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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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übrigen Leben in ziemlich geringem Wechselverkehr. Ueber den Tod der
Günderode, die ans Bettinens Briefen bekannt ist, finden wir in einem Brief
von Heinrich Voß (Band 2, Seite 30(i--9) nähere Aufschlüsse. Creutzer lernte
dgs Fräulein Günderode -I.80i kennen. Sie traten in ein Verhältniß, daS durch
gegenseitige Briefe und Gedichte festgehalten wurde. "Aber Creutzer hemmten trau¬
rige Fesseln. Er lebt schon viele Jahre an der Seite einer Frau, die er nicht aus
Liebe, sondern aus Achtung und aus Dankbarkeit für mütterliche Krankenpflege
geheirathet hatte. Sie ist fast zwanzig Jahre älter, als er..... Creutzer ver¬
langt Ehescheidung und seine gutherzige Frau, die ihm ein glücklicheres Loos
wünscht, als sie ihm zu geben im Stande ist, ergibt sich mit Demuth in seinen
Willen. In der Mitte dieses Sommers (-1806) fällt Creutzer in ein Nerven-
sieber, seine Frau pflegt ihn mit aller ersinnlichen Treue und kommt ihm besonders
in den Tagen, wo sein Leben in Gefahr stand, nicht von der Seite. Diese An¬
hänglichkeit rührt Creutzer...... In den ersten Tagen des wiederkehrenden hellen
Bewußtseins versammelt er seine Freunde um sich, erklärt ihnen feierlich, seine
Seele habe vor Gott gestanden; jetzt erschienen ihm seine irdischen Verhältnisse
in einer ganz andern Gestalt, er wolle in ihrer Gegenwatt seiner Frau das ihr
widerfahrene Unrecht abbitten. Daub erhält den Auftrag, den Absagnngsbries
zu schreiben. Creutzer fügt die Bitte hinzu, man solle ihm nie von der Wir¬
kung dieses Briefes etwas mittheilen." Die Wirkung war bekanntlich, daß
die Günderode sich in den Main stürzte. -- --


Heinrich Eberhard Gottlob Paulus und seine Zeit, nach dessen litera-
rischen Nachlasse, bisher ungedruckten Briefwechsel und mündlichen Mitthei¬
lungen dargestellt von .Karl Alexander Freiherrn von Rctchlin-
Meldegg. Zwei Bände. Stuttgart, Verlags-Magazin. -1853. --

Die Sammlung wäre unschätzbar, wenn der Herausgeber nicht alles
aufgeboten hätte, um sie ungenießbar zu machen. Paulus lebte -1789
bis 1803 in Jena in dem intimsten Verkehr mit allen Notabilitäten der
Literatur, wozu nicht blos seine amtliche Stellung, sondern auch seine Frau
sehr viel beitrug, die bei Männern und Frauen das allgemeinste Vertrauen
erregte. In den Jahren -1803---1806 ist er in Würzburg thätig, in einer
Zeit, wo diese Universität die Rivalität mit Jena unternahm, von -I8-I-I
bis zu seinem Tode -I8K-I in Heidelberg. Damals hatte man die Hoffnung,
Heidelberg durch Herbeiziehen aller bedeutenden Kräfte ebenso zum Mittel¬
punkt der deutschen Bildung zu macheu, wie es früher Jena gewesen war.
Das Unternehmen mußte fehlschlagen, da man endlich in Berlin den wahren
Beruf des preußischen Staats erkannt hatte, eine Concurrenz, gegen die Heidel¬
berg nicht aufkommen konnte, aus dem sich aber doch sehr interessante Erschei-
nungen entwickelten. Was hätte sich nun aus diesem reichhaltigen Material


übrigen Leben in ziemlich geringem Wechselverkehr. Ueber den Tod der
Günderode, die ans Bettinens Briefen bekannt ist, finden wir in einem Brief
von Heinrich Voß (Band 2, Seite 30(i—9) nähere Aufschlüsse. Creutzer lernte
dgs Fräulein Günderode -I.80i kennen. Sie traten in ein Verhältniß, daS durch
gegenseitige Briefe und Gedichte festgehalten wurde. „Aber Creutzer hemmten trau¬
rige Fesseln. Er lebt schon viele Jahre an der Seite einer Frau, die er nicht aus
Liebe, sondern aus Achtung und aus Dankbarkeit für mütterliche Krankenpflege
geheirathet hatte. Sie ist fast zwanzig Jahre älter, als er..... Creutzer ver¬
langt Ehescheidung und seine gutherzige Frau, die ihm ein glücklicheres Loos
wünscht, als sie ihm zu geben im Stande ist, ergibt sich mit Demuth in seinen
Willen. In der Mitte dieses Sommers (-1806) fällt Creutzer in ein Nerven-
sieber, seine Frau pflegt ihn mit aller ersinnlichen Treue und kommt ihm besonders
in den Tagen, wo sein Leben in Gefahr stand, nicht von der Seite. Diese An¬
hänglichkeit rührt Creutzer...... In den ersten Tagen des wiederkehrenden hellen
Bewußtseins versammelt er seine Freunde um sich, erklärt ihnen feierlich, seine
Seele habe vor Gott gestanden; jetzt erschienen ihm seine irdischen Verhältnisse
in einer ganz andern Gestalt, er wolle in ihrer Gegenwatt seiner Frau das ihr
widerfahrene Unrecht abbitten. Daub erhält den Auftrag, den Absagnngsbries
zu schreiben. Creutzer fügt die Bitte hinzu, man solle ihm nie von der Wir¬
kung dieses Briefes etwas mittheilen." Die Wirkung war bekanntlich, daß
die Günderode sich in den Main stürzte. — —


Heinrich Eberhard Gottlob Paulus und seine Zeit, nach dessen litera-
rischen Nachlasse, bisher ungedruckten Briefwechsel und mündlichen Mitthei¬
lungen dargestellt von .Karl Alexander Freiherrn von Rctchlin-
Meldegg. Zwei Bände. Stuttgart, Verlags-Magazin. -1853. —

Die Sammlung wäre unschätzbar, wenn der Herausgeber nicht alles
aufgeboten hätte, um sie ungenießbar zu machen. Paulus lebte -1789
bis 1803 in Jena in dem intimsten Verkehr mit allen Notabilitäten der
Literatur, wozu nicht blos seine amtliche Stellung, sondern auch seine Frau
sehr viel beitrug, die bei Männern und Frauen das allgemeinste Vertrauen
erregte. In den Jahren -1803—-1806 ist er in Würzburg thätig, in einer
Zeit, wo diese Universität die Rivalität mit Jena unternahm, von -I8-I-I
bis zu seinem Tode -I8K-I in Heidelberg. Damals hatte man die Hoffnung,
Heidelberg durch Herbeiziehen aller bedeutenden Kräfte ebenso zum Mittel¬
punkt der deutschen Bildung zu macheu, wie es früher Jena gewesen war.
Das Unternehmen mußte fehlschlagen, da man endlich in Berlin den wahren
Beruf des preußischen Staats erkannt hatte, eine Concurrenz, gegen die Heidel¬
berg nicht aufkommen konnte, aus dem sich aber doch sehr interessante Erschei-
nungen entwickelten. Was hätte sich nun aus diesem reichhaltigen Material


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[0060] übrigen Leben in ziemlich geringem Wechselverkehr. Ueber den Tod der Günderode, die ans Bettinens Briefen bekannt ist, finden wir in einem Brief von Heinrich Voß (Band 2, Seite 30(i—9) nähere Aufschlüsse. Creutzer lernte dgs Fräulein Günderode -I.80i kennen. Sie traten in ein Verhältniß, daS durch gegenseitige Briefe und Gedichte festgehalten wurde. „Aber Creutzer hemmten trau¬ rige Fesseln. Er lebt schon viele Jahre an der Seite einer Frau, die er nicht aus Liebe, sondern aus Achtung und aus Dankbarkeit für mütterliche Krankenpflege geheirathet hatte. Sie ist fast zwanzig Jahre älter, als er..... Creutzer ver¬ langt Ehescheidung und seine gutherzige Frau, die ihm ein glücklicheres Loos wünscht, als sie ihm zu geben im Stande ist, ergibt sich mit Demuth in seinen Willen. In der Mitte dieses Sommers (-1806) fällt Creutzer in ein Nerven- sieber, seine Frau pflegt ihn mit aller ersinnlichen Treue und kommt ihm besonders in den Tagen, wo sein Leben in Gefahr stand, nicht von der Seite. Diese An¬ hänglichkeit rührt Creutzer...... In den ersten Tagen des wiederkehrenden hellen Bewußtseins versammelt er seine Freunde um sich, erklärt ihnen feierlich, seine Seele habe vor Gott gestanden; jetzt erschienen ihm seine irdischen Verhältnisse in einer ganz andern Gestalt, er wolle in ihrer Gegenwatt seiner Frau das ihr widerfahrene Unrecht abbitten. Daub erhält den Auftrag, den Absagnngsbries zu schreiben. Creutzer fügt die Bitte hinzu, man solle ihm nie von der Wir¬ kung dieses Briefes etwas mittheilen." Die Wirkung war bekanntlich, daß die Günderode sich in den Main stürzte. — — Heinrich Eberhard Gottlob Paulus und seine Zeit, nach dessen litera- rischen Nachlasse, bisher ungedruckten Briefwechsel und mündlichen Mitthei¬ lungen dargestellt von .Karl Alexander Freiherrn von Rctchlin- Meldegg. Zwei Bände. Stuttgart, Verlags-Magazin. -1853. — Die Sammlung wäre unschätzbar, wenn der Herausgeber nicht alles aufgeboten hätte, um sie ungenießbar zu machen. Paulus lebte -1789 bis 1803 in Jena in dem intimsten Verkehr mit allen Notabilitäten der Literatur, wozu nicht blos seine amtliche Stellung, sondern auch seine Frau sehr viel beitrug, die bei Männern und Frauen das allgemeinste Vertrauen erregte. In den Jahren -1803—-1806 ist er in Würzburg thätig, in einer Zeit, wo diese Universität die Rivalität mit Jena unternahm, von -I8-I-I bis zu seinem Tode -I8K-I in Heidelberg. Damals hatte man die Hoffnung, Heidelberg durch Herbeiziehen aller bedeutenden Kräfte ebenso zum Mittel¬ punkt der deutschen Bildung zu macheu, wie es früher Jena gewesen war. Das Unternehmen mußte fehlschlagen, da man endlich in Berlin den wahren Beruf des preußischen Staats erkannt hatte, eine Concurrenz, gegen die Heidel¬ berg nicht aufkommen konnte, aus dem sich aber doch sehr interessante Erschei- nungen entwickelten. Was hätte sich nun aus diesem reichhaltigen Material

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/60>, abgerufen am 17.06.2024.