin, den Scharfsinn in der
Auffassung der Mängel ebenso, wie das Zutreffen der gemachten Wahr¬
nehmungen anzuerkennen und es möchte wol keinem Zweifel unterliegen, daß
es ganz und gar nicht überflüssig erscheint, diese von He.rrn von Raumer in
Betreff der auf inländischen Gymnasien angenommenen Unterrichtsmethode
hervorgehobenen Punkte, der angelegentlicher Beachtung zu empfehlen.

Das in Rede stehende Gutachten breitet sich demnächst weiter aus über
die in den einzelnen Fächern des Wissens kundgegebenen Leistungen. Es
haben, vom Sprachensiudium abgesehen, die dargelegten Kenntnisse in der
Mathematik noch am meisten befriedigt. In Ansehung des Geschichtsunterrichts
hat es erforderlich geschienen, darauf hinzuweisen, daß den Schülern — bei
weitem mehr als geschehen — gestattet werde, in zusammenhängender Rede¬
weise sich auszusprechen; man muß in der That diese Bemerkung als richtig
anerkennen. Von Wichtigkeit erscheint es zu erfahren, wie der Unterrichts¬
und Cultusminister den Geist des Geschichtsunterrichts aufgefaßt wissen will.
Seiner Auffassung gemäß soll es wesentlich darauf ankommen, das Bewußt¬
sein der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Vaterlande und zu einer
bestimmten christlichen Confession zu beleben und zu, stärken. Wenn
außerdem als die eigentliche Aufgabe des Unterrichts in Geschichte und Religion
das enge Anschließen an die concrete „Lebensbestimmtheit" aller Schüler be¬
zeichnet wird, so müssen wir daraus verzichten, mit einer solchen Andeutung
einen klaren Begriff zu verbinden. Das Studium der Geschichte, das Studium
der griechischen und römischen Classiker, das auf den Gymnasien betrieben wird,
sei es in Verbindung mit grammatischen Erörterungen, sei es bei Gelegenheit
des cursorischen Lesens, schließt aber eine» noch höheren Werth in sich, als er
sich aus der Erlangung des Bewußtseins über die Zugehörigkeit zum preußischen
Staatsverbande und zur evangelischen und katholischen Confession (denn weder
Dissidenten noch Juden, welche doch eben auch auf Gymnasien ihre wissen¬
schaftliche Ausbildung begründen, möchte der ministerielle Beurtheiler im Sinne
gehabt haben) abstrahiren läßt. Dieser höhere Werth, welcher dem Studium
der Geschichte und speciell der alten Klassiker beizumessen ist, besteht vornehm¬
lich in der Erkennung der Bedeutung, die der thätigen Betheiligung jedes
Staatsbürgers an der Ausbildung der vaterländischen Institutionen, an der
Förderung der Cultur und der Volkswohlfahrt beigelegt werden muß, in der
Erweckung einer Vaterlandsliebe, die sich auf die Liebe zur Freiheit, auf das
Streben, der Humanität nach Kräften Geltung zu verschaffen, basirt und die
bereit ist, ohne Zagen das persönliche Wohl zum Opfer zu bringen, wenn
es gilt der Willkür entgegenzutreten, sie möge von Außen her versuchen


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[0304] Aufmerken auf die Fragen des Lehrers, sowie an ein besonnenes, deutliches und bestimmtes Antworten zu gewöhnen. Was dieses Urtheil über die allge¬ meine Lehrmethode anlangt, so können wir nichl umhin, den Scharfsinn in der Auffassung der Mängel ebenso, wie das Zutreffen der gemachten Wahr¬ nehmungen anzuerkennen und es möchte wol keinem Zweifel unterliegen, daß es ganz und gar nicht überflüssig erscheint, diese von He.rrn von Raumer in Betreff der auf inländischen Gymnasien angenommenen Unterrichtsmethode hervorgehobenen Punkte, der angelegentlicher Beachtung zu empfehlen. Das in Rede stehende Gutachten breitet sich demnächst weiter aus über die in den einzelnen Fächern des Wissens kundgegebenen Leistungen. Es haben, vom Sprachensiudium abgesehen, die dargelegten Kenntnisse in der Mathematik noch am meisten befriedigt. In Ansehung des Geschichtsunterrichts hat es erforderlich geschienen, darauf hinzuweisen, daß den Schülern — bei weitem mehr als geschehen — gestattet werde, in zusammenhängender Rede¬ weise sich auszusprechen; man muß in der That diese Bemerkung als richtig anerkennen. Von Wichtigkeit erscheint es zu erfahren, wie der Unterrichts¬ und Cultusminister den Geist des Geschichtsunterrichts aufgefaßt wissen will. Seiner Auffassung gemäß soll es wesentlich darauf ankommen, das Bewußt¬ sein der Zugehörigkeit zu einem bestimmten Vaterlande und zu einer bestimmten christlichen Confession zu beleben und zu, stärken. Wenn außerdem als die eigentliche Aufgabe des Unterrichts in Geschichte und Religion das enge Anschließen an die concrete „Lebensbestimmtheit" aller Schüler be¬ zeichnet wird, so müssen wir daraus verzichten, mit einer solchen Andeutung einen klaren Begriff zu verbinden. Das Studium der Geschichte, das Studium der griechischen und römischen Classiker, das auf den Gymnasien betrieben wird, sei es in Verbindung mit grammatischen Erörterungen, sei es bei Gelegenheit des cursorischen Lesens, schließt aber eine» noch höheren Werth in sich, als er sich aus der Erlangung des Bewußtseins über die Zugehörigkeit zum preußischen Staatsverbande und zur evangelischen und katholischen Confession (denn weder Dissidenten noch Juden, welche doch eben auch auf Gymnasien ihre wissen¬ schaftliche Ausbildung begründen, möchte der ministerielle Beurtheiler im Sinne gehabt haben) abstrahiren läßt. Dieser höhere Werth, welcher dem Studium der Geschichte und speciell der alten Klassiker beizumessen ist, besteht vornehm¬ lich in der Erkennung der Bedeutung, die der thätigen Betheiligung jedes Staatsbürgers an der Ausbildung der vaterländischen Institutionen, an der Förderung der Cultur und der Volkswohlfahrt beigelegt werden muß, in der Erweckung einer Vaterlandsliebe, die sich auf die Liebe zur Freiheit, auf das Streben, der Humanität nach Kräften Geltung zu verschaffen, basirt und die bereit ist, ohne Zagen das persönliche Wohl zum Opfer zu bringen, wenn es gilt der Willkür entgegenzutreten, sie möge von Außen her versuchen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/304>, abgerufen am 17.06.2024.